Auf der anderen Seite der Schwelle. Raimund August
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Название: Auf der anderen Seite der Schwelle

Автор: Raimund August

Издательство: Автор

Жанр: Короткие любовные романы

Серия:

isbn: 9783957448019

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СКАЧАТЬ Film, der kein Film war … Das Treppensteigen endete schließlich ganz oben. Das Dach selbst mit Reihen kleiner Fenster über dem Lichtschacht war dort recht nah. Um jede Seite dieses Schachts lief eine hölzerne Galerie wie auf allen Stockwerken mit je einem eisernen Geländer an der Seite zum Schacht und eisenbeschlagenen grau gestrichenen Zellentüren mit weißen Nummern links und ebenso rechts des Schachts.

      Dann klapperten sie beide mit den schweren Botten, Holz auf Holz, über die Galerie der rechten Seite, vorbei an diesen grauen Türen, bis zur Nummer 96.

      „Halt! Bleiben Sie steh’n!“ Der Schließer blickte kurz durch den Spion und schloss die Türe auf.

      In der Zelle standen zwischen doppelstöckigen hölzernen Bettgestellen ziemlich verunsichert zwei Vogelscheuchen wie sie selbst. Der ältere von beiden versuchte eine Meldung. Der Schließer winkte ab. „Na geh’n Se schon, geh’n Se da rein.“, forderte er die beiden Neuen auf. Dazu wies er mit dem Schlüssel in die Zelle und so gesellten die beiden sich mit ihren Bündeln zu den verschreckten Schicksalsgenossen, während die Türe hinter ihnen wieder ins Schloss krachte.

      Beide warfen ihre Bündel auf zwei unbesetzte Betten.

      Nach einer kurzen ersten Begrüßung sah Totila sich in der Zelle um. „ Wenigstens besser als bei der Stasi“, erklärte er.

      Sebastian stimmte dem zu. „Aber den Scheißkübel in der Ecke“, sagte er, „den haben wir auch hier wieder. Und wenn ich mir dazu vorstelle, viele Jahre in so’ner Zelle?“ Er schüttelte den Kopf und wandte sich den beiden andern zu: „Ihr seid doch auch noch nicht lange hier oder?“

      „Nee, auch erst seit gestern“, sagte der Jüngere und nannte seinen Namen: „Hannes, Hannes Kretschmann. Und das hier ist Herbert.“ Dazu schlug er dem Älteren auf die Schulter und reichte den beiden Neuen die Hand.

      „Hannes? Hannes …?“, sinnierte Sebastian laut. Dann blickte er Hannes Kretschmann an.

      „Wir haben doch miteinander geklopft …?“

      Hannes grinste, nahm die hölzerne Zahnbürste aus seinem Aluminiumbecher in einem Regalfach und klopfte damit seinen Namen gegen die Zellenwand.

      Sebastians Gesicht hellte sich auf. „Die Zelle über mir“, sagte er. „Na klar“, fuhr er fort, „du warst doch bei dieser Kampfgruppe in West-Berlin?“

      „KgU“, sagte Hannes Kretschmann und nickte.

      „Und jetzt bist du hier zum zweiten Mal im Knast, hattest du mir jedenfalls durchgeklopft oder?“

      „Zum dritten Mal“, berichtigte Hannes, „aber diesmal politisch, Artikel 6.“

      „Ja und die andern Male …?“

      „Diebstahl von Volkseigentum. Hab aus ’nem Betrieb Werkzeug mitgehen lassen.“

      „Du bist ja einen Tag vor uns verurteilt worden. Was haben sie dir denn dafür eingeschenkt?“

      „Sechs Jahre.“

      „Artikel 6?“

      „Ja, natürlich“, beeilte Hannes sich zu bestätigen. Ich war ja auch schon mal wegen Körperverletzung verurteilt. Drei Jahre. Hab den Sohn vom Parteisekretär vertrimmt. Und im Knast hab’ ich dann Politische getroffen, so’ne wie euch, Artikel 6er.“

      „Musste denn der Sohn vom Parteisekretär nachdem du ihn vertrimmt hattest ins Krankenhaus?“

      „Ach wo, bloß Nasenbluten.“

      „Für das bisschen Körperverletzung gleich drei Jahre?“, fragte Sebastian.

      „Na ja, der Sohn vom Parteisekretär“, erklärte Hannes.

      „Dann war’s doch auch schon was Politisches.“

      Hannes winkte ab. „Körperverletzung ist doch nicht Artikel 6. Und von der Kampfgruppe, also ‚Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit‘, hab’ ich ja erst im Knast von Politischen gehört. Gedacht hatte ich ja immer schon wie die.“

      „Und jetzt bist du’s selber“, sagte Sebastian, „bist’n Artikel 6er.“

      „Richtig“, bestätigte Hannes kopfnickend.

      „Aber das kostet dich sechs Jahre, die höchste Strafe, die du dir bisher eingefangen hast. Wie haben die dich denn erwischt?“

      „Ich hatte den Jungs im Knast versprochen von draußen ein Eisensägeblatt in einer Wurst versteckt mit ’nem Monatspäckchen zu schicken.“

      „Und das hast du gemacht?“

      „Hatte ich versprochen …“

      „Aber das wissen doch alle, sogar jeder Neue hier hat schon davon gehört“, sagte Sebastian, „wie die mit dem Inhalt solcher Päckchen umgehen: „Alles, Wurst, Käse, Apfelsinen … wird bei der Ausgabe kurz und klein geschnitten.

      Vor allem Westsachen aus den Päckchen.“

      „Das weiß ja wirklich jeder“, ließ auch Totila sich hören. „Aber was hat das nun mit der KgU zu tun? Abgesehen mal davon, dass das mit dem Sägeblatt schon total bescheuert ist, wie aber konnte dir die KgU so was auch noch besorgen?

      Das wäre schon mehr als nur grobe Fahrlässigkeit.“

      „Was hast du denen bei der KgU denn erzählt?“, fragte Sebastian.

      „Ich hab’ von ihren Leuten im Knast erzählt …“

      „Haben die das alles geglaubt?“

      „Na klar, die hatten mir auch das Sägeblatt besorgt.“

      „So klar ist das nicht“, mischte Totila sich wieder ein, „du konntest genau so gut von der Stasi gewesen sein.“

      Die beiden Freunde spürten schon, dass da was nicht stimmte. Das mit dem Eisensägeblatt und der Wurst war nicht nur bescheuert, sondern geisteskrank, ging es Sebastian durch den Kopf. Aber einen geisteskranken Eindruck machte dieser Hannes durchaus nicht. Auch Totila schossen widersprüchliche Überlegungen durch’s Hirn: Wenn dieser Hannes bei der KgU gewesen war, dann doch nicht wegen eines Eisensägeblatts, das im Päckchen in den Knast geschmuggelt werden sollte.

      Mit Spitzeln hatten ja er wie auch Sebastian bei der Stasi schon erste Erfahrungen machen können. Spitzel? Das traf auf diesen Hannes offensichtlich nicht zu.

      Auch Sebastian schloss das gefühlsmäßig aus.

      „Haben die dir in West -Berlin nicht gesagt“, fragte Sebastian, „dass das mit dem Sägeblatt gefährlicher Unsinn ist?“

      „Nee, haben die nicht!“, verneinte Hannes Kretschmann mit leichtem Trotz in der Stimme.

      „Na ja“, Totila winkte ab. „Du hättest es selber wissen müssen, schließlich hast du den Knast ja von innen her schon gekannt.

      Inzwischen kam in Sebastian ein Verdacht auf, nur ein Verdacht, den er am liebsten hatte verwerfen wollen, weil er ihm zu absurd erschien. Wenn dieser Hannes, dem sein Artikel 6er-Urteil offenbar heilig zu sein schien, es darauf СКАЧАТЬ