Название: Wege zum Heiligen
Автор: Christian Probst
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783865063953
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Auf der einen Seite der Anspruch, immer besser, schneller und erfolgreicher zu sein. Auf der anderen Seite der Wunsch nach Entschleunigung, Erfahrungen der Stille. Die Suche nach sich selbst, nach dem Sinn des Lebens, nach Heil und dem barmherzigen Gott, der eben nicht nach Leistung fragt.
Im Prinzip handelt es sich bei beiden Erscheinungen um zwei Seiten einer Medaille. Es ist ja nicht verwerflich, wenn Menschen versuchen, sich auf die Zukunft vorzubereiten oder das Beste aus ihrem Leben „herauszuholen“. Problematisch wird es jedoch, wenn dabei die natürlichen Gegebenheiten des Menschseins außer Acht gelassen und übersehen werden, sprich: Unzulänglichkeiten, Schwächen oder auch das Bedürfnis nach Ruhe, Entspannung und Wiederauftanken.
Meine These lautet deshalb: Nur wer seine Körperlichkeit, seine Ganzheitlichkeit in den Blick nimmt und damit zu leben lernt, wird auch seine Begabungen besser nutzen und diese für den Dienst am Nächsten einsetzen können.
Angst und Aggression, Krankheit und Leid, Gefahr und Not – gerade die Psalmen im Alten Testament nehmen die Ganzheitlichkeit des Lebens in den Blick. Die Psalmen gelten nicht nur als das Gebetsbuch des Volkes Israel, auch Jesus hat diese Texte gebetet und häufig auswendig zitiert. Wer im Buch der Psalmen schmökert, spürt, dass hier das Menschsein in seiner ganzen Fülle zu Wort kommt, dass man sich hier wiederfinden und Hilfe für den Alltag erhalten kann. Kein Wunder, dass gerade die Psalmen 120 bis 134 für Reisende aller Art zum selbstverständlichen Reisegepäck zählten.
„Wallfahrtspsalmen“ hat man sie genannt, aber auch „Lieder der Aufstiege“, wie es eigentlich in der hebräischen Sprache heißt. Aber auch die Überschriften „Stufenlieder“, „Lieder der Erhebung“ und „Heimkehrlieder“ sind zu finden. Dahinter steht der Gedanke, dass es sich um Pilgerlieder handelt, die bei großen Wanderungen, zum Beispiel zu den Wallfahrtsfesten des Volkes Israels, gesungen und gebetet wurden. Man hatte diese 15 „Songs“ immer dabei, um fröhlich seinen Weg zu gehen. Näheres zur Bedeutung des Verbes „alah“ (hinaufsteigen, hinabsteigen, pilgern, wallfahren), das diese Psalmen kennzeichnet, kann man beispielsweise in dem Buch von Klaus Seybold nachlesen 1.
In diesem Buch machen sich 16 Autorinnen und Autoren auf einen persönlichen Weg mit den Wallfahrtspsalmen der Bibel. Sie lassen sich inspirieren von den Texten, nehmen ihre eigenen Erfahrungen mit hinein und damit ihr Leben ins Gebet. Zahlreiche Gedanken, Wünsche und Visionen, vielfältige Erlebnisse – von der lähmenden Depression bis hin zur befreienden und heilenden Gotteserfahrung – sind hier versammelt und sollen die Leser ermutigen, eigene Schritte im Umgang mit dem Glauben und in der Beziehung zu Gott zu wagen.
Danken möchte ich an dieser Stelle Pfarrer Christian Probst, der die Initialzündung zu dem Projekt „Wege zum Heiligen“ gab. Er hat die gar nicht so altertümlichen Texte in ein modernes Klanggewand gekleidet. Die CD dazu kann über das Internet bestellt werden (Infos auf www.ways-music.de ). Bei mehreren Auftritten einer Band, eines Chores und verschiedener Sprecher wird das Projekt einem größeren Publikum vorgestellt werden. Gerade die Verbindung von Text und Musik kann neue Horizonte, ja heilige Momente eröffnen und damit neue Zugänge zum Leben, mit allen seinen Rundungen, Ecken und Kanten. Danken möchte ich auch Susanne Hübscher vom Brendow Verlag in Moers, die mit ihren Vorschlägen und Tipps die Vielzahl der Texte in eine gute Form brachte. So bleibt mir zu Beginn Ihres Weges mit diesem Buch der Wunsch, dass Sie sich im buchstäblichen Sinne „viel-seitig“ inspirieren lassen:
– von dem lebendigen und vielgestalteten „Ich“ und „Wir“, das da in den Psalmen seinem Gott antwortet2,
– von den authentischen Lebensentwürfen, mit all ihren Freuden und Sorgen, die sich darin abbilden,
– von dem Lebenswissen und der Lebenskunst, die sich darin spiegeln,
– von den Hoffnungen auf Glück und der Sehnsucht nach Geborgenheit und Schutz, die in bunten Bildern auftauchen,
– und von der Kraft der Veränderung, die durchaus ansteckend wirken kann.
Interessant ist ja, dass die Vision vom Zion als Ort und Quelle des Segens, in Psalm 126, Vers 1, vorerst nur als „Traum“ erkennbar ist. Noch sieht die Realität anders aus, noch gibt es die Fülle des Heils nur als Fragment. Doch diese Träume sind eben gerade keine „Schäume“, wie uns ein bekanntes Sprichwort glauben machen möchte. Die Zionpilger lassen sich von diesen visionären Träumen in Bewegung bringen und leben von ihnen. Schließlich galt der Traum in der alten Welt als Medium der Offenbarung und insofern als „eine von den Göttern ermöglichte (Vorweg-)Schau der Zukunft“3.
Ich würde mich freuen, wenn durch dieses Buch und die dazugehörige CD „gottgegebene Träume“ ermöglicht werden –also Träume, die sich mit der Gegenwart nicht einfach zufrieden geben, sondern Hoffnung schenken, den Alltag auch zu verändern.
Eine gute Reise in diesem Sinne wünscht Ihnen
Günter Kusch
Günter Kusch, Jahrgang 1964, ist evangelischer Theologe und Redakteur. Er ist im Evangelisch-Lutherischen Dekanat Fürth als theologischer Mitarbeiter des Bildungswerkes tätig.
Einleitung
Unser Leben ist wie eine Pilgerreise.
Wir sehnen uns nach etwas Heiligem,
das uns innerlich und äußerlich
zu heilvollen, segensreichen
Wegen führt.
Christian Probst
Wanderer brauchen eine gehörige Portion Mut. Die Taschen sind gepackt und stehen bereit. Die Ausrüstung ist auf das Nötigste beschränkt. Ein paar Kleidungsstücke und etwas Proviant müssen erst einmal reichen. Hauptsache, der Trinkschlauch wurde mit genügend Trinkwasser gefüllt.
Wer die Reise zu Fuß bestreiten will, ohne technische Erleichterungen, nur mit Wanderstecken und dem allernötigsten Gepäck, spürt von Anfang an eine Spannung, die nicht alleine von den Trageriemen der Taschen auf den Schultern ausgeht. Wanderer dürfen sich nicht einschüchtern lassen von unangenehmem Wetter, mühsamen Berganstiegen oder von Räubern und Wegelagerern.
Oft steht ein Geistesblitz am Anfang einer Wanderschaft: „Die Zeit ist reif.“ Das Fernweh treibt Menschen zum Ausgang ihrer vier Wände. Die Tür fällt ins Schloss. Der Schlüssel wird im Schlüsselloch umgedreht. Und dann kann es endlich losgehen. Alter Ballast bleibt zu Hause. Nur das Nötigste darf mit. Bei einer Pilgerreise auf neuen Wegen kann man endlich abschalten und freie Gedanken fassen, die dem Leben etwas Heilvolles einhauchen.
Schon Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung machten sich Pilger auf die Reise zu heiligen Orten wie dem Tempel in Jerusalem. Tage- und wochenlang gingen sie zu Fuß, mit dem Ziel, an diesem heiligen Ort Gott anzubeten. Dort angekommen, dankten sie Gott für ein gutes Geschick, wie zum Beispiel der israelitische Stammvater Jakob. Nachdem er an der Furt des Flusses Jabbok den Kampf mit einem mysteriösen Unbekannten gewann, versöhnte er sich mit seinem verfeindeten Zwillingsbruder Esau. Aus Dankbarkeit baute er Gott in Bethel einen Altar (1. Mose 35).
Andere pilgerten zu heiligen Orten, um Gott wegen eines schweren Schicksals um Hilfe anzuflehen. Hanna zum Beispiel beklagte dort ihre Kinderlosigkeit. Sie war eine von zwei Frauen des Leviten Elkana. Jahr für Jahr zog die Familie nach Silo. Dort betete Hanna СКАЧАТЬ