Gefundenes Fressen. Stephan Hähnel
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Название: Gefundenes Fressen

Автор: Stephan Hähnel

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

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isbn: 9783955522063

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СКАЧАТЬ dem Morgen hatte er nichts gegessen. Jetzt war es 17 Uhr. Er spürte einen unangenehmen Druck im Magen. Auch wenn noch einiges vorzubereiten war, musste er vor der Besprechung unbedingt eine Kleinigkeit zu sich nehmen.

      Während er energisch von seiner Frühstücksschrippe abbiss, die Anna ihm kommentarlos gemacht hatte, suchte er ein paar Unterlagen zusammen. Erst jetzt bemerkte er, dass seine Freundin statt Butter einen vegetarischen Aufstrich verwendet hatte. Leberwurst auf Grünkernpaste war ihre kleine Rache für das verpatzte Frühstück. Dennoch ließ Morgenstern es sich nun schmecken.

      Kriminalrat Max Herting übertrug seinem besten Mann mit Vorliebe Tötungsdelikte, auf die sich die Presse gierig stürzte. Der Leiter des LKA 1 setzte den Chef der Mordkommission für den aktuellen Fall bewusst ein, um sich von Kritikern nicht unterstellen lassen zu müssen, er nehme den Tod des Jungen nicht ernst. Morgenstern hatte einen tadellosen Ruf und verfügte über umfangreiche kriminalistische Erfahrung.

      Tatsächlich standen die sieben Berliner Mordkommissionen unter massivem Druck. Ralf Kuhnert hatte den Posten des Polizeipräsidenten übertragen bekommen, schwammig über Synergieeffekte philosophiert und pressewirksam verkündet, dass man ihn an der Verbrechensstatistik messen solle.

      Seitdem predigte Herting bei jeder Dienstberatung, dass bei mangelhafter Erfolgsquote die Auflösung ihrer Abteilung drohe. Seine Bemühungen, sich gegen derartige Bestrebungen zu wehren, bestanden ausschließlich darin, die Wünsche aus dem Büro des Polizeipräsidenten kommentarlos umzusetzen. Nur so war zu erklären, warum eine Absolventin ohne Erfahrung der Mordkommission zugeteilt worden war.

      Paul Brenecke und Bruno Biondi, die Morgenstern im Fall Eichner zur Seite standen, waren erfahrene Kollegen, mit denen er gern zusammenarbeitete. Beide Kommissare pflegten einen hoffnungslosen Widerstreit, bei dem es im Kern um die Frage ging, was mehr Effizienz besaß: Bleistift oder Tastatur. Brenecke, 55 Jahre alt, ehemaliger Kunststudent und bekennender Bleistiftfetischist, der nur angesichts eines chronisch leeren Kühlschranks zur Polizei gegangen war, fühlte sich durch Biondis omnipotentes Computerwissen regelrecht aufs Altenteil abgeschoben. Tatsächlich hätte Biondi mit seinen 33 Jahren Breneckes Sohn sein können. Ein Sohn, der den Vater ständig provozierte und vieles in Frage stellte, was dessen Generation für wichtig erachtete. Morgenstern hielt sich aus den Streitigkeiten heraus, brachte die Rivalität der beiden Kollegen doch im besten Fall die Ermittlungen voran.

      Nachdem alle im Besprechungsraum saßen, stellte der Chef der Mordkommission Linda Mörike vor. Erstaunt und skeptisch wurde sie beäugt.

      »Kommissarin Linda Mörike ist uns als Unterstützung zugeteilt worden. Sie wird vollständig und ohne Abstriche in die Ermittlungen eingebunden«, informierte Morgenstern.

      Konzentriert sortierte er seine Notizen und schien sich zu sammeln. Tatsächlich hoffte er, dass niemand sein Unverständnis zu dem Sachverhalt äußerte. Eine Diskussion über die Personalpolitik der Berliner Polizei konnte er momentan am wenigsten gebrauchen. Es blieb ruhig.

      Er legte ein paar Kopien auf den Tisch und wechselte mit Biondi einen kurzen Blick. Ohne ein Wort zu sagen, nahm dieser die Blätter und reichte sie weiter.

      »Wir haben ein totes Kind. Morgen wird die Presse erbarmungslos jeden unserer Schritte kommentieren.« Erneut machte er eine kleine Pause. »Das übliche Programm. Gibt es Fingerabdrücke? Wenn ja, sind sie registriert? Fußabdrücke? Größe, Typ, Besonderheiten. Ihr kennt das. Die Jungs von der Spurensicherung sollen so schnell wie möglich liefern.«

      An einer Berlin-Karte, die an der Wand hing, deutete er mit dem Kugelschreiber auf vier Punkte. »Ihr prüft bitte alle vorhandenen Außenkameras zwischen U-Bahnhof Eberswalder Straße, U-Bahnhof Bernauer Straße, Gleimtunnel und dem Kino Colosseum! Einige Läden haben garantiert die Fußgängerzone im Bild. Versucht auch, Zeugen ausfindig zu machen! Oberhalb des Mauerparks gibt es eine Graffitiwand. Vielleicht ist einem Sprayer etwas Ungewöhnliches aufgefallen.«

      Brenecke und Biondi kannten ihre Aufgaben.

      »Wenn die Obduktion abgeschlossen ist, wissen wir genau, um welches Gift es sich handelt. Sobald Moabit Ergebnisse hat, auf meinen Tisch damit!«

      Das Institut für Rechtsmedizin der Charité befand sich in Moabit. Dorthin war die Leiche des Jungen gebracht worden. Mit Resultaten war jedoch frühestens am Montagmorgen zu rechnen.

      Brenecke machte sich mit einem Bleistift eine Notiz in seine Kladde. Dann ließ er den Stift wieder rotieren. »Eine Frage: Wie gehen wir mit der Presse um?«

      »Wir geben keine detaillierten Angaben heraus. Ein Kind ist tot aufgefunden worden, die Mordkommission ermittelt in alle Richtungen. Auf Nachfragen die übliche Formulierung: Aus ermittlungstechnischen Gründen und so weiter.«

      Auch dazu kritzelte Brenecke etwas in sein Heft.

      »Weitere Fragen?«

      Biondi schaute kurz in die Runde. »Wer kümmert sich um die Schule und den Freundeskreis?«

      »Klärt das untereinander!« Morgenstern drehte vorsichtshalber seinen Zettel um, obwohl er wusste, dass auf der Rückseite nichts notiert stand. Dennoch blieb die Befürchtung, etwas Wichtiges vergessen zu haben.

      »Den Besuch bei den Eltern übernehme ich.«

      Die Adresse wurde über den Tisch geschoben. Morgenstern überflog die Zeilen. Die Gegend war ihm bekannt. Berliner nannten sie das Schwabenviertel. Von hier kamen die kleinlichsten Anzeigen wegen Ruhestörung, Falschparkens oder ungebührlichen Verhaltens. So richtig hatte die Seele wahrer Prenzelberger aber erst gekocht, als angebliche schwäbische Patrioten mit einer Spätzle-Attacke auf das Käthe-Kollwitz-Denkmal und einer symbolischen Maultaschenmauer unter dem Motto »Free Schabylon« ihren Anspruch auf einen Schwabenbezirk angemeldet hatten. Free Schwabylon! Allerdings hielt Morgenstern es für denkbar, dass die Idee an irgendeinem Stammtisch entstanden war und die Initiatoren sich köstlich über den medialen Aufruhr amüsierten.

      »Sie kommen mit!«

      Linda Mörike brauchte einen Augenblick, um Morgensterns Anweisung zu verstehen.

      Bevor sie sich fragen konnte, ob der Leiter der Mordkommission sie nur mitnahm, damit sie scheiterte, erklärte er: »Ich brauche eine Frau dabei.«

       ° ° °

      Sigrid Lucatelo kochte vor Wut. Nicht grundlos finanzierte die freie Journalistin und Fotografin die Bierkasse ihres Lieblingspunks. Ihr Deal war eindeutig: Gab es etwas Besonderes, dann hatte er gefälligst zuerst sie zu informieren.

      »Du findest eine Leiche im Mauerpark«, wiederholte sie fassungslos und gestikulierte wild mit den Händen, »und kommst in deiner bekifften Birne nicht auf die Idee, mich anzurufen! Wozu habe ich dir ein Handy gegeben?«

      »Ick dachte, ick muss erst meene Bürjerpflicht erfüllen«, verteidigte sich der Punk.

      »Hast du ’ne Schramme, du Arsch?«

      Der Punk zog unwillkürlich den Kopf ein. Obwohl Sigrid Lucatelo kleiner war als er, fürchtete er ihre Wut. Auch Bastard hielt es für besser, den Schwanz einzuziehen.

      »Hast du eine Ahnung, was Fotoagenturen für exklusive Bilder zahlen?« Lucatelo raufte sich theatralisch die pinkfarbenen Haare, in die sich ein Klecks Violett verirrt hatte. Wütend trat sie gegen den Fressnapf, aus dem Bastard gierig die Reste des gestrigen Abendmahls gefressen hatte. Der Edelstahlbehälter schepperte über die Fliesen und knallte gegen den Türpfosten.

      Bastard СКАЧАТЬ