Название: Ins Weiße zielen
Автор: Ricardo Piglia
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783803143297
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»Er hat mit deinem Vater gesprochen.«
»Er hat uns besucht, weil mein Vater ihn kennenlernen wollte.«
»Es ging auch um die Erbschaft.«
»Scheißkaff«, stieß Ada mit einem zarten Lächeln hervor. »Alle wissen, dass wir die Erbschaft jederzeit, wenn wir Lust dazu haben, unter uns aufteilen können, weil unsere Mutter verhindert ist.«
»Juristisch gesehen«, ergänzte Sofía.
»In letzter Zeit wurde er oft mit Yoshio gesehen, ihr kennt die Gerüchte.«
»Uns ist egal, was die Leute treiben, wenn sie nicht bei uns sind.«
»Und die Gerüchte interessieren uns auch nicht«, fügte Ada hinzu.
»Genauso wenig wie der ganze Klatsch.«
Wie ein Blitz durchzuckte Croce die Erinnerung an ein Sommerfest. Die beiden Schwestern hatten mit zwei neugeborenen Katzen gespielt. Die Mädchen mochten fünf, sechs Jahre alt gewesen sein. Sie hatten sie in einer Reihe aufgestellt, und die Kätzchen krabbelten über die von der Nachmittagssonne aufgeheizten Fliesen. Erst streichelten und liebkosten sie die Katzen, dann packten sie sie am Schwanz und begannen, sie sich hin und her zu reichen. Ihr Spiel wurde immer schneller und wilder, trotz des kläglichen Maunzens der Kätzchen. Natürlich hatte er von Beginn an ausgeschlossen, dass sie es gewesen waren. Sie hätten ihn eigenhändig getötet, etwas so Persönliches hätten sie nicht von jemand anderem erledigen lassen. Von Frauen verübte Verbrechen, dachte Croce, sind eine persönliche Angelegenheit, etwas, das sie niemand anderem anvertrauen. Saldías fuhr mit seinen Fragen fort und machte sich Notizen. Ein Anruf aus der Fabrik. Um die Gewissheit zu haben, dass er auch da war. Um dieselbe Uhrzeit. Das konnte kein Zufall sein.
»Sie kennen meinen Bruder, Kommissar, er hat ihn garantiert nicht angerufen«, sagte Sofía.
Ada erklärte, nichts von ihrem Bruder Luca gehört und ihn schon ewig nicht mehr gesehen zu haben. Sie hätten sich zusehends auseinandergelebt. Niemand habe ihn mehr gesehen, fügte sie hinzu, er lebe eingeschlossen in seiner Fabrik, umgeben von seinen Erfindungen und Träumen.
»Und was jetzt?«, fragte Sofía.
»Nichts«, erwiderte Croce. »Wir bringen ihn ins Leichenschauhaus.«
Es war ein merkwürdiges Gespräch, mit dem Toten auf dem Boden, Saldías, der sich weiterhin Notizen machte, und dem erschöpft wirkenden Kommissar, der die Zwillingsschwestern freundlich ansah.
»Dürfen wir gehen?«, fragte Sofía.
»Oder stehen wir unter Verdacht?«, sagte Ada.
»Wir stehen alle unter Verdacht«, entgegnete Croce. »Geht lieber hinten raus und tut mir den Gefallen, niemandem zu erzählen, was ihr hier gesehen habt oder worüber wir gesprochen haben.«
»Natürlich«, sagte Ada.
Als der Kommissar anbot, sie zu begleiten, lehnten sie ab. Sie würden allein gehen, er könne sie jederzeit anrufen, wenn er sie brauche.
Croce setzte sich auf das Bett, er wirkte müde, zerstreut. Er fragte Saldías nach seinen Notizen und begann, sie in aller Ruhe zu studieren.
»Gut«, sagte er abschließend. »Hören wir uns an, was diese Gauner uns zu sagen haben.«
Ein Großgrundbesitzer aus Sauce Viejo gab an, das Geräusch einer Kette in Duráns Zimmer gehört zu haben. Danach habe er ganz deutlich eine Stimme vernommen, die nervös geflüstert habe: Ich kauf es für dich, und du zahlst, sobald du kannst. Die Worte hätten sich ihm eingeprägt, weil sie ihm wie eine Drohung vorgekommen seien oder wie ein Scherz. Er könne nicht sagen, wer gesprochen habe, aber es sei eine sehr helle Stimme gewesen, eine verstellte Stimme oder die einer Frau.
»Verstellt oder von einer Frau?«
»Wie von einer Frau.«
Einer der Handelsreisenden, ein gewisser Méndez, behauptete, beobachtet zu haben, wie Yoshio über den Flur geschlichen sei, bevor er sich vor Duráns Zimmertür gebückt habe, um durch das Schlüsselloch zu spähen.
»Seltsam«, sagte Croce. »Gebückt?«
»Ja, direkt vor der Tür.«
»Um etwas zu sehen oder um etwas zu hören?«
»Um durch das Schlüsselloch zu linsen, glaube ich.«
Ein Vertreter wollte gesehen haben, wie Yoshio das Bad im Flur betrat, um sich die Hände zu waschen. Er habe schwarze Kleidung und ein gelbes Halstuch getragen, und die Ärmel an seinem rechten Arm seien bis zu den Ellbogen hochgekrempelt gewesen.
»Und was haben Sie im Bad gemacht?«
»Meine Notdurft verrichtet«, antwortete der Vertreter. »Ich stand mit dem Rücken zu ihm, aber ich konnte ihn deutlich im Spiegel erkennen.«
Ein anderer Gast, ein Viehauktionator aus Pergamino, der regelmäßig im Hotel abstieg, sagte aus, er habe Yoshio gegen zwei Uhr aus dem Badezimmer im dritten Stock kommen und dann aufgeregt – ohne auf den Fahrstuhl zu warten – die Treppe hinunterrennen sehen. Auch eins der Zimmermädchen gab an, sie habe den Japaner etwa um dieselbe Uhrzeit aus dem Zimmer kommen und den Gang durchqueren sehen. Und Prono, ein großer, massiger Typ und früherer Profiboxer, der auf der Suche nach Ruhe in das Dorf gezogen war, wo er sich seitdem als eine Art Wachmann um die Sicherheit des Hotels kümmerte, beschuldigte Dazai auf der Stelle.
»Der Japs war’s«, erklärte er mit der nasalen Stimme eines Schauspielers aus einem argentinischen Gangsterfilm. »Ein Streit zwischen Tunten.«
Die anderen schienen seiner Meinung zu sein. Alle hatten sie es eilig gehabt auszusagen, und der Kommissar wunderte sich über so viel Einstimmigkeit. Einige hatten sich mit ihren Aussagen sogar selbst in Schwierigkeiten gebracht. Es war möglich, dass gegen sie ermittelt würde, um ihre Aussagen zu überprüfen. Der Großgrundbesitzer aus Sauce Viejo, ein Mann mit hochrotem Kopf, hatte beispielsweise eine Geliebte im Dorf, die Witwe des alten Corona, während seine Frau im Krankenhaus von Tapalqué lag. Das Zimmermädchen, das beobachtet haben wollte, wie Yoshio überstürzt aus Duráns Zimmer gerannt kam, hatte keine Erklärung dafür, was sie um diese Zeit im Gang zu suchen hatte, wo sie doch eigentlich schon Feierabend hatte.
Yoshio selbst hatte sich in seinem Zimmer eingeschlossen – völlig verstört, wie es hieß, verzweifelt wegen des Todes seines Freundes – und antwortete nicht auf die Rufe.
»Lassen Sie ihn, bis ich ihn brauche«, sagte Croce. »Der haut nicht ab.«
Sofía schien sich zu ärgern und sah Renzi mit einem sonderbaren Lächeln an. Sie sagte, Tony sei verrückt nach Ada gewesen, vielleicht nicht unbedingt verliebt, eher geil, aber er sei nicht allein ihretwegen ins Dorf gekommen. Die Geschichten, die man sich über das Trio erzählte, hätten nichts mit dem Verbrechen zu tun gehabt, das seien СКАЧАТЬ