Rüstungsproduktion in der Mitte Deutschlands 1929 – 1945. Frank Baranowski
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СКАЧАТЬ Hitlers. Am 1. September 1934 wurde er zum Leiter der neu errichteten Dienststelle „Wehrwirtschafts- und Waffenwesen“ im Wehrmachtsamt des Reichswehrministeriums ernannt. In den ersten Jahren der Naziherrschaft war Thomas der Vertreter der Wehrmacht in allen Fragen der Wirtschaft und Rüstung. Sein Einfluss und seine Macht schwanden allerdings in dem Maße, wie die Verantwortung für die Rüstung auf das neu geschaffene Reichsministerium für Bewaffnung und Munition unter Fritz Todt überging. Nach dessen Tod bei einem Flugzeugabsturz am 8. Februar 1942 war unter dem Amtsnachfolger Albert Speer schon bald klar, dass Thomas den Kampf um die Steuerung der Kriegswirtschaft verloren hatte. Mitte November 1942 trat er als Chef des Rüstungsamtes zurück.8

      Am 11. Oktober 1944 verhaftete die Gestapo ihn. Seine Beteiligung an der Opposition, insbesondere um die Jahreswende 1939/​40, war im Laufe der Untersuchungen nach dem Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 aufgedeckt worden. Die Gestapo brachte Thomas zunächst in ihr Hauptquartier in der Prinz-Albrecht-Str., bevor er am 2. Februar 1945 ins Konzentrationslager Flossenbürg eingewiesen und am 9. April 1945 weiter in das KZ Dachau gebracht wurde. Danach geriet Thomas in amerikanische Gefangenschaft, in der er am 29. Dezember 1946 verstarb.9 Birkenfeld gelang es, die Ausarbeitung von Thomas in wesentlichen Teilen mit den teils verschollenen Anhängen zu rekonstruieren und so die frühen Kriegsvorbereitungen der Reichswehr zu dokumentieren. Thomas hält als Ergebnis seiner Arbeit fest, „dass bis 1928 auf dem wehrwirtschaftlichen Gebiet in der Hauptsache nur theoretische Vorarbeiten geleistet werden konnten, die darauf hinausgingen, die deutsche Wirtschaft neu zu erfassen und sich ein Bild von ihrer Leistungsfähigkeit zu verschaffen“.10

      Anja Bagel-Bohlan legt in ihrer 1975 publizierten Arbeit „Hitlers industrielle Kriegsvorbereitung 1936 bis 1939“ dar, dass die sich aus der Bewaffnung und Ausrüstung der Reichswehr ergebenden Industrieaufträge einen sehr geringen Stellenwert gehabt hätten und die „schwarz“ betriebenen Maßnahmen die Situation nicht wesentlich hätten ändern können. So habe die Reichswehr Entwicklungsarbeiten und Prototyp-Erprobungen auf dem Luftwaffen- und Marinegebiet gefördert und die Forschung auf dem Gebiet von ‚unerlaubten‘ Waffen, Geschützen und U-Booten vorangetrieben. Diese geheim betriebenen Arbeiten hätten nur zu „Schubladenergebnissen“ geführt, seien aber im Übrigen ohne nennenswerte fabrikatorische Auswirkung geblieben.11

      Ernst Willi Hansen weist nach Auswertung von Unterlagen des Heereswaffenamtes in seiner 1978 veröffentlichten Studie zu „Reichswehr und Industrie“ erstmals nach, dass die Reichswehr bereits seit 1924 eine Anzahl privater, nicht für die Rüstungsfabrikation zugelassener Fabriken aus geheimen Mitteln mit Spezialmaschinen zur Herstellung von Kriegsmaterial ausstattete und finanzielle Mittel bereitstellte, von denen vor allem die wenigen von den Alliierten zugelassenen Monopolfirmen profitierten.12 Im gleichen Jahr erschien in einem von Müller/​Opitz organisierten Sammelband eine thematisch gezielte Abhandlung Hansens zum „Militärisch-Industriellen-Komplex“ in der Weimarer Republik, in der er seine Ergebnisse nochmals in komprimierter Form darstellte.13 Im selben Werk erschien ein Beitrag von Michael Geyer zu der Thematik, im dem er darlegte, dass drei Elemente die vom Militär betriebene Restauration bestimmt hätten. So sei diese Entwicklung unter anderem geprägt gewesen durch die innenmilitärische Systematisierung und Zentralisierung, sowie die langfristige Planung der Rüstungspolitik mit dem Ziel des Aufbaus einer ‚Zukunftsarmee‘.14 Auf seinen bisherigen Erkenntnissen aufbauend publizierte Geyer 1980 eine Gesamtstudie über „die Reichswehr in der Krise der Machtpolitik in den Jahren 1924 bis 1934“, ließ dabei aber die Problematik der Zusammenarbeit zwischen Militär und Industrie nahezu unberücksichtigt.15

      Über die bisherigen Ansätze und Publikationen hinausgehend legte Manfred Zeidler 1993 in einer systematischen Darstellung die Beziehungen zwischen Reichswehr und Roter Armee von 1920 – 1933 offen. Er stellt den Aufbau des Junkers-Werkes im russischen Fili, den Beginn der Zusammenarbeit beider Luftwaffen seit 1924/​25, den Aufbau des Waffenerprobungszentrums in Lipeck, der Panzerschule in Kazan und des Testgeländes für chemische Kampfstoffe in Vol’sk ausführlich und detailreich dar.16 Barbara Hopmann hat sich in ihrer 1996 erschienenen Dokumentation über die Geschichte der Industrieverwaltungsgesellschaft (IVG) intensiv mit der Entwicklung und der Ausgestaltung der ‚fabrikatorischen Vorbereitung‘ von Rüstungsbetrieben in staatlicher Hand befasst, so etwa der sprengstoffverarbeitenden Industrie, durch die „Montan“.17 Für die Flugzeugindustrie und die Luftrüstung hat die 1998 von Lutz Budraß verfasste Studie Vorreitercharakter. In einem separaten Kapitel arbeitete er die gemeinsamen Rüstungsbestrebungen der Reichswehr und der Flugzeugindustrie in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre akribisch auf und belegt seine Erkenntnisse erstmals in der Literatur an Hand ausgewählter Unternehmen wie Rohrbach, Heinkel und Junkers.18 Insbesondere die Arbeiten von Hansen, Zeidler und Budraß zeigen, dass die im Geheimen betriebenen Aufrüstungsmaßnahmen viel umfangreicher waren als weithin angenommen und über rein theoretische Planspiele hinausgingen. Welchen Stellenwert sie tatsächlich hatten, ist bis heute empirisch nicht aufgearbeitet. Eine systematische Dokumentation über die Verflechtungen der Reichswehr und Industrie, den tatsächlichen qualitativen/​quantitativen Umfang sowie das Ausmaß der geheimen Aufrüstung steht, mit Ausnahme des Bereiches der Luftwaffe, bis heute aus.

      Bedeutend besser erschlossen ist das Phänomen des Ausländer- und Zwangsarbeitereinsatzes in der deutschen Rüstungsindustrie. Das Thema rückte in Absetzung vom politischen Mainstream und der bis dahin vorherrschenden Rechtfertigungsmentalität erstmals Mitte der 1980er Jahre in das Bewusstsein einer größeren Öffentlichkeit, angestoßen durch regionale Geschichtswerkstätten und Schülerarbeiten, die anfangs zumeist auf Interviews von Zeitzeugen – Oral History – fußten. Während auf dem Gebiet der DDR schon seit den 1950er und verstärkt seit den 1960er Jahren zum Thema Zwangsarbeit geforscht wurde,19blieb die Fremdarbeiterproblematik bis in die 1980er Jahre in der westdeutschen Geschichtsschreibung weithin unbeachtet. Positive Ausnahme waren die Arbeiten von Martin Broszat,20 Hans Pfahlmann21 und Eberhard Jäckel.22

      Ulrich Herbert setzte mit seiner 1985 in erster Auflage veröffentlichten Publikation „Fremdarbeiter. Politik und Praxis des ‚Ausländer-Einsatzes‘ in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches“ einen Meilenstein und schuf die Grundlagen für eine neue Qualität der Geschichtsschreibung im Sinne einer zeitkritischen und quellenorientierten Auseinandersetzung. Mit seinen in den Jahren von 1991 bis 2001 herausgegebenen Studien, die nahtlos an das Erstlingswerk anknüpften, beleuchtet Herbert weitere Facetten des „Reichseinsatzes“.23 2001 präsentierte Marc Spoerer eine Gesamtdarstellung zum „Zwangsarbeitereinsatz unter dem Hakenkreuz“, die einen Überblick über das Thema in seiner ganzen Breite gibt. Zudem bietet sein Buch eine umfangreiche Literaturliste und ein ausführliches Kapitel über die Entschädigung von Zwangsarbeitern. Der Komplexität des Themas entsprechend erschienen ab Mitte der 1980er Jahre vornehmlich Einzelstudien, die sich auf bestimmte Firmen24 – oft im Zusammenhang mit der Darstellung ihrer Rüstungsbetriebe – Regionen oder bestimmte Nationalitäten,25 oder aber einzelne Gesichtspunkte des Ausländereinsatzes konzentrierten.26 Mittlerweile ist ein nahezu flächendeckendes Netz an Regional- und Detailstudien entstanden, auch für die von der vorliegenden Arbeit erfassten Region. Den Anfang machte Gerd Wysocki mit seiner 1982 veröffentlichten Dokumentation über den Zwangsarbeitereinsatz bei den Reichswerken Hermann Göring in Salzgitter.27

      Unter dem Titel „Geschichte und Gegenwart einer deutschen Stadt 1942 – 1992“ erschien genau zehn Jahre später ein von Wolfgang Benz herausgegebener Sammelband zur Entwicklung der Stadt Salzgitter. Darin liefert Beatrix Herlemann einen Beitrag, der sich mit den Lebensbedingungen ausländischer Zwangsarbeiter in den Reichswerken befasst.28 Daran schloss 1995 eine Studie von Gudrun Pischke über das nationalsozialistische Lagersystem in Salzgitter nahtlos an.29 Für die Stadt und das Land Braunschweig leistete Paul Liedtke seit 1983 Pionierarbeit.30 Als Mitautor war er auch an dem 2003 von Gudrun Fiedler und Hans-Ulrich Ludewig herausgegebenen Gemeinschaftswerk über „Zwangsarbeit und Kriegswirtschaft im Lande Braunschweig 1939 – 1945“ beteiligt, einer ersten Vor-Ort-Studie, die sich zusammenfassend mit der Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte durch Kriegswirtschaft, Verwaltung und Landwirtschaft innerhalb einer ‚geschlossenen‘ Region befasste.

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