Название: Seewölfe Paket 17
Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
isbn: 9783954397754
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Er tat einen unbeholfen wirkenden Schritt vorwärts. Dann schüttelte es ihn vor Lachen. Gleichzeitig schlugen seine Zähne klappernd aufeinander.
„Ich habe es geschafft“, lallte er. „Ich bin endlich an der Küste angelangt.“
Diese Erkenntnis gab ihm wieder neue Kraft und peitschte seinen erschöpften Körper vorwärts. Es war ein unendlich beglückendes Gefühl, als er mit den Armen durchs Wasser ruderte und es immer flacher wurde. Schultern und Brust waren jetzt frei. Er wankte und taumelte, war glücklich und hätte am liebsten laut gebrüllt vor neuer Lebensfreude.
Dann blickte er voraus und erkannte zum ersten Male seit langer Zeit auch wieder schwache Umrisse. Er erblickte die Grenzscheide zwischen See und Land, einen Streifen hellen Sandes mit hohen Dünen dahinter, über die heulend der Wind pfiff. Mit übermenschlicher Anstrengung schleppte er sich weiter, mit zitternden Knien, fast bewegungslosen Armen, schnatternd und frierend.
Den Kampf gegen das Element Wasser hatte er gewonnen, aber er forderte auch seine allerletzte Kraftreserve. Stöhnend torkelte Gary auf den hellen Streifen zu. Das Wasser bedeckte jetzt nicht einmal mehr seine Knie, schließlich nur noch seine Waden.
Das war der Augenblick, in dem sein ausgelaugter, unterkühlter Körper endgültig streikte und alles verweigerte. Es ging nicht mehr weiter.
Aufstöhnend brach er auf dem hellen Sand zusammen und streckte sich der Länge nach aus. Ein paar neugierige Wellen spielten mit seinem Körper, und eine schaumig anrollende Woge trug ihn mit lautem Schmatzen weiter den Strand hinauf.
Aber da schlief Gary Andrews bereits einen totenähnlichen Schlaf, sah und hörte nichts mehr.
Etwas später weckte ihn die Kälte. Er wußte nicht, wie lange er dagelegen hatte. Er wußte nur, daß er sich am Strand befand und gerettet war. Alles andere zählte vorerst nicht.
Die Kälte brachte jeden Nerv in ihm zum Klingen. Er zitterte, und seine Zähne schlugen hörbar aufeinander. Er mußte weiter auf den Strand hinauf, denn hier blies der Wind zu kalt, hier stäubte pausenlos der Gischt über seinen Körper. Dort in den Dünen konnte er sich verkriechen, da war er einigermaßen geschützt.
Mühsam kroch er auf allen vieren über den Sand, schleppte sich zwischen die Dünen, zog sich an Sanddorn und Strandhafer weiter und erreichte schließlich eine Mulde, die ihn vor dem kalten Wind schützte. Ein dichter Vorhang aus Strandgras bot ihm zusätzlichen Schutz.
Er klapperte zwar immer noch mit den Zähnen und fror entsetzlich, doch das war nichts im Vergleich zum Wasser. Er brauchte seine Kräfte nicht mehr weiter zu verausgaben, er konnte es ohnehin nicht. So ließ er sich in die Mulde fallen und rollte sich zusammen wie ein Igel.
Jetzt habe ich wieder eine Koje, dachte er noch, dann schwanden ihm auch schon die Sinne, und er war übergangslos weg.
Von dem, was sich praktisch in unmittelbarer Nähe abspielte, sah und hörte er nichts mehr.
Es war gut eine Viertelstunde vergangen, als die „Wappen von Kolberg“ und die „Isabella“ die Stelle passierten und weiter Kurs Ost segelten. An jener Stelle war die See fast taghell erleuchtet, denn auf beiden Schiffen brannten überall Lampen. Gerade passierten sie jene Stelle, wo Gary Andrews total erschöpft an Land gewankt und zusammengebrochen war.
4.
Über der riesigen halbmondförmigen Bucht von Danzig war der Himmel verhangen und hatte die Farbe von kaltem Haferbrei. Kühler Wind strich über die Halbinsel Hela. Die Dämmerung kroch nur zögernd über den Horizont.
Das war die Zeit, in der der verrückte Stanislaus seine Strandbehausung verließ und an den Stränden herumstreunte, um nach Treibgut zu suchen oder sich an den ausgelegten Aalreusen der Fischer zu vergreifen.
Von Rixhöft bis Hela und über Putzig, Gdingen bis Danzig kannten sie ihn alle, den verrückten Stanislaus. Im Dialekt redeten sie vom „schuckernen Stanis“. Das bedeutete das gleiche wie verrückt.
Ein Engländer hätte ihn als heruntergekommenen Beachcomber bezeichnet, als nichtstuerischen Herumstreuner, der er auch war.
Sein „Strandpalast“ war ein drekkiges, in die Dünen gegrabenes und mehr als schmuddeliges Erdloch, das er mit Brettern und angeschwemmtem Treibholz abgedichtet und ausgebaut hatte. Hin und wieder rieselte der Sand in sein Erdloch, den Stanislaus dann mit den Händen wieder hinauskehrte.
Als er an diesem grauen Morgen aus dem stickigen Dünenloch hervorkroch, sah er ungewaschen und total verdreckt aus. Seine Haare waren strähnig und verfilzt. Sein Bart ähnelte einer Matte aus vertrocknetem Seetang, und er verbreitete einen Duft um sich, daß selbst ein alter Ziegenbock die Flucht ergriffen hätte.
Der schuckerne Stanis begann den Tag meist mit einem kräftigen Schluck Rübenschnaps zu begrüßen, dann rülpste er laut und vernehmlich, verrichtete sein Geschäft in den Dünen und stromerte am Strand entlang.
Seine Kleidung bestand aus einer schmierigen, fetzigen Hose und einem schwarzgrauen Hemd. Das Hemd hatte er sich aus angeschwemmtem Segeltuch selbst genäht. Daß in dem Segeltuch noch ein Toter steckte, hatte Stanislaus nicht gestört. Er brauchte ein Hemd, der eingenähte Seemann nicht mehr, und so hatte er dem Toten bedenkenlos die letzte Hülle geklaut und ihn wieder treiben lassen.
Heute hatte er keinen Schnaps und auch kein Geld, um sich welchen zu kaufen. Hin und wieder lebte er von Gelegenheitsarbeit, aber dazu hatte er heute ebenfalls keine Lust.
Er starrte nach Westen und sah in weiter Ferne zwei Segelschiffe am Horizont immer kleiner werden. Ihre Segel leuchteten in dem trüben Morgen.
Sein Magen knurrte, und so schlich er sich erst einmal an die in der Nähe von Rixhöft ausgelegten Reusen heran. Vorsichtig sah er sich nach allen Seiten um, um nicht wieder an die erbosten Fischer zu geraten. Sie hatten ihn schon zweimal erwischt und kräftig durchgeprügelt, damit ihm das Räubern verging. Doch das hielt Stanislaus nicht von weiteren heimlichen Aktivitäten ab.
Aus den Dünen stieg gerade eine Möwe auf, und sofort änderte Stanislaus seine Richtung. Etwas später fand er auch das Nest mit zwei Eiern.
Er kickte sie leicht an und soff sie grinsend aus. Und weil er ein boshafter und hinterhältiger Kerl war, füllte er die Möweneier wieder mit Sand auf und legte sie in das Nest zurück, daß sie wie unbeschädigt aussahen. Solche kleinen Lumpereien bereiteten ihm eine diebische Freude.
Als er sich diesmal den Reusen zuwandte und am Strand entlangpilgerte, blieb er plötzlich wie erstarrt stehen und blickte ungläubig in den Sand. Deutlich erkennbar sah er den Abdruck zweier Stiefel. Nach ein paar Schritten verschwand der Abdruck, und es sah so aus, als sei hier einer auf allen vieren durch den Sand gekrochen, denn er sah auch die Abdrücke von Händen.
Eine Weile blieb er reglos stehen und starrte die Spuren an. Dann drehte er sich um und suchte alle Himmelsrichtungen ab.
Niemand war weit und breit zu sehen. Ostwärts lagen im Wasser zwei kleine Fischerboote, zum Westen hin lag sein eigener vergammelter und ewig suppender Kahn vor einem Steinanker.
Wenn die Leute auch immer sagten, Stanislaus sei ein rappeliger Wirrkopf, der vom vielen Dösen einen Sonnenstich gekriegt hätte, so stimmte das nicht ganz. Stanislaus war zwar schucker, wie die Leute von Hela und Umgebung sagten, aber er war ein bauernschlaues durchtriebenes Schlitzohr und durchaus СКАЧАТЬ