Название: Die Ratten
Автор: Gerhart Hauptmann
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Reclams Universal-Bibliothek
isbn: 9783159612058
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DIREKTOR HASSENREUTER
(der noch immer den Milchkochapparat hoch in den Händen hält). Was sind Sie?
KÄFERSTEIN
(wie vorher). Wir wollen das Kindelein grüßen.
DIREKTOR HASSENREUTER.
Ha ha ha ha! Wenn Sie [49]schon Könige aus dem Morgenlande sind, meine Herren, dann fehlt doch, soweit ich sehn kann, der dritte.
KÄFERSTEIN.
Der dritte ist unser neuer Mitschüler auf dem Felde dramaturgischer Tätigkeit, Kandidat der Theologie Erich Spitta, der durch einen gesellschaftspsychologischen Zwischenfall einstweilen noch Ecke Blumen- und Wallnertheater-Straße festgehalten ist.
DR. KEGEL.
Wir machten uns eiligst aus dem Staube.
DIREKTOR HASSENREUTER.
Sehen Sie, es steht ein Stern über Ihrem Hause, Frau John! – Aber sagen Sie mal, hat sich etwa unser braver Kurpfuscher Spitta wieder mal öffentlich an die Heilung sogenannter sozialer Schäden gemacht? Ha ha ha ha! Semper idem! das ist ja ein wahres Kreuz mit dem Menschen.
KÄFERSTEIN.
Es war ein Auflauf, und da hat er wohl, wie es scheint, in der Volksmenge eine Freundin wiedererkannt.
DIREKTOR HASSENREUTER.
Meiner unmaßgeblichen Meinung nach würde der junge Spitta viel besser zum Sanitätsgehilfen oder zum Heilsarmeeoffizier geeignet sein. Aber so ist es; der Mensch wird Schauspieler.
FRAU DIREKTOR HASSENREUTER.
Der Lehrer der Kinder, Herr Spitta, wird Schauspieler?
DIREKTOR HASSENREUTER.
Wenn du erlaubst, Mama, hat er mir die Eröffnung gemacht. – Aber nun, wenn Sie Weihrauch und Myrrhen bringen, packen Sie aus, lieber Käferstein. Sie sehen, Ihr Direktor ist vielseitig. Bald verhelfe ich meinen Schülern, die ihr nach dem Inhalt der Brüste der Musen durstig seid, zu geistiger Nahrung, Nutrimentum spiritus! bald …
KÄFERSTEIN
(klappert mit einer Sparkasse). Nun, ich stelle [50]also das Ding, es ist eine feuersichere Sparkasse, hier neben die Equipage des jungen Herrn Maurerpoliers, mit dem Wunsche, daß er es mindestens mal bis zum Regierungsbaumeister bringen möge.
JOHN
(hat Schnapsgläschen auf den Tisch gestellt, nimmt und entkorkt eine unangebrochene Likörflasche). Na, nu muß ick det Danziger Joldwasser uffmachen.
DIREKTOR HASSENREUTER.
Wer da hat, Sie sehen, dem wird gegeben, Frau John.
JOHN
(während er eingießt). Det is nich jesacht, det for Mauerpolier John sein Kind nich jesorcht wäre, meine Herrn! Aber ick rechen et mir an, meine Herrn. (Frau Direktor und Walburga ausgenommen, ergreifen alle die Gläser.) Wohlsein! – Mutter, nu komm, wir wolln ooch ma anstoßen. (Es geschieht, sie trinken.)
DIREKTOR HASSENREUTER
(im Ton der Rüge). Mama, du mußt selbstverständlich mittrinken.
JOHN
(nachdem er getrunken hat, aufgeräumt). Ick jeh’ nu ooch nich mehr nach Hamburg hin. D’r Meester mag ma’n andern hinschicken. Ick zerjle mir schonn mit’n Meester deswejen drei Dache rum. Ick muß mir nu wieder jleich mein Hut nehmen; hat mir wieder ma jejen sechs uffs Büro bestellt! Wenn er nich will, denn laßt er’t bleiben: det jeht nich, det’n Familienvater immer un ewich wech von seine Familie is. Ick ha’n Kollegen … et kost mir een Wort, da wer ick, wo se de Fundamente lejen, bei’t neue Reichstagsjebäude einjestellt. Zwölf Jahre bin ick bei meinen Meester! Et kann ja ooch ma woanders sind.
DIREKTOR HASSENREUTER
(klopft John ebenfalls auf die Schulter). Sessa! ganz Ihrer Ansicht, Herr Maurerpolier. [51]Unser Familienleben ist eine Sache, die man uns mit Geld und guten Worten nicht abkaufen kann.
(Kandidat Erich Spitta tritt ein. Sein Hut ist beschmutzt, sein Anzug trägt Schmutzflecken. Er ist ohne Schlips. Er sieht bleich und erregt aus und säubert mit dem Taschentuch seine Hände.)
SPITTA.
Verzeihung. Könnte ich mich bei Ihnen mal eben ’n bißchen säubern, Frau John?
DIREKTOR HASSENREUTER.
Ha ha ha! Um Gottes willen, was haben Sie denn angebahnt, guter Spitta?
SPITTA.
Ich habe nur eine Dame nach Hause begleitet, Herr Direktor, weiter nichts.
DIREKTOR HASSENREUTER
(der an einem allgemeinen Lachausbruch ob der Worte Spittas teilgenommen hat). Na hören Sie mal an! Und da setzen Sie noch hinzu: »weiter nichts«? Und verkünden es offen vor allen Leuten?
SPITTA
(verblüfft). Wieso nicht? Es handelte sich um eine gutgekleidete Dame, die ich hier im Hause auf der Treppe schon öfters gesehen hatte und die leider auf der Straße verunglückt ist.
DIREKTOR HASSENREUTER.
Ach, was Sie sagen: erzählen Sie mal, bester Spitta. Augenscheinlich hat die Dame Ihnen Flecke auf den Anzug und Schrammen auf die Hände gemacht.
SPITTA.
Ach nein. Das war wohl höchstens der Janhagel. Die Dame erlitt einen Anfall. Ein Schutzmann griff sie dabei so ungeschickt, daß sie auf den Straßendamm, und zwar dicht vor einem Paar Omnibuspferde, niederfiel. Ich konnte das absolut nicht mit ansehen, obgleich der Samariterdienst auf der Straße im allgemeinen, wie ich zugebe, unter der Würde gutgekleideter Leute ist.
[52](Frau John schiebt den Kinderwagen hinter den Verschlag und kommt wieder mit einem Waschbecken voll Wasser, das sie auf einen Stuhl setzt.)
DIREKTOR HASSENREUTER.
Gehörte die Dame vielleicht jener internationalen guten Gesellschaft an, die man je nachdem nur reglementiert oder auch kaserniert?
SPITTA.
Das war mir in diesem Falle ebenso gleichgültig, wie ich sagen muß, Herr Direktor, wie dem Omnibusgaul, der seinen linken Vorderhuf geschlagene fünf, sechs oder acht Minuten lang, um die Frau nicht zu treten, die unter ihm lag, in der Schwebe gehalten hat. (Spitta erhält eine Lachsalve zur Antwort.) Sie lachen! Für mich ist das Verhalten des Gauls nicht lächerlich. Ich konnte ganz gut verstehen, daß einige Leute ihm Bravo zuriefen, Beifall klatschten, andre eine Bäckerei stürmten und Semmeln herausholten, womit sie ihn fütterten.
FRAU JOHN
(fanatisch). I, hätt’ er man feste zujetreten! (Die Bemerkung der John löst wieder allgemeines Gelächter aus.) Und ieberhaupt, СКАЧАТЬ