Die Ratten. Gerhart Hauptmann
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Название: Die Ratten

Автор: Gerhart Hauptmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Reclams Universal-Bibliothek

isbn: 9783159612058

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СКАЧАТЬ mit Riemen durchjefuchtelt! Stockhiebe, det det Blut man so spritzt.

      SPITTA.

      Ich habe mir niemals eingebildet, daß das sogenannte Mittelalter eine überwundene Sache ist. Es ist noch nicht lange her. Man hat eine Witwe Mayer noch im Jahre achtzehnhundertundsiebenunddreißig hier in Berlin, auf dem Hausvogteiplatz, von unten herauf geradebrecht. (Er zieht Scherben einer Brille hervor.) Übrigens muß ich sofort zum Optiker.

      JOHN

      (zu Spitta). Entschuldijen Se man! Se haben die feine Dame doch hier am Flur jejenieber rinjebracht? Na ja! [53]Det hat Mutter ja jleich jemerkt, det det keen andrer Mensch wie de Knobben jewesen is, wo bekannt for is, det se Mädel mit zwölf uff de Jasse schickt, selber fortbleibt, trinkt und allerhand Kundschaft hat, um Kinder nich kümmert und, wo berauscht is und uffwachen dut, allens mit Fäuste und Schirme durchpriejelt.

      DIREKTOR HASSENREUTER

      (sich raffend und besinnend). Allons, meine Herren, wir müssen zum Unterricht. Es fehlt uns schon eine Viertelstunde. Meine Zeit ist gemessen. Unser Stundenschluß muß leider heute ganz pünktlich sein. Komm, Mama. Auf Wiedersehn, meine Herrschaften. (Der Direktor gibt seiner Frau den Arm und geht, gefolgt von Käferstein und Dr. Kegel, ab. Auch John nimmt seinen Kalabreser.)

      JOHN

      (zu seiner Frau). Adje, ick muß ooch zum Meester hin. (Auch John geht.)

      SPITTA.

      Könnten Sie mir mal einen Schlips leihen?

      FRAU JOHN.

      Ick will mal sehn, wat sich bei Paul in de Schublade vorfinden dut. (Sie öffnet den Tischschub und verfärbt sich.) Jesus! (Sie nimmt ein durch ein buntes Band zusammengehaltenes Büschelchen Kinderhaar aus der Schublade.) Da hab’ ick ja’n Büschelschen Haar jefunden, wo mein Jungeken, wo mein Adelbertchen schon in Sarch mit Vaters Papierschere abjeschnitten is. (Tiefe, kummervolle Traurigkeit zieht plötzlich über ihr Gesicht, das sich aber ebenso plötzlich wieder aufhellt.) Un nu liecht et doch wieder in Kinderwachen! (Sie geht mit eigentümlicher Fröhlichkeit, das Haarbüschel in der Hand den jungen Leuten vorweisend, zur Tür des Verschlages, wo der Kinderwagen, zwei Drittel sichtbar, sich befindet. Dort angelangt, hält sie das Haarbüschel an das [54]Kinderköpfchen.) Na nu kommt mal, kommt mal! (Sie winkt mit seltsamer Heimlichkeit Walburga und Spitta, die auch neben sie an den Kinderwagen treten.) Seht mal det Härchen und det! –? ob det nich detselbichte … ob det nich janz und jänzlich een und detselbichte Härchen is.

      SPITTA.

      Richtig! Bis auf die kleinste Nuance, Frau John.

      FRAU JOHN.

      Jut so! jut so! mehr wollt’ ick nich! (Sie ververschwindet mit dem Kinde hinter dem Verschlag.)

      WALBURGA.

      Findest du nicht, Erich, daß das Betragen der John eigentümlich ist?

      SPITTA

      (faßt Walburgas Hände und küßt sie scheu und inbrünstig). Ich weiß nicht, weiß nicht – … oder ich zähle heut nicht mit, weil ich alles von vornherein subjektiv düster gefärbt sehe. Hast du den Brief bekommen?

      WALBURGA.

      Jawohl. Aber ich konnte nicht herausfinden, warum du so lange nicht bei uns gewesen bist.

      SPITTA.

      Verzeih, Walburga, ich konnte nicht kommen.

      WALBURGA.

      Warum nicht?

      SPITTA.

      Weil ich innerlich zu zerrissen bin.

      WALBURGA.

      Du willst Schauspieler werden? Ist’s wahr? Du willst umsatteln?

      SPITTA.

      Was schließlich noch mal aus mir wird, steht bei Gott! Nur niemals ein Pastor! niemals ein Landpfarrer!

      WALBURGA.

      Du, ich habe mir lassen die Karten legen.

      SPITTA.

      Das ist Unsinn, Walburga. Das sollst du nicht.

      WALBURGA.

      Ich schwöre dir, Erich, es ist kein Unsinn. Sie hat mir gesagt, ich hätte einen heimlichen Bräutigam, und der sei Schauspieler. Natürlich hab’ ich sie ausgelacht, und gleich darauf sagt Mama, du wirst Schauspieler.

      SPITTA.

      Tatsächlich?

      [55]WALBURGA.

      Tatsächlich! Und dann hat mir die Kartenlegerin noch gesagt, wir würden durch einen Besuch viel Not haben.

      SPITTA.

      Mein Vater kommt nach Berlin, Walburga, und das ist allerdings wahr, daß uns der Alte Herr etwas zu schaffen machen wird. – Vater weiß das nicht, aber ich bin mit ihm innerlich längst zerfallen, auch ohne diese Briefe, die mir hier in der Tasche brennen und mit denen er meine Beichte beantwortet hat.

      WALBURGA.

      Über unserm verunglückten Rendezvous hat wirklich ein böser, neidischer, giftiger Stern geschwebt. Wie habe ich meinen Papa bewundert! Aber seit jenem Sonntag werde ich aller Augenblick’ rot für ihn, und sosehr ich mir Mühe gebe, ich kann ihm seitdem nicht mehr gerade und frei ins Auge sehn.

      SPITTA.

      Hast du mit deinem Papa auch Differenzen gehabt?

      WALBURGA.

      Ach, wenn es bloß das wäre! Ich war stolz auf Papa! Und jetzt muß ich zittern, wenn du es wüßtest, ob du uns überhaupt noch achten kannst.

      SPITTA.

      Ich und verachten! Ich wüßte nicht, was mir weniger zukäme, gutes Kind. Sieh mal: ich will mit Offenheit gleich mal vorangehn. Eine sechs Jahre ältere Schwester von mir war Erzieherin, und zwar in einem adligen Hause. Da ist etwas passiert … und als sie im Elternhaus Zuflucht suchte, stieß mein christlicher Vater sie vor die Tür. Er dachte wohl: Jesus hätte nicht anders gehandelt! Da ist meine Schwester allmählich gesunken, und nächstens werden wir beide mal nach dem kleinen sogenannten Selbstmörderfriedhof bei Schildhorn gehn, wo sie schließlich gelandet ist.

      [56]WALBURGA

      (umarmt Spitta). Armer Erich, davon hast du ja nie ein Wort gesagt.

      SPITTA.

      Das ist eben nun anders: ich spreche davon. Ich werde auch hier mit Papa davon sprechen, und wenn es darüber zum Bruche kommt. – Du wunderst dich immer, wenn ich erregt werde und wenn ich mich manchmal nicht halten kann, wo ich sehe, wie irgendein armer Schlucker mit Füßen gestoßen wird, oder wenn der Mob etwa eine arme Dirne mißhandelt. Ich habe dann manchmal Halluzinationen und glaube am hellichten Tage Gespenster, ja meine leibhaftige Schwester wiederzusehn.

      (Pauline Piperkarcka, СКАЧАТЬ