Название: Seewölfe Paket 17
Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
isbn: 9783954397754
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Sofort begann er zu überlegen. Dort hinten sah er noch die beiden Schiffe auf Westkurs, hier im Sand war die Spur eines Mannes, die in die Dünen führte. Folglich war der Kerl von einem dieser Schiffe über Bord gefallen, zur Küste geschwommen und hatte sich total erschöpft in den Dünen verkrochen.
Den Kerl wollte er sich unbedingt ansehen. Vielleicht war er schon tot, aber dann konnte er ihn noch ein bißchen fleddern. Ein Paar Stiefel, Hemd und Hose fielen dabei zumindest für ihn ab.
Lautlos schlich er der Spur nach. Als er die Dünen erreichte, kroch er ebenfalls auf allen vieren weiter und folgte der Schleifspur.
Sie führte zu einer Senke, einer Mulde zwischen den Dünen, die mit Strandhafer und Sanddorn dicht bewachsen war.
Stanislaus arbeitete sich heran, lauschte, hörte nichts und schlich weiter, bis er den Rand der Mulde erreichte und einen Blick hineinwerfen konnte.
„Deibel, Deibel auch“, sagte er leise.
In der Mulde lag ein Mann wie tot auf dem Rücken, die Arme seitwärts ausgebreitet, den Kopf zur Seite gedreht. Der Mann war dürr und hager, schien aber sehr stark und zäh zu sein. Das Hemd klaffte offen über seiner Brust, und über der behaarten Brust zog sich quer eine lange Narbe hin. Die Haare des Mannes waren hellblond, der Kopf von länglicher Form mit schmalem Gesicht. Der Kerl trug sehr gute Stiefel, ein sauberes Hemd und eine starke Leinenhose, an deren Seite ein Messer steckte. Er schien schon ein paar Stunden hier zu liegen, denn seine Kleidung begann zu trocknen.
Stanislaus schielte auf die Brust des Schläfers, wo die große Narbe unter den Haaren sichtbar war. Hatte der Kerl sein Leben bereits ausgehaucht?
Nein, der lebte noch, der war entweder bewußtlos oder so erschöpft, daß er noch weitere Stunden schlafen würde. Das Schwimmen in dem kalten Aprilwasser mußte ihn ganz schön geschlaucht haben.
Stanislaus robbte weiter in die Mulde und fixierte den Schläfer, dessen Brust sich regelmäßig hob und senkte. Da er ein vorsichtiger Mann war, gewitzt durch recht üble Erfahrungen, zog er dem Kerl erst einmal das Messer vorsichtig aus dem Hosenbund, an dem die Lederscheide befestigt war. Dann setzte er ihm das Messer so auf die Brust, daß nur noch eine Daumenbreite Abstand bestand.
„He, du!“ rief Stanislaus. „Wach auf, du!“
Keine Reaktion, kein Seufzen, nichts. Der Mann blieb absolut reglos auf dem Rücken liegen.
„Peronnje, wach auf!“ brüllte Stanislaus.
Der Schläfer dachte gar nicht daran, zu erwachen. Er war in eine Welt abgetreten, wo Worte ungehört verhallten.
„Auch gut“, sagte Stanislaus heiser und grinste habgierig. „Wollen wir das Vögelchen doch mal ins Nestchen bringen.“
Zuerst jedoch steckte er das Messer ein. Dann drehte er den Schläfer in eine Art Hockstellung, schob sich halb unter ihn und lud sich die Last auf den Rücken. Taumelnd stand er dann auf den Beinen und fluchte leise.
Verdammt, so hager der Kerl auch war, er schien Knochen aus Eisen zu haben und war verflucht schwer. Der bestand nur aus Muskeln und Sehnen. Kein Gramm Fett war an ihm, aber seine Muskeln waren hart wie Stein.
Stanislaus torkelte mit seiner Last durch den Sand, seinem „Palast“ entgegen, den er nachts schon am Geruch orten konnte, wenn er, total besoffen vom Rübenschnaps, seine Behausung suchte.
Ächzend ließ er den Mann fallen, der immer noch nicht erwachte und sich wieder der Länge nach ausstreckte.
Danach peilte Stanislaus noch einmal die Lage, um den Mann ungestört filzen zu können. Leute ließen sich bei seiner Behausung sowieso nur selten sehen, weil sie immer befürchteten, von dem verlotterten Beachcomber angebettelt oder beklaut zu werden. Und auch diesmal sah er weit und breit niemanden.
Schnell huschte er wieder in sein Erdloch zurück, fand den Schläfer unverändert daliegen und filzte ihm erst einmal die Taschen. Das Messer hatte er schon. Jetzt fand er eine Rolle Kabelgarn in der rechten Tasche. Enttäuscht legte er sie auf ein vergammeltes, aus Treibholz hergestelltes Bord, an dem ein dreckiger Schlapphut und eine ausgefranste, schmierige Jacke hingen.
Die andere Hosentasche war wesentlich ergiebiger. Es klimperte hell, als Stanislaus mit der Hand hineinfuhr.
Münzen! Das war ein klingender Begriff. Münzen ließen sich in Rübenschnaps umsetzen.
Fünf Münzen waren es, aus Silber, die er auf seine ausgestreckte Handfläche legte und gierig betrachtete. Dazu kicherte er, und über sein verwittertes, bärtiges Gesicht zog ein heller Schimmer der Freude. Soviel Münzen auf einem Haufen hatte er schon lange nicht mehr gesehen.
Allerdings sagten ihm diese Münzen nichts, er kannte sie nicht, aber der dicke Pjontek, dem die Kneipe in Rixhöft gehörte, der nahm sie ganz sicher. Der nahm alles, was nach Silber oder Gold aussah.
Und Stanislaus selbst nahm alles, was nach Schnaps aussah oder so ähnlich roch. Er kicherte wieder und sah sich im Geiste bereits mit einer Schnapskruke bewaffnet in seiner Hütte sitzen. Und weil diese Vorstellung immer plastischer wurde und ihm bereits das Wasser im Mund zusammenlief, faßte er den Entschluß, wenigstens eine der Münzen in Fusel umzusetzen. Der dicke Pjontek mußte die Kruke aber dafür bis an den Rand füllen.
Hastig steckte er die Münzen ein, warf noch einen Blick auf den Schläfer und sah sich in seinem Erdloch um. Falls der Kerl erwachte, konnte er kaum etwas klauen, außer vielleicht die alte Jacke oder den Schlapphut. Mehr war bei ihm nicht zu holen, nur noch ein Stückchen Speck und ein paar Möweneier.
Gleich darauf zog er los, grinsend und voller Vorfreude. Die Münzen hatte er so verteilt, daß sie nicht klimperten und keiner mißtrauisch wurde, wenn man ihn mit soviel Geld sah.
Zehn Minuten lief er, dann war er in Rixhöft und steuerte auf die Kneipe zu. Er flitzte sabbernd hinein und wartete ungeduldig, bis der dicke Pjontek aus der Küche erschien und ihn stirnrunzelnd musterte.
„Kannst du Schwein dich nicht wenigstens einmal waschen?“ fuhr er Stanislaus an. „Du verstinkst mir ja die ganze Schenke. Wenn du hier bist, traut sich stundenlang niemand mehr rein.“
„Geld ist Geld“, sagte Stanislaus grinsend, „und wenn einer stinkt und Geld hat, dann ist er dir doch lieber, als wenn er nicht stinkt und dafür kein Geld hat.“
Das konnte der schwammgesichtige dicke Pjontek allerdings nicht abstreiten.
Stanislaus tat so, als suche er endlos lange in seinen Taschen, dann brachte er die Silbermünze heraus und legte sie auf den Tresen. „Kriege ich dafür eine Kruke Rübenschnaps? Aber eine große, bis an den Rand gefüllte!“
Pjontek nahm die Münze, blickte lange darauf und sah dann den schuckernen Stanis an.
„Na gut“, sagte er endlich, „obwohl sie ja eigentlich nicht soviel wert ist.“
„Die ist viel wert, die ist aus Silber“, widersprach Stanislaus.
„Das ist eine englische Münze, verstehst du? Und die sind nicht soviel wert“, log der Dicke. „Aber wenn du mir nicht glaubst, dann kauf deinen Schnaps doch woanders.“
„Ich glaub dir ja, Pjontek, aber ich will trotzdem eine ganz volle Kruke dafür.“
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