Название: Frausein zur Ehre Gottes
Автор: Hanna-Maria Schmalenbach
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783862567843
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2.1.2 Universale kulturelle Gemeinsamkeiten
Vergleicht man nun verschiedene Kulturen, so beeindruckt die Vielfalt der Strategien, die Menschen zur Daseinsbewältigung einsetzen. Gleichzeitig weisen alle Kulturen aber auch Gemeinsamkeiten auf. Diese zeigen sich weniger in einzelnen Verhaltensweisen als vielmehr in größeren strukturellen Kategorien. Sie zeugen von einem „universalen Kulturmuster“, nach dem alle Kulturen der Gegenwart und Vergangenheit geordnet sind (Murdock 1980, 125). Als Grundlage für dieses gemeinsame Muster können nur die „biologische und psychologische Natur des Menschen und die universalen Bedingungen menschlicher Existenz“ (Murdock 1980, 125) infrage kommen. Grundlegende menschliche Gemeinsamkeiten werden sowohl in der Heiligen Schrift als auch in den Humanwissenschaften vorausgesetzt (Kraft 1979, 81); E. Nida betont: „Die Ähnlichkeiten, die die Menschheit als kulturelle Spezies verbinden, sind viel größer als die Unterschiede, die sie trennen“ (Nida 1964).50 Kulturelle Strategien sind dann Antworten auf die universalen biologischen, psychologischen, spirituellen und sozialen Grundbedürfnisse des Menschen, die Menschengruppen in ihrem jeweiligen Umfeld entwerfen (Murdock 1980, 129–132). Das gemeinsame Schema zeigt sich in universalen kulturellen Funktionen (Murdock 1980, 131; Kraft 1979, 87) wie zum Beispiel der Institution der Ehe und Familie, der Bildung von Abstammungsgruppen, dem Hausbau, der Entwicklung eines medizinischen Systems, dem Einnehmen von Mahlzeiten, dem Feiern von Festen, dem Betreiben von Sport und dem Glauben an übernatürliche Wesen (Kraft 1979, 87).51 Die Ausgestaltung dieser Funktionen ist sehr vielfältig, und der Mensch kann sich an unzählige Verhaltensmuster anpassen (Shapiro 1980, 19), wenn auch alle „Strategien zur Daseinsbewältigung“ in irgendeiner Weise seine biologischen Vorgaben reflektieren (Shapiro 1980, 19) und in ihrer Variabilität von diesen limitiert werden (Herskovits 1980, 144).
2.1.3 Die Struktur einer Kultur
Tritt man nun von außen an eine Kultur heran, so kann man zunächst in ihren Institutionen und den Verhaltensweisen der Menschen nur ihre Oberflächenstruktur wahrnehmen. Erst nach längerer Zeit wird der Beobachter die Konzepte entdecken, die dieses Verhalten erklären und sinnvoll erscheinen lassen.
Dabei lassen sich verschiedene Ebenen einer Kultur unterscheiden, die wie die Schalen einer Zwiebel übereinanderliegen: Im Innersten wird eine Kultur von ihrer Weltanschauung gesteuert (Willowbank Report 1981, 312; Hiebert 1985, 45–48). Diese besteht aus den Grundannahmen, nach denen eine menschliche Gruppe die Welt interpretiert (Kraft 1996, 55). Diese Grundannahmen werden nicht hinterfragt und sind häufig, aber nicht notwendigerweise, religiöser Art (Willowbank Report 1981, 312; Kraft 1996, 53). Sie liefern das Erklärungsmuster für das Denken und Verhalten der Menschen (Kraft 1996, 52–53). Sie sind wie eine „Brille“, durch die die Mitglieder der Gruppe die Wirklichkeit wahrnehmen und interpretieren (Kraft 1996, 56), und wie eine „mentale Straßenkarte“, nach der sie ihr Verhalten ausrichten (Conn 1984, 15). Nach den Vorgaben dieses „philosophischen Rasters“ (Jacobs 1981, 133) organisiert ein Volk sein Leben und seine Erfahrungen. Das schließt die Muster für Persönlichkeitsmerkmale und den Gebrauch des Willens genauso ein wie Denk- und Gefühlsprozesse, Motivationsmuster und Beziehungen (Kraft 1996, 58–63).
Aus der Weltanschauung gehen wiederum die Überzeugungen und Werte einer Gruppe hervor, die als „kollektive Zielsysteme“ (Pezaro 1991, 25) allem Handeln Sinn geben. Aus diesen legt eine Volksgruppe ihre gemeinsamen Handlungsrichtlinien in Normen und Regeln fest. Damit sind auch die Erwartungen klar definiert, die eine Gesellschaft an ihre Mitglieder hat (Kluckhohn und Kelly 1980, 104). Für den Fall der Nichteinhaltung drohen Strafen, vor allem soziale Ausgrenzung.
Die äußere Manifestation einer Kultur ist dann der bunte Komplex aus ihren Institutionen, dem Verhalten der Menschen und den Produkten, die sie herstellen (Hiebert 1985, 35–37). Dieser lässt sich in verschiedene Bereiche52 aufgliedern, die typischerweise in allen Kulturen vorhanden sind, aber auf unterschiedliche Weise ausgelebt und bewertet werden (Herskovits 1980, 164): das religiöses System, die Wirtschaftsstruktur, die Technologie, das soziale System, das Kommunikationssystem, die politische Struktur und die Kunst (Kraft 1996, 49). In jedem Bereich kommt die Weltanschauung der entsprechenden Menschengruppe zum Ausdruck, und alle sind untereinander wie in einem Netzwerk verbunden und beeinflussen sich gegenseitig so sehr, dass Veränderungen in einem Sektor die anderen unweigerlich mitbetreffen (Kraft 1996, 124–125). Insgesamt ist dieses kulturelle Gefüge ein integriertes Ganzes, in dem alles aufeinander bezogen ist und sich gegenseitig beeinflusst (Herskovits 1980, 145; Hiebert 1985, 42–45). Kraft vergleicht es mit einem lebendigen Organismus (Kraft 1996, 124). Diese Ganzheitlichkeit verleiht einer Kultur ihre Stabilität (Hiebert 1985, 49).
2.1.4 Kulturveränderung
Trotz ihrer Stabilität sind Kulturen jedoch nicht statisch, sondern dynamisch und in konstantem Wandel begriffen (Herskovits 1980, 145–146; Willowbank Report 1981, 313; Kraft 1996, 359). Dieser Wandel geschieht von innen her durch Erfindungen und Entdeckungen aufgrund der Kreativität der Menschen, aber auch von außen durch Kontakte mit anderen Kulturen, Zugang zu Bildung und neuen Technologien (Herskovits 1980, 150; Dollard 1980, 443; Kraft 1996, 369). Dabei gibt es in jeder Kultur eine kontinuierliche Sorge um den Erhalt ihrer Identität und einen inneren Widerstand gegen zu viele und rasche Veränderungen (Herskovits 1980, 145). Ein zu rascher Wandel, der auf unvorbereiteten Boden trifft, kann schwerwiegende Folgen haben. Er kann ein Volk in Stress bringen, ja in einen regelrechten „Kulturschock“ versetzen (Kraft 1996, 125). Identitätsverlust und Demoralisierung sind die Folgen mit der Gefahr des Zerfalls und des Untergangs einer Kultur (Herskovits 1980, 145; Kraft 1996, 359).53 Über ein solches Geschehen in extremem Ausmaß gibt die Geschichte der indigenen Völker Lateinamerikas Zeugnis. Dabei zeigt sich aber auch die erstaunliche Fähigkeit mancher Kulturen, ihre Balance nach einer solchen Verletzung wieder zu finden und sich zu erholen (Kraft 1996, 125–126).
Neue Elemente werden von einer Kultur freiwillig am ehesten dann aufgenommen, wenn sie als passend zu den bestehenden Mustern empfunden werden und wenn das Ordnungsempfinden einer Gesellschaft erhalten bleibt. Das vorhandene Kulturmuster gibt also die Richtung und die Grenzen vor, innerhalb derer eine Veränderung hingenommen wird.
Charles Kraft weist auch christliche Mitarbeiter im kulturübergreifenden Dienst immer wieder auf die Gefahr hin, durch mangelnde Sensibilität bei der Verkündigung des Evangeliums und im Gemeindebau kulturelle Strukturen unnötig zu beschädigen und so ungewollt Gesellschaften aus dem Gleichgewicht zu bringen. Diese Gefahr sieht er vor allem im Blick auf die Sozialstrukturen eines Volkes. So könne die Einführung von an sich positiven und hilfreichen Veränderungen zu einem Zusammenbruch der Autoritätsstrukturen einer Gesellschaft führen, wenn sie zu schnell und nicht auf die rechte Weise geschehe (Kraft 1996, 126). Von dieser Problematik sind Veränderungen, die die Stellung der Frau in einer Gesellschaft beeinflussen, besonders betroffen. Nach Kraft ist an dieser Stelle besondere Vorsicht geboten, da die meisten Völker sehr familienorientiert sind und klar definierte und selbstverständlich gelebte kulturelle Normen für die Rolle der Frau in Familie und Gesellschaft haben. Kraft rät Mitarbeitern im interkulturellen Kontext deshalb: „Debatten über Geschlechterbeziehungen sollten im Kontext einer gegebenen Kultur geführt werden“ (Kraft 1996, 324).
2.1.5 Kultur aus der Perspektive der Heiligen Schrift
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