Der Ruhrbaron aus Oberhausen Paul Reusch. Peter Langer
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Название: Der Ruhrbaron aus Oberhausen Paul Reusch

Автор: Peter Langer

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783874683913

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СКАЧАТЬ der russischen Februarrevolution wurden Reuschs Äußerungen über die Möglichkeiten eines Friedens im Osten sehr widersprüchlich. Einerseits warnte er vor zu großem Optimismus: „Voraussetzung für einen baldigen Friedensschluss mit diesem Lande [Russland] ist nach meiner Ansicht, dass die gegenwärtigen Machthaber nicht am Ruder bleiben und die Regierung entweder in die Hände der reaktionären oder radikalen Kreise kommt.“52 Wenn diese Äußerung so intendiert war, wie sie vom Leser nur verstanden werden konnte, so wäre dies in der Tat ein unverhohlen zynischer Standpunkt! Zwei Wochen später bekräftigte er seine frühere Meinung, dass mit Russland ein Verständigungsfrieden anzustreben sei, was zwangsläufig die Rückgabe der besetzten Gebiete voraussetze. Dies habe er „schon seit Jahr und Tag“ so vertreten. „Unsere Hauptfeinde sitzen im Westen; diese werden es auch für die nächsten Jahrhunderte bleiben.“53 Die beiden zitierten Briefe allerdings waren an einen Hauptmann der Reserve bzw. an einen Oberleutnant, nicht gerade sehr hochrangige Offiziere, gerichtet. Schreiben dieses Inhalts an die politischen Entscheidungsträger sucht man in seinem Nachlass vergebens. Während er bezüglich des Friedensschlusses im Westen gegenüber der Regierung und in den Verbänden sehr nachdrücklich seine Ansichten zur Geltung brachte, hielt er sich völlig zurück, als später die Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk anstanden. Auch ist zu fragen, ob die wenig später geschlossenen Verträge mit Georgien, die der deutschen Schwerindustrie (unter Beteiligung der GHH) auf Jahrzehnte hinaus den exklusiven Zugriff auf das Manganerz des Kaukasus sichern sollten, in den Rahmen eines Verständigungsfriedens mit Russland gepasst hätten.54 Von einer wenigstens teilweise verständigungsbereiten („nüchternen“) Einstellung, damit man in der Zukunft nicht die ganze Welt zu Feinden hätte, sondern sich wenigstens mit Russland „vertragen“ könne, bleibt also nichts übrig.

      Die Annexionsforderungen der deutschen Rechten, nachdrücklich unterstützt von den Herren der Schwerindustrie, waren das Haupthindernis für alle Versuche, einen Waffenstillstand und einen Verständigungsfrieden zu vermitteln. Das focht aber die Industriellen in keiner Weise an: Noch im Dezember 1917 verfasste der Verein Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller gemeinsam mit dem Verein der Eisenhüttenleute eine Denkschrift „Zur Einverleibung der französisch-lothringischen Eisenerzbecken in das deutsche Reichsgebiet“. Schon das Inhaltsverzeichnis machte deutlich, dass die beiden Verbände nicht bereit waren, auch nur einen Jota von ihren ursprünglichen Forderungen abzuweichen: „1. Die Abhängigkeit unserer Eisenerzversorgung vom Ausland birgt für Industrie, Staat und Volk die größten Gefahren in sich. 2. Die Vorsorge für die Zukunft macht die Verlegung der lothringischen Grenze unumgänglich notwendig. 3. Der Wert der einzuverleibenden Erzgebiete für unsere Volkswirtschaft und für eine künftige Kriegführung ist unermesslich groß.“55 Im „Schlusswort“ wird – mit vielleicht etwas übertriebenen, gleichwohl entlarvenden Formulierungen – der Wert der Kriegsbeute von 1871 noch einmal hervorgehoben: „Ohne das Eisenland Lothringen hätten wir diesen die größten Eisen- und Stahlmengen verschlingenden Krieg nie und nimmer siegreich führen können. Ohne Lothringen hätten wir aber auch trotz 44 Jahre langer emsiger Friedensarbeit weder im heimischen Wirtschaftsleben, noch auf dem Weltmarkt die gewaltigen Erfolge erzielen können.“ Deshalb trügen „unsere Staatsmänner“ die Verantwortung dafür, dass der kommende Friede alle die für unser Leben, für unsere Volkswirtschaft und Wehrmacht notwendigen fremden Gebiete dem deutschen Reichskörper einfügt“, zumal Lothringen ja „vor Jahrhunderten gewaltsam aus dem alten Deutschen Reich herausgerissen“ worden sei. Auch die Sicherung der Arbeitsplätze in der Industrie erfordere die Annexion dieser Erzgebiete.56 Obwohl die Denkschrift als „streng vertraulich“ gekennzeichnet war, ließ Reusch gedruckte Exemplare in relativ hoher Auflage an die leitenden Herren der GHH und im Rathaus Oberhausen verteilen.57

      Sein Unternehmerkollege Wieland aus Ulm, mit dem Reusch sich über Jahre hinweg vertraulich austauschte, stimmte der Denkschrift des VdESI ebenfalls ausdrücklich zu, um dann umso intensiver über die Friedensverhandlungen mit Russland zu lamentieren. Selbst bei Hindenburg und Ludendorff witterte er jetzt die Neigung zu einem „Verzichtfrieden“.58 Reusch war zum Jahreswechsel in ähnlich düsterer Stimmung: „Die Nachrichten aus Brest-Litowsk lauten wenig erfreulich. Wenn man auch bei dem erneuten Friedensangebot an die Westmächte mit einer Ablehnung gerechnet hat, – sie ist inzwischen ja auch tatsächlich erfolgt – so hat man sich doch für die Zukunft in einer Weise festgelegt, die uns auch bei einem siegreichen Ausgang des Kampfes im Westen schweren Schaden zufügen wird. – Von der gegenwärtigen Regierung ist ein deutscher Frieden nicht zu erwarten. Ich fürchte, dass die schlappe Haltung … auf die Kampfesfreudigkeit unserer Truppen einen sehr ungünstigen Einfluss ausüben wird.“59 Also auch die Nachfolgeregierung nach dem Sturz Bethmann-Hollwegs war Reusch noch zu „schlapp“!

      Um die Jahreswende müssen ihm andererseits Zweifel an einem von Deutschland zu diktierenden Siegfrieden gekommen sein. Er berichtete seinem württembergischen Kollegen Wieland von der Industrie-Gesellschaft m.b.H., die 1916 von Krupp, Gelsenberg, Phönix, Deutsch-Luxemburgischer Bergwerks- und Hütten-AG und der GHH zu dem alleinigen Zweck gegründet worden war, „die in Belgien zur Liquidation kommenden Industrien aufzukaufen“. Anfang 1918 schienen derartige Käufe aber nur noch wenig lukrativ, weil befürchtet wurde, dass bei einem Friedensschluss alle Firmenkäufe in Belgien wieder rückgängig gemacht werden würden. Deshalb riet Reusch in diesem Stadium des Krieges von Erwerbungen in Belgien dringend ab.60

      Als er wenige Wochen später ein Programm für die „Rohstoff-Beschaffung nach dem Kriege“ entwarf, schienen alle Bedenken vom Januar wieder zerstreut. Im Interesse der Industrie und der zukünftigen Schlagfertigkeit des deutschen Heeres müsse die Rohstoffversorgung bei den „bevorstehenden Friedensverhandlungen mit den Westmächten … eine besondere Rolle spielen“. Bei „energischer Haltung unserer Unterhändler“ dürften sich seiner Meinung nach der Durchsetzung von sechs Programmpunkten „keine unüberwindlichen Schwierigkeiten in den Weg stellen“: „1. Unsere Gegner werden im Friedensvertrage verpflichtet, an uns gewisse Mengen von Rohstoffen, wie Kupfer, Nickel, Baumwolle, Wolle, Gummi usw. usw., bis zu einem bestimmten Zeitpunkte franco deutschem Seehafen zu liefern. 2. Die zu liefernden Mengen werden auf ein Mehrfaches unserer Einfuhr im letzten Friedensjahre festzusetzen sein. 3. Die Bezahlung dieser Rohstoffe erfolgt nach Eingang zu den Marktpreisen vom 1. Juli 1914. 4. Belgien und Nordfrankreich wird erst geräumt, wenn diese Rohstoffmengen zur Ablieferung gebracht sind.“ Im fünften und sechsten Punkt war der Verkauf zu den aktuellen, weit über dem Niveau von 1914 liegenden, Marktpreisen vorgesehen. Die riesige Preisdifferenz ließ – so Reusch – einen gewaltigen Gewinn zugunsten der Reichskasse erwarten. Reusch sah in dieser Vorgehensweise eine „mittelbare Kriegsentschädigung, die nach Lage der Verhältnisse zu fordern, wir uns aber nicht scheuen sollten, umsomehr, als eine unmittelbare Kriegsentschädigung im Friedensvertrage kaum zu erreichen sein wird.“ Das Schreiben ging an den Staatssekretär des Reichswirtschaftsamtes Freiherr vom Stein, Abschriften erhielten General Ludendorff für die Oberste Heeresleitung und Reichsschatzsekretär Graf von Roedern.61

      In der Geschäftsstelle des Vereins Deutscher Eisen- und Stahlindustrieller wurde in diesem Frühjahr noch über viel weiter gehende Forderungen an Frankreich phantasiert. Die GHH erhielt Ende Juni 1918 die Abschrift eines Schreibens des einflussreichen Geschäftsführers des VdESI, Dr. Reichert, in dem allerdings die Adressaten nicht genannt werden. Es dürfte sich vor allem an die OHL gerichtet haben, da ihm eine Anfrage „von militärischer Seite … bezüglich des Friedensschlusses mit Frankreich“ beilag. Neben dem Inhalt selbst ist auch von Interesse, welche Teile des bemerkenswerten Papiers in der GHH, vermutlich von Reusch persönlich, angestrichen wurden. Ausdrücklich auf die Denkschrift über die „Einverleibung“ des Erzbeckens in Lothringen vom Dezember 1917 bezugnehmend, wird die Verlegung der Grenze möglichst weit nach Westen verlangt. In der Abschrift, die der GHH vorlag, war folgender Satz unterstrichen: „Als Mindestforderung käme wohl die Maaslinie mit Verdun in Betracht.“ Reichert fährt fort: „Außerdem wäre von französischen Kolonien mindestens Marocco für uns zu verlangen.“ Der Zugriff auf das Eisenerz reichte dem Verfasser nicht, es ging ihm auch um Mangan und andere wertvolle Nichteisenmetalle: „Es genügt keineswegs, dass wir Briey СКАЧАТЬ