Название: Gefundenes Fressen
Автор: Stephan Hähnel
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783955522063
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Alexander Tibur nickte einer hübschen jungen Frau zu, die sofort in der Kajüte verschwand, um das Verlangte zu holen.
»Lassen Sie uns deutsch miteinander reden«, sagte McCormik. »Meine Mutter war Deutsche. Es wird mir guttun, meine Kenntnisse aufzufrischen.«
Schon bei der Begrüßung am Flughafen Tegel hatte der Vorsitzende von LuckyAnimals begriffen, dass er das Dossier einer New Yorker Kanzlei weitgehend als Makulatur betrachten konnte. Zwar hatten deren Wirtschaftsprüfer die Bilanzen der Tibur-Werke wie gefordert analysiert, ihre Beurteilung des Juniorchefs war jedoch ein Witz. Danach hatte McCormik ein Jüngelchen erwartet, das schnell zu Geld kommen wollte und sich mit Glasperlen zufriedengab. Jetzt musste er improvisieren und konnte von Glück reden, wenn es ihm gelang, Alexander Tibur in den nächsten Tagen zur Unterschrift unter den Übernahmevertrag zu bewegen.
Für die ökonomischen Parameter der Tibur-Werke hatte McCormik nur ein müdes Lächeln übriggehabt. Das waren sympathische Zahlen für ein mittelständisches Unternehmen. Dessen ungeachtet ging es um viel mehr. Der Hauptsitz der Tibur-Werke befand sich in Berlin. Produziert wurde an drei Standorten in Deutschland: Oldenburg, Schwarzenberg und Erlangen. In jeder Tierhandlung wurden Produkte der Firma Tibur als hochwertiges Premiumfutter angeboten. Seit der Gründung im Jahr 1955 hatte der Firmengründer Zacharias Tibur die Geschicke des Futtermittelproduzenten gelenkt. Trotz seines hohen Alters schien sich daran in absehbarer Zeit nichts zu ändern. Alle Offerten von LuckyAnimal, sich finanziell an seiner Firma zu beteiligen, waren am Eigensinn des Alten und seinem Ressentiment gegen Konzerne gescheitert.
Alexander Tibur, sein Enkel und der zweite Geschäftsführer des Unternehmens, stand einem Engagement aufgeschlossen gegenüber. Allerdings war der Verkauf der Tibur-Werke erst nach dem Ausscheiden des alten Sturkopfes möglich.
Schon als ihm Tibur junior am Flughafen zur Begrüßung wie selbstverständlich eine Packung Schimmelpenninck überreicht hatte, war McCormik klargeworden, dass der junge Mann besser vorbereitet war als er. Es waren genau jene Zigarillos, die er gern nach einer Verhandlung auf seinem Bootssteg nahe der Stadt Hampton in Virginia genoss, während er die Segler auf Chesapeake Bay beobachtete.
»Ich hatte das Glück, Paul Auster an der Universität in Alabama zu hören«, bemerkte Alexander Tibur. Er lächelte, während er an den Vortrag dachte. »Auster referierte über Mr. Bones, den alles verstehenden Hund. Und er sprach natürlich vom Paradies für Vierbeiner, jenem wunderbaren Ort mit den leckeren Würsten und dem Überangebot an läufigen Hündinnen. Timbuktu. Sie kennen den Roman?«
McCormik nickte. Paul Auster war sein Lieblingsschriftsteller und hatte auch das Drehbuch zu Smoke geschrieben. Er liebte diesen Film. Die Geschichte um einen kleinen Raucherladen hatte ihn eines gelehrt: Zuzuhören und sich für andere zu interessieren öffnete Tür und Tor.
»Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht. Ich bin beeindruckt«, bemerkte McCormik und öffnete die Schachtel mit den Zigarillos. Freundlich hielt er sie dem Gastgeber hin. »Ich weiß nicht mal, ob Sie überhaupt rauchen.«
Alexander Tibur verneinte. Die junge Frau stellte ein Glas Eiswasser auf den Tisch, lächelte strahlend und zeigte mit einem Finger zum Sonnendeck. »Wenn Sie etwas benötigen oder ich etwas für Sie tun kann …«, gekonnt legte sie eine Kunstpause ein, » … lassen Sie es mich wissen!«
McCormik blickte ihr taxierend hinterher, besaß aber den Anstand, nicht hinzusehen, als sie ihr Bikinioberteil auszog. Leicht fiel ihm das nicht. Er schätzte sie auf Mitte dreißig. Für Frauen mit überzeugenden Proportionen, die der Natur nicht künstlich nachhelfen mussten, hatte er ein Faible. Genüsslich zog er an dem Zigarillo und beobachtete die kleinen Segelboote auf dem Wasser. Netter Versuch!, dachte er dabei und registrierte mit Genugtuung, dass Tibur junior auch Fehler machte. Der Kerl glaubte ernsthaft, mit einem schönen Extra den Preis steigern zu können. Aber hier ging es nicht um den Kauf eines Gebrauchtwagens. Sobald die Übernahme der Tibur-Werke notariell beglaubigt war, würde er sich die verchromte Stoßstange gratis holen. McCormik schmunzelte bei dem Vergleich. Er fixierte sein Gegenüber und zog noch einmal an dem Zigarillo. »Alles hängt davon ab, ob der alte Mann Ihnen seinen Anteil überschreibt. Bisher scheint er sich ja noch zu sträuben. Gibt es einen neuen Stand?«, fragte McCormik und blies den Rauch in die Luft.
»Was das Unternehmen angeht, ist er äußerst misstrauisch. Ich muss den richtigen Moment abwarten, um ihm die Pläne vorzulegen, und bitte Sie daher noch um etwas Geduld.«
Der Amerikaner verdrehte die Augen. »Kann er nicht einfach abtreten? Ihr Großvater hat ein biblisches Alter!«
»Es ist sein Werk. Er hat die Firma aus dem Nichts aufgebaut und behandelt sie wie sein Kind.«
»Zeit ist Geld! Wenn es um finanzielles Engagement geht, sind Kapitalanleger hochgradig gläubig. Nächstenliebe ist garantiert keine Option. Geduld auch nicht. Ich muss dem Vorstand nach meiner Rückkehr Rede und Antwort stehen. Und nur zur Erinnerung: LuckyAnimals hat bereits in Sie investiert!«
Der Mann, der eben noch einen perfekten Seemannsknoten zu binden verstanden hatte, wirkte plötzlich nervös. Tatsächlich hatte er einen Vorschuss erhalten. McCormik entging weder seine Anspannung noch der unruhige Blick, den er der Frau auf dem Sonnendeck zuwarf.
»Ohne die Zusage meines Großvaters sind mir die Hände gebunden. Das war von Anfang an klar. Ich habe das Ihren Anwälten auch gesagt. Entweder er überträgt mir die Firma, oder wir müssen warten, bis er das Zeitliche segnet.«
McCormik kannte die Problematik, aber die Zeit lief ihnen davon. LuckyAnimals hatte in den vergangenen Jahren eine Menge Geld in den europäischen Markt und in Imagekampagnen gesteckt – mit wenig Erfolg. Streng genommen war die Situation katastrophal. Die Werbeplakate für ein Spezialfutter, die mit Geruchsstoffen imprägniert gewesen waren, hatten ihnen zwar Aufmerksamkeit eingebracht, allerdings nicht mit dem gewünschten Ergebnis. Hunde hatte der Duft wie erwartet geradezu magisch angezogen, die mediale Reaktion darauf war jedoch einer Katastrophe gleichgekommen. Die Presse hatte sich über die Manipulation der hechelnden Gassi-Gänger köstlich amüsiert und die LuckyAnimals-Läden als Schnüffelshops bezeichnet.
Nicht erst seit diesem Fehlschlag war in der Vorstandsetage in Virginia klar, dass sie einen Katalysator brauchten, wenn sie im lukrativen Old-Europe-Markt Erfolg haben wollten. Die Investoren an der Börse wurden langsam unruhig. Nach dem Fiasko mit den präparierten Plakaten hatte ein Gerücht auf dem Finanzparkett die Runde gemacht: Der Konzern sei angeschlagen. Erste Experten sprachen inzwischen von einer Gewinnwarnung. LuckyAnimals sei ernüchternd phantasielos. Noch ließen sich die Anleger mit ein paar Bilanzierungstricks beruhigen. Aber wenn keine Aussicht bestand, erfolgreich auf dem europäischen Markt zu wachsen, würde die Börse sie gnadenlos abstrafen.
Der Name einer alteingesessenen, renommierten deutschen Firma würde ihnen ermöglichen, durch die Hintertür Einlass zu bekommen. LuckyAnimals brauchte Tibur. McCormik wusste das.
»Es ist schön hier«, sagte er und ergänzte, nachdem er den letzten Zug seiner Schimmelpenninck genossen hatte: »In vierzehn Tagen eröffne ich die Europazentrale in München. Bis dahin gibt es einiges zu tun. Es wäre wirklich schade, wenn wir das hier nicht wiederholen könnten.«
° ° °
»In zehn Minuten im Beratungsraum«, informierte Kriminalhauptkommissar Hans Morgenstern seinen Kollegen Bruno Biondi, der auf dem Weg zur Küche war, um sich einen Tee zu kochen. »Sag Paul Brenecke Bescheid!«
Im Landeskriminalamt waren um diese Zeit die meisten Bürotüren abgeschlossen. Nur wenige Mitarbeiter hatten am Sonntag Dienst. Morgenstern hielt es zum jetzigen Zeitpunkt der Ermittlungen СКАЧАТЬ