Название: Menschliches Maß und Königliche Kunst
Автор: Jens Oberheide
Издательство: Автор
Жанр: Изобразительное искусство, фотография
isbn: 9783962851613
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Der künstlerische Ausdruckstanz interessierte ihn. Es gibt eine Reihe von Bewegungsstudien der Tänzer Salvatore Vigano und seiner Partnerin Josefa Maria.
Schließlich muss man Schadows Verbindung zum Direktor der Königlichen Schauspiele erwähnen, zu August Wilhelm Iffland (1759–1814), «…der auf der Bühne jeden seiner Finger mitsprechen ließ …» (Schadow).
Näher gekommen sind sich die beiden über das Theater, aber auch über die Freimaurerei. Iffland war von Friedrich Ludwig Schröder in Hamburg zum Freimaurer aufgenommen worden. Iffland schrieb Schröder die schönen (vielleicht freimaurerisch inspirierten) Worte ins Stammbuch: «Der bessere Mensch ist der bessere Künstler.»
Eine solche Grundhaltung hatte wohl auch Johann Gottfried Schadow. Sie musste sich freilich erst entwickeln. Die Lehrjahre bei Tassaert stehen am Anfang der Selbstfindung.
August Wilhelm Iffland als Pygmalion, Gemälde von Anton Graff, 1800
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Moralische Bildung
Gerader Sinn und gerades Herz, … um richtig wahrzunehmen und unparteiisch zu handeln …
Marcus Herz
Ein künstlerisch eher ungewöhnliches Motiv steht am Anfang von Schadows künstlerischer Reputation. In der Nacht zum 28. Juli 1781 stürzte der Turm der neuen deutschen Kirche am Gendarmenmarkt ein. Ein Konstruktionsfehler? Auf jeden Fall ein Aufsehen erregendes Ereignis. Meister Tassaert schickte seinen jungen Schüler Schadow zum Ort des Geschehens, damit er die Ruine zeichnerisch erfasse. Er tat das von einem Fester des französischen Komödienhauses aus und hielt detailgenau fest, was er sah. Das Blatt wurde vielfach reproduziert und publiziert und fand höchste Aufmerksamkeit, so etwa, wie es heute mit einem aktuellen weitverbreiteten Pressefoto geschehen würde.
Johann Gottfried Schadow: Selbstbildnis als 17-jähriger Zeichner, Radierung, 1781
Diese aktuelle Prominenz, seine künstlerische Vielseitigkeit, sein sprachgewandtes Auftreten und seine Lebensart führten bald zu Einladungen in die damals so beliebten «Salons». Ab 1781 war Schadow gern gesehener Gast im Haus von Marcus und Henriette Herz. Da war er 17 Jahre jung.
Der gesellschaftlich angesehene Preuße jüdischen Glaubens, Marcus Herz (1747–1803), war Mediziner, aber auch Philosoph der Aufklärung mit vielfältigen Verbindungen zu Persönlichkeiten der Zeit. Er hatte u. a. bei Kant in Königsberg studiert, und Kant hatte ihm ein Empfehlungsschreiben an den Philosophen Moses Mendelssohn mitgegeben, bei dem er in Berlin seine Studien fortsetzte und schließlich mit Promotion und Professur reüssierte. Herz hatte auch Verbindung zu Gotthold Ephraim Lessing, den er sehr verehrte.
Die Salonnière Henriette Herz (1764–1847), gleichaltrig mit Johann Gottfried Schadow, war nach jüdischem Brauch als Zwölfjährige mit Marcus Herz verlobt worden und hatte diesen als Fünfzehnjährige geheiratet. Henriette Herz saß Schadow für eine Porträtbüste Modell. Er gestaltete das Bildnis einer der schönsten Frauen Berlins – sein plastisches Erstlingswerk. «Die nach dem Leben modellierte Büste der Henriette Herz offenbart, dass Schadow nicht einem Schönheitskanon folgte, sondern den Ausgleich zwischen Natur und Ideal sucht» (Götz Eckardt: «Johann Gottfried Schadow», Leipzig,1990).
Und den Hofrat Herz zeichnete er für seine «Profile nach dem Leben». Daneben entstand eine Fülle grafischer Arbeiten. Physiognomiestudien, Porträts, Karikaturen, Spottbilder, Satiren. Feder-, Kreide-, Rötelzeichnungen, Aquarelle, aber auch weit verbreitete Auflagen als Radierungen und Kupferstiche, später auch Lithografien.
Marcus Herz, 1795, Gemälde von Johann Friedrich Weitsch
Johann Gottfried Schadow: Henriette Herz, Zeichnung, 1783
Aus dem Berliner Salon der hochgebildeten Henriette Herz entwickelte sich der intellektuelle Mittelpunkt Berlins. «Freimaurerische und pietistische Einflüsse» hatten dazu geführt (Ingeborg Drewitz: «Herz, Henriette» in Deutsche Biografie 8, 1969). Auf Anregung der Brüder Humboldt, die zu den Stammgästen zählten, nannte sich die Gruppe, die sich regelmäßig im Salon traf «Tugendbund zur Übung werktätiger Liebe». Henriette Herz sagte gern «Verbündung» dazu.
Der Salon war überkonfessionell und aufklärerisch gesinnt, und entsprechend waren die Gäste. Man diskutierte über Ideal und Wirklichkeit, Lebensqualität und Sinn und las gemeinsam einschlägige Literatur. «Der Tugendbund, der sich als eine Art Loge wie in der Freimaurerei verstand, hatte hohe Ziele» (Udo Quak: «Glückliche Stunden hatte ich», Berlin, 2014). Als Ziele nannte Henriette Herz selbst «gegenseitige sittliche und geistige Heranbildung».
Johann Gottfried Schadow: Salon der Henriette Herz: literarisch, musikalisch, gesellschaftlich, Federzeichnung um 1800
Wilhelm von Humboldt an Henriette Herz: «Weil der Zweck der Loge Beglückung durch Liebe ist» und diese im «Verhältnis mit dem Grade moralischer Vollkommenheit … steht, so ist moralische Bildung das, wonach jeder Verbündete am eifrigsten strebt …» (in einem Brief vom 11. November 1787).
Die Teilnehmer gaben sich gewisse Rituale, die sich bei jedem Treffen wiederholten. So kreiste beispielsweise ein Zirkel, über den man im Sinne von Bezugspunkten und Gedankenkreisen nachdachte, und es gab ein Symbol für den Zirkelschlag: Einen Kreis mit einem Mittelpunkt, eine Art «Logo» des Salons. »Die Mitglieder nannten sich Brüder und Schwestern» (Udo Quak, ebd.) und verstanden sich als gleichberechtigt und gleichgesinnt, verbunden durch Dichtung, Kunst, Wissenschaft, Ethik und Moral. So war Freimaurerei durchaus ein «salonfähiges» Thema, vor allem aber deren Ideale vom besseren Miteinander für eine bessere Welt.
Auch Henriettes Mann Marcus hing diesen Idealen nach. Das führte ihn in die Berliner «Loge zur Toleranz». Diese «sollte auch aufgeklärten Juden offenstehen, die einen hohen Grad kultureller und moralischer Reife erlangt haben» (Anne Purschwitz: «Jude oder preußischer Bürger», Göttingen, 2018). Das ist deswegen so hervorgehoben, weil damals den Juden in beschämender Weise der Zutritt zu den überwiegend christlich orientierten preußischen Logen verwehrt war.
«Innerhalb der Gemeinschaft der Freimaurer wurde diese Loge (zur Toleranz) jedoch isoliert und konnte keine Vorbildfunktion entwickeln» (Anne Purschwitz, ebd.), СКАЧАТЬ