Название: Kate Glory Lie
Автор: Stefan Scheufelen
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Debütromane in der FVA
isbn: 9783627022778
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»Hey, Kate! Da bist du ja. Wir haben schon die ganze Zeit auf dich gewartet.«
Ach, wie ich meine Arbeit liebe.
»Kinder! Danke für die süße Einladung, aber ich passe. Mir ist heute nicht danach.«
Sie schauen mich alle entsetzt an. Benjamin verzieht das Gesicht und sieht nun aus wie ein Bonobo-Affe, der sich gleich auf mich stürzen will. Ich mach lieber die Biege. Mache einen Schritt in die Umkleidekabine, schnappe mir meine Tasche und schlängele mich gekonnt an diesen kiloschweren Muskeln vorbei. Pah! Da soll mir noch mal jemand sagen, ich wäre nicht beweglich. Von wegen. Laufe durch den Flur zum Tor in die weite Welt, drücke mich gegen die Tür und bin draußen.
»Halleluja!«
Die Luft da drin bringt einen ja schier um. Aber das Leben ist nun mal kein Zuckerschlecken. Auch wenn wir uns das alle einreden. So, was passiert jetzt mit mir? Ziehe mein Handy aus der Tasche und checke meine Messages. Es sind 99+ Nachrichten. Die meisten davon sind aus Chatgruppen von irgendwelchen Veranstaltungen. Ich habe längst aufgehört mitzulesen. Überfliege mein Sozialleben und merke, dass ich heute überhaupt keine Lust darauf habe. Ich will niemanden sehen. Nur meine zwei süßen Mitbewohner, und die sind mir schon chaotisch genug. Halte das nächstbeste Taxi an und steige ein. Die Augenbrauen des Taxifahrers sind zusammengewachsen. Er starrt mich verwirrt an. Noch hat er Schwierigkeiten, mich mit seinem kleinen Gehirn einzuordnen. Dieser Hinterwäldler. Wohl noch nie so was Schönes wie mich gesehen. Dass die Menschen selbst in Berlin so von gestern sind.
»Wohin!?«
Ganz schön harter Ton, der Kerl.
»Einfach zum Monbijoupark. Bei der Tram dort.«
Wir fahren los. Draußen beginnt es zu regnen. Das Wetter ist wie immer ein Segen in dieser Stadt. Man gewöhnt sich daran. Die bunten Lichter verschwimmen. Freitagabend, 23:27. Die Straßen füllen sich. Nun fallen die Alkoholiker nicht mehr auf, weil jeder trinkt. Überall Flaschen. Das Geschäft der Woche für jeden Pfandflaschensammler. Es ist laut. Menschen springen über die Straßen. Mein Taxifahrer dreht durch. Hupt wie ein Bekloppter und faselt in irgendeiner Sprache vor sich hin. Mir kann’s egal sein. Es vibriert in meiner Tasche. Reagiere blitzschnell. Es ist Beatrix. Bestimmt möchte sie wissen, warum ich so schnell abgehauen bin. Das ist mir jetzt zu viel. Schalte das Handy aus und werfe es zurück in die Tasche. Oh Mann! Wie mich dieser Blick nervt.
»Hab ich was im Gesicht oder warum starrst du mich die ganze Zeit an wie ’ne Ziege?«
Er schaut wieder nach vorne und drückt aufs Pedal. Spinner! Selbst im Taxi fühlt man sich wie ein Außerirdischer. Als ob die U-Bahn nicht schon schlimm genug wäre.
Wir sind fast da. Noch um die Ecke. Geschafft. Die Anzeige sagt: Achtzehn Euro. Durchforste meinen Geldbeutel und sammle angewidert all meine Fünf-Euro-Scheine zusammen.
»Der Rest ist für dich.«
Eigentlich hätte er das nicht verdient. So bin ich aber wenigstens das Geld los. Die Vorstellung macht mich verrückt, in wie vielen Nasen diese Scheine schon drin waren. Kleine, große, krumme, spitze, stumpfe, breite, einfach jegliche Art von Nasen. Er bedankt sich, doch in seinen Augen sehe ich, er ist gegen mich. Das nennt man Diskriminierung. Schnappe meine Tasche, ziehe den Kopf ein, verlasse das Auto und knalle die Tür so stark zu, wie ich nur kann. Es wackelt. Er schreit. Ich lache.
Ich hoffe, dass durch all die Auseinandersetzungen mit irgendwelchen Spinnern meine Urteile nicht zu voreilig geworden sind. Und wenn schon. Man muss nicht jedem gegenüber offen sein. Laufe auf meine Eingangstür zu. Plötzlich brausen zwei Fahrradfahrer an mir vorbei. Aus Reflex schlage ich mit der Tasche um mich. Treffe einen der beiden auf dem Rücken. Er gerät ins Schwanken. Stürzt über den Lenker und knallt mit voller Wucht gegen den Mülleimer. Er rührt sich nicht vom Fleck.
»Meine Nase! Meine Nase!«
Führe mir noch einmal seine Flugbahn vor Augen und finde das Ganze plötzlich unglaublich witzig. Kann mich nicht mehr zurückhalten und muss lachen.
»Das war olympiareif. Herrlich!«
Muss mir die hohen Schuhe vom Fuß streifen, sonst falle ich noch hin. Es ist zum Totschießen! Er wirft mir ein paar Ausdrücke an den Kopf, doch übertönt mein Gelächter alles. Es tut mir so leid. Versuche, mir den Mund zuzuhalten. Freudentränen kullern meine Wangen herunter.
»Oh nein.«
Er baut sich langsam wieder auf. Schnappt sich sein Fahrrad, schüttelt den Kopf und fährt weiter. Reibe mir das Gesicht trocken. Ich hoffe, dass mein Make-up nicht verschmiert ist. Es ist nun mal Freitagabend. Wer weiß, was noch passiert? Kämpfe mich barfüßig die knarrende Treppe nach oben und drücke die Klingel. Nach wenigen Tagen mit den beiden Chaoten in einer WG habe ich mir das ziemlich schnell angewöhnt. Es ist eine Art Signal, dass ich gleich das Apartment betrete. Eine Chance, mich vor den schlimmsten Bildern zu bewahren. Drehe den goldenen Schlüssel und betrete die Wohnung.
»Scheiße!«
Wedle mir den Rauch aus dem Gesicht. Ich muss husten.
»Was ist denn hier passiert!«
Werfe meine Schuhe zur Seite. Sie verschwinden im Rauch. Ich dreh noch durch. Halte mich an der Wand fest und taste mich langsam durch den Flur. Rotes Licht leuchtet aus der Küche. Ist das Feuer? Stecke meinen Kopf vorsichtig durch den Türrahmen.
»Was zur Hölle? Sebastião!«
Er rührt sich nicht vom Fleck. Er muss wieder völlig drauf sein.
»Sebastião!«
Keine Reaktion. Er steht auf dem Küchentisch. Über ihm eine rote Lampe. Wer weiß, wo die herkommt. Genau über seinem Kopf. Sein Gesicht leuchtet rot. Seine Augen sind geschlossen. Um seinen Körper ist Klopapier gewickelt. Ich verlasse die Küche. Denke laut: »Es gibt ja noch jemand anders.«
Öffne die Tür meines Zimmers. Niemand da. Laufe weiter. Nächste Tür.
»Fabio!«
Er erschreckt. Ich huste. Mit riesigen Augen starrt er mich an. Aus seinen Boxen dröhnt Musik oder so etwas. Trommeln auf jeden Fall.
»Du hast doch ’nen Knall.«
»Was?«
»Du hast ’nen Knall!«
»Ja.«
Er lächelt. Dieses verschmitzte Lächeln.
»Was hast du da eigentlich in den Haaren?«
Er fasst sich an den Kopf und schüttelt sich. Er hat sich bestimmt fünfzig Räucherstäbchen ins Haarband geklemmt.
»Bist du verrückt geworden?!«
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