Auf der anderen Seite der Schwelle. Raimund August
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Название: Auf der anderen Seite der Schwelle

Автор: Raimund August

Издательство: Автор

Жанр: Короткие любовные романы

Серия:

isbn: 9783957448019

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СКАЧАТЬ Ärmeln, am Rücken und an den Hosenbeinen. Dazu Hemden ohne Kragen, lange Unterhosen, klobige Holzschuhe, total zerstopfte Strümpfe, eine runde Stoffmütze, auch mit eingenähtem gelben Streifen. Je eine graue speckige Decke wie sie die von der Spreestraße her schon kannten. Essschüsseln aus Aluminium, ebensolche Becher sowie Löffel. Hölzerne Zahnbürsten, Zahnseife, Seife, dazu Seifenschachteln aus Zelluloid und nicht zuletzt auch je ein Paar Schlappen für den Aufenthalt in der Zelle …

      „Na zumindest gibt’s hier Seife und Zahnbürste“, murmelte Totila.

      „Und Handtücher“, ergänzte Sebastian.

      ´Die beiden Freunde mussten noch warten und sahen so der Verteilung dieser anstaltseigenen Habseligkeiten zu. Ein richtiger kleiner Berg den ein Gefangener da zusammenraffen und dann eine hölzerne Treppe hoch ins Obergeschoß schleppen musste. Von dort kamen Neuzugänge, im Gegenzug bereits in Zuchthausuniformen, dazu diese schweren Holzschuhe an den Füßen, runde Stoffmützen auf dem Kopf, die Treppe heruntergepoltert, mit dem Deckenbündel in den Armen in das Schüssel, Trinkbecher und die anderen Utensilien gewickelt waren.

      Schließlich kamen auch sie an die Reihe. Die hinter’m Tresen taxierten die beiden kurz und warfen ihnen dann aus den Regalen Jacken, Hosen, Hemden Unterhosen und Decken zu.

      „Schuhgröße?“

      „Dreiundvierzig“, sagte Sebastian.

      „Einundvierzig“, antwortete Totila.

      Dann bumsten auch schon zwei Paar ziemlich abgelaufene Holzschuhe auf den Tresen.

      „Abgelatscht ist doch gut“, sagte Sebastian, dem es besonders vor diesen unförmigen Botten grauste, „dann sind die nicht mehr so schwer wie ganz neue.“ Zum Schluss klatschten noch zwei Paar ziemlich abgelederte Schlappen auf den Tresen.

      Dann gingen auch die beiden mit ihren Bündeln hintereinander über die Holzstufen nach oben.

      Und wieder polterten ihnen von dort neu ausstaffierte Leidensgenossen entgegen. Neben Totila rutschte einer mit den Holzsohlen von den Stufen, konnte sich aber wieder fangen. Nur eine Aluminiumschüssel fiel aus der Decke und kollerte scheppernd von Stufe zu Stufe nach unten.

      „Passen Se doch auf, Sie Stiesel!“, wurde er prompt vom Wachtmeister angeraunzt, der diesen Dreimanntrupp nach unten geleitete. Sebastian musterte die wie zu einem Mummenschanz verkleideten Gestalten im Vorübergehen.

      „Hast doch Oogen im Kopp“, bullerte dann auch der Wachtmeister, der die beiden Freunde nach oben führte.

      „Die seh’n alle wie Vogelscheuchen aus“, raunte Totila Sebastian zu.

      „Wo haben die das zerschlissene Zeugs bloß her?“, murmelte der.

      Oben angekommen empfing sie ein ebenso großer Raum wie unten im Parterre, mit einem ähnlichen Tresen wie dort. Regale an den Wänden voller Kartons und Schachteln.

      „Los, los umzieh’n“, wurden sie auch hier wieder von Gefangenen angetrieben.

      „Legt Eure Sachen hier hin“, sagte einer und schlug mit der flachen Hand auf eine Stelle des Tresens.

      „Wir haben doch nichts mehr“, warf Sebastian ein, „das hat man uns in der Spreestraße schon abgenommen.“

      „Na Eure Klamotten zumindest.“

      Und beide begannen sich auszuziehen.

      Der Kammerbulle zog sich indes zwei Schachteln über den Tresen.

      „Also hier“, fragte er, als die beiden halb ausgezogen vor den geöffneten Schachteln standen, „ist noch alles vorhanden?“ Dazu schob er Totila und Sebastian je eine dieser Pappschachteln zu.

      Beide bestätigten die Vollständigkeit der dort gelagerten Sachen, einschließlich Armbanduhren und Geldbörsen, deren Inhalt auf entsprechend eingerichtete Konten überwiesen worden sei, wie man ihnen mitgeteilt hatte. Auf einer Liste unterschrieben sie die festgestellte Vollständigkeit.

      Kurz danach standen sie schließlich splitternackt im Raum und kletterten nach kurzer Überwindung in die verschlissenen Anstaltsklamotten.

      Spiegel gab es natürlich nirgends, so aber konnte Sebastian sich, wenn er Totila betrachtete, gut vorstellen welch kläglichen Anblick er selbst abgab und umgekehrt: Die Hosen zu lang, die Jackenärmel zu kurz. „Ich seh’ ja um die Beine unten herum wie ’ne Friedenstaube aus“, erklärte er, indem er an sich hinabsah.

      „Friedenstaube?“, fragte Totila verächtlich und krempelte sich dabei gebückt die auch ihm zu langen Hosenbeine um. „Bist doch gerade als Kriegsverbrecher verurteilt worden.“

      „Quasseln Se nich und machen Se hin!“, trieb der Wachtmeister zur Eile.

      Als sie dann in ihrer neuen Verkleidung gerade wieder hinaus auf den Hof getreten waren, bemerkte Sebastian, dass er seinen Taschenkamm in den abgegebenen Zivilklamotten vergessen hatte. Er bat daraufhin den Wachtmeister wegen des vergessenen Kamms doch schnell noch mal die paar Meter zurückgehen zu dürfen.

      „Wie hoch is ’n Ihre Strafe“, fragte der.

      „Zehn Jahre.“

      Der Wachtmeister winkte ab. „Komm Se schon, da brauchen Se doch keen Kamm nich mehr.“

      Also tatsächlich Glatze, ging es Sebastian durch den Kopf.

      Die beiden Freunde stolperten dann in diesen Holzschuhen, mit den Deckenbündeln in den Armen, über den kopfsteingepflasterten Hof vor dem Wachtmeister her.

      „Ein bissel schneller“, monierte der, „ich hab’ hier nich den halben Tag lang Zeit.“

      „Wir üben doch das Laufen erst noch“, wandte Totila ein und wies dazu auf die Schuhe an seinen Füßen.

      „Hab ich auch noch nich gehört“, murrte der Wachmeister vor sich hin und laut sagte er: „Das könn’ Se später noch dauernd machen. Zeit dazu haben Se ja reichlich mitgebracht.“ Schließlich dirigierte er die beiden auf den Backsteinbau mit den vielen kleinen Fenstern zu.

      „Der Zellenbau“, sagte Sebastian gedämpft.

      „Da haben wir den Salat!“, murmelte Totila.

      Ein älterer Wachtmeister trat, als sie davor standen, von innen an die Gittertür und schloss auf. „Komm’ Se schon“, sagte der und: „Bleiben Se da steh’n.“ Er wies dazu auf eine Stelle an der Wand. Beide Wachtmeister verschwanden dann hinter einer anderen Tür.

      Nach einiger Zeit, die die beiden Neuen in Erwartung allen Übels schweigend mit sich selbst beschäftigt verbracht hatten, trat ein dritter Posten aus dieser Tür und schloss das Gitter zum Treppenhaus auf. „Kommen Se!“ Es ging über hohe glatte Granitstufen aufwärts … „Verdammter Mist! Das geht hier wirklich bloß mit Übung“, brummte Sebastian, als er mit einem seiner Holzschuhe leicht seitwärts weggerutscht war.

      An jedem Stockwerk und Treppenabsatz mit hohen vergitterten Fenstern gab es wieder Gittertüren. Gitter, überall Gitter … Und immer das dröhnende Krachen der Schlösser, das durch den ganzen Bau hallte, wenn die Wachtposten Zellen- und Gittertüren auf und wieder zuschlossen. Eine verschlossene Welt, machte Sebastian sich klar, die nur Schließer СКАЧАТЬ