Hekate. Thomas Lautwein
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Hekate - Thomas Lautwein страница 3

Название: Hekate

Автор: Thomas Lautwein

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

Серия:

isbn: 9783944180007

isbn:

СКАЧАТЬ

      Für die Aktualität des Themas „Göttin“ gibt es ontologische und historische Gründe. Ontologie, als Analyse der menschlichen Existenz verstanden, wird uns zu der Einsicht führen, dass der Mensch nicht nur in abstrakten Begriffen denkt, sondern auch innere Bilder erlebt, die symbolische Bedeutung haben (sei es individuell oder kollektiv). Diese inneren Bilder werden von Polaritäten strukturiert, d. h. von Gegensätzen, die sich logisch gesehen zwar gegenseitig ausschließen, sich im LEBEN aber gegenseitig bedingen und ständig ineinander übergehen, wie Tag und Nacht, Licht und Schatten, Sonne und Mond. Eine der grundsätzlichen Polaritäten ist die von männlich und weiblich, die sich auf alle Lebensbereiche erstreckt. Mit Ludwig Klages können wir sie wie folgt skizzieren:

      Empfängnisvermögen, unten, Ruhe, Dunkelheit, Erde, Raum, Nacht, Sterben, Zügelung, Innerung, ‚Herz’, links auf der einen Seite;

      Ursprünglich sind „männlich“ und „weiblich“ (chinesische gesproch: Yin und Yang) keine feindlichen Gegensätze, sondern sich ergänzende Pole:

      In der Geistesgeschichte des Westens wurde das „weibliche“ Prinzip in den letzten 2500 Jahren zweifellos immer weiter zurückgedrängt, ja geradezu als Ursprung des „Bösen“ und Irrationalen verteufelt – mit fatalen Konsequenzen, die von der gesellschaftlichen Unterdrückung der Frauen bis zur Naturzerstörung reichen. Im Bereich der Religion drückt sich die einseitige Dominanz des männlichen Prinzips in der Errichtung monotheistischer Strukturen mit ihren Priesterhierarchien aus.

      Zweiter Grund: Seit Bachofen mehren sich die Zweifel an der naturgegebenen Vorherrschaft des Mannes. Die Erforschung unserer Ur- und Frühgeschichte lässt es zunehmend glaubhaft erscheinen, dass am Anfang der Menschheitsgeschichte eine Epoche stand, in der religiöse Funktionen überwiegend von Frauen ausgeübt wurden und die Verehrung nicht einem allmächtigen Vatergott galt, sondern einer großen Göttin, die mit der Natur in all ihren Aspekten gleichgesetzt wurde. Sie war war nicht nur die Große Mutter, in deren Händen Liebe und Geburt ruhen, sondern auch die Herrin der Dunkelheit und des Todes; sie war unten und oben, Himmel und Erde. Diese ursprüngliche Einheit wurde dann in der Jungsteinzeit und Bronzezeit aufgespalten in eine Polarität von weiblicher Erde und männlichem Himmel, bis die neuen Himmelsgötter schließlich ganz die Macht an sich rissen und die Göttinnen als Gemahlin oder Tochter von sich abhängig machten. Die Geschichte des Abendlandes lässt sich so als gigantischer Verdrängungsprozess beschreiben, an dessen Ende die Dämonisierung der Göttin als Hexe oder ihre Reduktion auf eine bloß dienende Funktion erfüllt (wie wir dies etwa sehr gut am Beispiel des katholischen Marienkultus sehen können). Die abgespaltenen und verdrängten Aspekte lösen sich aber nicht einfach in nichts auf, sondern bleiben im kollektiven Bewusstsein latent vorhanden und drängen immer wieder nach oben, wobei sie, da sie nicht erkannt und akzeptiert werden können, Angst auslösen.

      Einer dieser Aspekte, die ursprünglich ein Gesicht der Göttin waren, ist die Gestalt der Todes- und Hexengöttin. Bevor wir uns aber näher mit den vier Gesichtern der Göttin beschäftigen, wollen wir uns zunächst einmal der grundsätzlichen Frage zuwenden, was denn Götter eigentlich sein sollen – und wozu man sich im 21. Jahrhundert noch mit ihnen beschäftigen soll.

      Die Realität der Götter

      The true nature of the gods is that of magical images shaped out of the astral plane by mankind‘s thought, and influenced by the mind.

      Dion Fortune, The Mystical Qabalah

      Menschen aller Kontinente und Rassen haben seit Jahrtausenden an die Existenz von Göttinnen und Göttern geglaubt und sie verehrt; völkerkundlich gesehen, ist der Götterglaube geradezu als eine anthropologische Konstante zu bezeichnen. Jedes Volk besitzt ursprünglich sein eigenes Pantheon und praktiziert einen naturverbundenen Polytheismus.

      Mit dem Aufkommen des Monotheismus wird die Gottesvorstellung abstrakt und transzendent, Gott ist nicht mehr in der Welt, sondern über der Welt; er verkörpert sich nicht mehr in Bäumen und Berggipfeln, sondern im WORT, d. h. in einer heiligen Schrift, die nun alle Weisheit und Antwort auf alle Fragen enthalten soll. Da es nur noch einen wahren Gott geben kann, werden die alten Götter des Polytheismus entwertet, zu Dämonen degradiert oder als Betrug denunziert.

      Als sich der neuzeitliche Rationalismus in der Zeit der Aufklärung schließlich vom Monotheismus emanzipiert, der ihm lange als Vehikel diente, kommt es zum Streit zwischen Offenbarung und Vernunft. Historische und Erkenntniskritik erschüttern den Glauben an die Existenz Gottes, so dass die Religion als gesellschaftliche Legitimationsinstanz nun von der empirischen Wissenschaft und dem „Diskurs“ der Spezialisten abgelöst wird (auch die Ideologien des 20. Jahrhunderts mussten sich als „wissenschaftlich“ präsentieren, um Akzeptanz zu finden, sei es die biologische Rassenlehre des Nationalsozialismus oder der soziologische „wissenschaftliche Sozialismus“). Die Wissenschaft kann sich seither (also spätestens seit dem 18. Jahrhundert) daran machen, das Phänomen „Religion“ bzw. Religiosität endgültig aufzulösen (d. h. durch Reduktion zu beseitigen). Mit welchen Methoden dies versucht wird, sieht man sehr schön in der Einleitung zur „Griechischen Mythologie“ von Herbert J. Rose (1928), wo sieben Theorien genannt werden, die den Glauben an Götter philosophisch erklären sollen:

      1. Die allegorische Theorie – Ein Gott ist lediglich eine Veranschaulichung eines bestimmten Phänomens oder Begriffs, so ist etwa Venus = Liebe;

      2. Die symbolische Theorie – Götter sind Symbole, in denen die Philosophen alter Zeit ihre geheime Weisheit verborgen haben, die für das gemeine Volk zu anspruchsvoll war (Friedrich Creuzer);

      3. Der Rationalismus – primitives Missverstehen von natürlichen Vorgängen führt über eine falsche Schlussfolgerung zu der Illusion, ein höheres Wesen habe z. B. den Blitz geschleudert, der einen Baum in Brand setzt (Palaiphatos)

      4. Euhemerismus – die Götter waren ursprünglich herausragende Menschen (Könige, Gesetzeber), die nach ihrem Tode immer mehr von Sagen umwoben und schließlich ins Übermenschliche erhoben wurden;

      5. Die Naturmythen-Theorie – Götter entstehen durch ein poetisches Naturerleben, Zeus = Himmel, Hermes = Wind (Stoa, Max Müller)

      6. Ethnologie und Soziologie – Mythen sind Ausdruck eines Volksgeistes, in ihnen drücken sich die sozialen Verhältnisse eines Volke, sein Gemütsleben und seine Weltanschauung aus (Lobeck, K. O. Müller);