hell/dunkel. Julia Rothenburg
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Название: hell/dunkel

Автор: Julia Rothenburg

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783627022693

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СКАЧАТЬ aufgereiht, in kleinen Häufchen nebeneinander, als wollte sie alles abarbeiten. Stattdessen schiebt sie es nur hin und her.

      Als Robert in die Küche kommt, isst sie gerade eine Schale Müsli.

      Na du, sagt Robert und hebt die Arme zum Kratzen. Er trägt ein weißes T-Shirt, unter dem seine Haut irgendwie dunkel aussieht, viel dunkler als ihre, ohnehin ist alles an ihm dunkler. Valeries Haare sind blond, wie Weizen oder wie Sonne oder wie ein Pissfleck in giftigem Gelb. Aber das erst, seitdem sie vor ein paar Monaten versucht hat, sie zu färben. Wie sie da standen, in Ivanas kleinem Bad. Sieht doch gar nicht mal so schlecht aus, sagte Ivana, und während sie das sagte, befummelte sie ihr eigenes Weizenhaar. Nathalie machte ein Gesicht wie ein verschrecktes Reh und schaute in die Dusche, wo alle zehn Sekunden der Wasserhahn einen Tropfen in die Wanne spuckte. Oh Gott, sagte Valerie und musste dann lachen. Über alles und am meisten über Nathalies Gesicht im Spiegel neben ihr, neben ihren Pissehaaren und ihrem Gesicht, das noch so rund war, dabei ist das gar nicht so lange her.

      Valerie steht auf. Dann setzt sie sich doch wieder, blättert stattdessen in einem Buch, in welchem, weiß sie nicht, sie schaut gar nicht hin, nicht zu dem Streifen Haut über Roberts Hose, den man jetzt sieht, schwarze Härchen wie eine Dreckspur nach unten.

      Na du, sagt Robert noch mal und setzt sich gegenüber, lässt sich richtig fallen, als müsste er sich selbst etwas beweisen. Er sieht müde aus, seine Haare sind verstrubbelt.

      Du warst lange weg, sagt Valerie und ärgert sich, weil sie klingt wie die Mutter. Aber das stimmt nicht ganz, die Mutter hätte gar nichts gesagt, nur geguckt hätte sie mit einem Blick, der viel mehr sagt und der einem viel nachhaltiger das schlechte Gewissen in den Magen pumpt.

      Ich weiß. Robert fährt sich mit den Händen über das Gesicht.

      Wie geht es Mama?, fragt Valerie und fragt sich, wieso sie sich eigentlich so anstrengt, unbeteiligt zu klingen.

      Ich hab mir Sorgen gemacht.

      Sie sieht echt nicht gut aus, sagt Robert. Ganz bleich und so, aber na ja, du hast sie ja gesehen. Sie kriegt jetzt Blut, das wird schon.

      Okay, sagt Valerie. Aber haben sie?

      Nein, nein. Robert schüttelt den Kopf dazu, als reichten die Worte nicht. Ist erst mal okay so, denke ich. Scheint alles okay zu sein. Aber sie ist natürlich nicht so froh, dass sie wieder da ist.

      Sie schweigen, und Valeries Löffel klirrt in der Müslischale.

      Okay. Und wann willst du sie das nächste Mal besuchen?

      Heute, sagt Robert. Vielleicht können wir ja gehen, wenn du aus der Schule kommst. Ich meine, wenn du willst.

      Ich habe aber bis Nachmittag, sagt Valerie, wieder klirrt es, und sie legt den Löffel beiseite. Na gut, okay. Sie seufzt. Meinetwegen.

      Okay, Valle, so machen wir das. Er kneift die Augen ein bisschen zusammen, wie wenn er echt lächelt, wenn er es ernst meint, hat er schon immer. Und obwohl seine Augen nur noch kleine braune Schlitze sind, sind sie ganz auf sie gerichtet.

      Da ist plötzlich ein warmes Gefühl in ihr, das sie schon lange nicht mehr gespürt hat. Sie lächelt zurück, und ihr fällt auf, dass sie auch das schon lange nicht mehr gemacht hat.

      Das leichte Lächeln bleibt in ihrem Gesicht, als sie auf die Straße tritt. Aber ihr Rucksack ist schwer von all den Büchern, und nach wenigen Schritten ziehen sich ihre Mundwinkel ganz von alleine nach unten. Jetzt ist ihr nur noch übel, weil sie zu wenig gegessen hat.

      Je näher sie der Schule kommt, desto absurder erscheint ihr das alles. Als liefe sie gar nicht zur Schule, als gäbe es gar keine Schule, als versuchte sie, etwas ganz Unmögliches zu erreichen, unerreichbar und doch sichtbar wie hinter einer Glaswand.

      Vor den Toren stehen schon die anderen, in Gruppen wie zusammengeklumpte Zellen, ab und zu stößt jemand daraus hervor, meistens ein Junge, stolpert auf die Straße, auf der sich die Autos schieben.

      Vom Sportplatz gegenüber kommt ein Pfeifen, in der Mitte sieht man Figürchen mit wehenden Haaren im Kreis laufen.

      Valerie ist schon bereit, in die Straße einzubiegen, hält schon Ausschau nach den anderen, aber ihre Beine tragen sie einfach weiter, laufen Schritt für Schritt an der Straße vorbei, als wäre da wirklich eine Glaswand, die ihre Schritte lenkt.

      Valerie läuft noch ein bisschen weiter, bleibt dann stehen. Der Marheinekeplatz ist um diese Uhrzeit leer, ein paar Obdachlose sitzen auf den Bänken, beugen sich über eine Nettotüte. Müll quillt aus der Tüte, aus den Stahleimern um sie, türmt sich zu ihren Füßen. Die Spielgeräte sind verwaist, eine Schaukel ruckelt gespenstisch hin und her, während über ihr die Bäume im Wind zittern.

      Valeries Beine laufen weiter, laufen an den Spielgeräten vorbei, vorbei an dem Wasserspielplatz, wo jetzt kein Wasser ist.

      Vor der Markthalle sitzen noch mehr Menschen, einige gekrümmte auf der Bank davor, obdachlos genug, um laut zu reden mit verzerrten Mündern, aber immerhin mit Kaffee in den Händen.

      Zwei davon glotzen sie an, und Valerie muss sich zwingen, ihnen nicht den Stinkefinger zu zeigen, so sehr hasst sie dieses ständige Gegaffe.

      Um diese Uhrzeit ist hier kaum jemand Normales unterwegs. Um diese Uhrzeit ist die Straße ein einziger Hort für merkwürdige Gestalten.

      Endlich weiß Valerie, wohin, ihre Beine wussten es sowieso. Bei ihrem Lieblingscafé macht sie halt. Sie geht dort immer mit Ivana und Nathalie hin, manchmal nach der Schule, neulich sogar zum Mathelernen. Mit Ali ist sie hier nie gewesen. Ali ist niemand, der solche Orte mag.

      Am Tresen ist eine andere Bedienung als sonst. Ein Glück. Was jetzt alles zerstören könnte, wäre eine Frage.

      Valerie sucht sich eine Illustrierte, kleckst mit dem Kaffee darauf, schaut aus dem Fenster. Sie fühlt sich hier wohl, auch wenn aus der Decke blechern Chartsmusik dröhnt, eingewebt in das Schnattern der Frauen am Nebentisch. Eigentlich sind sie viel zu alt für dieses Café, denkt Valerie. Vielleicht verschanzen sich hier aber auch morgens die Alten in den Cafés. Erst nachmittags kommen die Jungen.

      Die anderen, wie sie da in diesem Moment in der Klasse sitzen, sind meilenweit entfernt. Valerie spürt eine Verlorenheit, die gleichzeitig Glück ist. Als hätte das alles einen Grund. Weil sie hier ist vielleicht, weil sie die neueste Zeitschrift liest, ohne wirklich zu lesen, und anstatt ihrer Gedanken die Chartsmusik durch ihr Hirn dudelt, eine fröhliche Welt, in die sie sich einfach einfügt.

      Irgendwann guckt die Bedienung komisch, weil Valerie ihren Kaffee nicht trinkt, aber auch nichts Neues bestellt. Es sind zwei Stunden vergangen, aber Valerie merkt es nur daran, dass der Kaffee jetzt wirklich kalt ist. So kalt schmeckt man erst das ganze Aroma, widerlich, bitter, pelzig, gallig. Es gibt einen Grund, warum alle Kaffee immer nur heiß trinken.

      Valerie steht auf, legt Geld auf den Tisch. Ihr ist ein bisschen schwindelig, aber niemand schaut hin, als sie zur Tür wankt.

      Draußen ist es kühl, es tröpfelt. Ihr Gesicht fühlt sich feucht an. Sie wünscht sich trotzdem, sie könnte ewig so laufen. Immer geradeaus oder einfach sonst wohin.

      Das Wasser im Wasserspielplatz ist immer noch ausgeschaltet. Vielleicht, weil jetzt Herbst ist oder weil es ohnehin regnet. Kinder sind sowieso keine da. Valerie ist froh, die paar alten Männer auf der Bank, die dasitzen, so hohl, als spürten sie den Regen nicht, der doch so СКАЧАТЬ