Das Haus der Freude. Edith Wharton
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Название: Das Haus der Freude

Автор: Edith Wharton

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Reclam Taschenbuch

isbn: 9783159618593

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СКАЧАТЬ für künftige Verluste aufzuheben, hatte sie alles für Kleider und Schmuck ausgegeben; der Wunsch, diese Unvorsichtigkeit wiedergutzumachen, zusammen mit dem ständig wachsenden Vergnügen am Spiel, veranlassten sie, bei jeder neuen Runde höhere Einsätze zu riskieren. Sie versuchte sich mit dem Vorwand zu entschuldigen, dass man in der Trenor-Clique, wenn überhaupt, mit hohem Einsatz spielen musste oder für pedantisch oder gar knauserig gehalten wurde; aber sie wusste, dass die Spielleidenschaft immer mehr Macht über sie gewann, und dass es in ihrer augenblicklichen Umgebung wenig Hoffnung gab, sich dem zu widersetzen.

      An diesem Abend hatte sie überhaupt kein Glück gehabt, und die kleine Goldbörse, die zwischen ihren Schmuckstücken hing, war fast leer, als sie wieder in ihr Zimmer kam. Sie schloss ihren Kleiderschrank auf, nahm ihre Schmuckkassette heraus und sah unter dem Einsatz nach der Rolle aus Scheinen, mit denen sie ihre Börse aufgefüllt hatte, bevor sie zum Dinner nach unten gegangen war. Nur zwanzig Dollar waren noch übrig: Diese Entdeckung war so bestürzend, dass sie einen Augenblick lang glaubte, sie wäre beraubt worden. Dann nahm sie Papier und Bleistift, setzte sich an den Schreibtisch und versuchte auszurechnen, was sie an diesem Tag ausgegeben hatte. Ihre Schläfen pochten vor Müdigkeit, und sie musste wieder und wieder nachrechnen, aber schließlich wurde ihr klar, dass sie dreihundert Dollar beim Kartenspiel verloren hatte. Sie nahm ihr Scheckbuch heraus, um nachzusehen, ob der Restbetrag größer wäre, als sie in Erinnerung hatte, fand aber, dass sie sich in der anderen Richtung geirrt hatte. Dann wandte sie sich wieder ihren Zahlen zu, aber sie konnte noch so oft hin- und herrechnen, die verschwundenen dreihundert Dollar ließen sich doch nicht wieder herbeizaubern. Es war der Betrag, den sie zurückgelegt hatte, um ihre Schneiderin zu beruhigen; es sei denn, sie hätte das Geld zur Beschwichtigung des Juweliers gebraucht. Auf jeden Fall hatte sie so viele Möglichkeiten, es zu verwenden, dass gerade die Tatsache, dass die Summe unzureichend war, sie hatte so hoch spielen lassen, in der Hoffnung, das Geld verdoppeln zu können. Aber sie hatte natürlich verloren, sie, die jeden Penny brauchte, während Bertha Dorset, deren Ehemann seine Frau mit Geld geradezu überschüttete, mindestens fünfhundert eingesteckt hatte; und Judy Trenor, die es sich hätte leisten können, jede Nacht einen Tausender zu verlieren, war mit einer solchen Menge von Geldscheinen vom Tisch weggegangen, dass sie ihren Gästen nicht einmal die Hand geben konnte, als sie ihr Gutenacht sagten.

      Eine Welt, in der solche Dinge geschehen konnten, empfand Lily Bart als einen erbärmlichen Ort, aber schließlich hatte sie die Gesetze eines Universums, das sie so bereitwillig aus seinen Berechnungen ausschloss, nie verstehen können.

      Sie begann sich auszuziehen, ohne nach ihrer Zofe zu läuten, die sie zu Bett geschickt hatte. Lange genug war sie Sklavin des Vergnügens anderer Leute gewesen, als dass sie nicht rücksichtsvoll gegen diejenigen gewesen wäre, die von ihr abhängig waren; in Augenblicken der Erbitterung kam es ihr manchmal so vor, als seien ihre Zofe und sie in derselben Lage, nur dass Letztere ihren Lohn regelmäßiger erhielt.

      Als sie vor dem Spiegel saß und ihr Haar kämmte, sah ihr Gesicht hohl und blass aus, und zwei kleine Linien neben ihrem Mund, kleine Bruchstellen in der weichen Rundung ihrer Wange, jagten ihr einen Schrecken ein.

      »Oh, ich muss aufhören, mir Sorgen zu machen!«, rief sie aus. »Oder vielleicht ist es nur das elektrische Licht –«, überlegte sie, sprang von ihrem Sitz auf und zündete die Kerzen am Toilettentisch an.

      Sie löschte die Wandlampen und betrachtete sich eingehend zwischen den Flammen der Kerzen. Das weiße Oval ihres Gesichtes verschwamm undeutlich gegen den dunklen Hintergrund, das unstete Licht verwischte es wie ein Schleier, aber die kleinen Linien um den Mund blieben.

      Lily erhob sich und zog sich in aller Eile aus.

      »Das ist nur, weil ich müde bin und über so widerwärtige Dinge nachdenken muss«, sagte sie sich immer wieder, und es kam ihr wie eine zusätzliche Ungerechtigkeit vor, dass solch kleinliche Sorgen eine Spur auf ihrer Schönheit hinterlassen sollten, die ihre einzige Verteidigung gegen eben diese Sorgen war.

      Aber die Widerwärtigkeiten waren nun einmal da, und sie konnte nicht von ihnen loskommen. Müde wandte sie sich wieder dem Gedanken an Percy Gryce zu, so wie ein Wanderer seine schwere Last wieder aufnimmt und sich nach einer kurzen Pause weiterschleppt. Sie war sich fast sicher, dass sie ihn »erobert« hatte; noch ein paar Tage Arbeit und sie würde ihre Belohnung davontragen. Aber gerade jetzt erschien ihr dieser Lohn nicht sehr verlockend, sie konnte bei dem Gedanken an ihren Sieg keine Freude finden. Es würde nur eine Erholung von ihren Sorgen sein, mehr nicht – und wie wenig wert wäre ihr das noch vor ein paar Jahren erschienen: Ihre Ambitionen waren in der ausdörrenden Luft des Versagens immer kleiner geworden. Aber warum hatte sie versagt? War es ihr Fehler oder der des Schicksals gewesen?

      Sie erinnerte sich, wie ihre Mutter, nachdem sie ihr Vermögen verloren hatten, mit einer Art grimmiger Rachsucht zu sagen pflegte: »Aber du wirst alles zurückbekommen – du wirst alles zurückbekommen, mit deinem Gesicht …« Die Erinnerung rief in ihr eine ganze Reihe von Gedanken wach, und sie lag in der Dunkelheit und ließ die Vergangenheit, aus der ihre Gegenwart erwachsen war, wieder auferstehen.

      Ein Haus, in dem niemand daheim das Essen einnahm, es sei denn man hatte eine »Gesellschaft«; eine ewig bimmelnde Türglocke; in der Empfangshalle ein Tisch, der mit quadratischen Umschlägen überhäuft war, die man in aller Eile öffnete, und mit länglichen, denen man erlaubte, in den Tiefen einer Bronzeschale zu verstauben; eine Reihe französischer und englischer Zofen, die ihre Kündigung mitten im Chaos eilig durchsuchter Kleiderschränke und Ankleidezimmer aussprachen; eine ebenso schnell wechselnde Dynastie von Kindermädchen und Bediensteten; Streitereien in Vorratskammer, Küche und Salon; überstürzte Reisen nach Europa und dann die Rückkehr mit vollgestopften Koffern und mit Tagen, an denen man endlos auspackte; halbjährige Diskussionen darüber, wo der Sommer verbracht werden sollte; graue Zeiten der Sparsamkeit und glanzvolle Zeiten des Geldausgebens – das war der Hintergrund von Lily Barts ersten Erinnerungen.

      Über dieses turbulente Element, das den Namen »Zuhause« trug, herrschte die lebhafte und entschlossene Gestalt einer Mutter, noch jung genug, ihre Ballkleider zu Fetzen zu tanzen, während die verschwommenen Umrisse eines Vaters in eher neutralen Farben den Raum zwischen dem Butler und dem Mann einnahm, der kam, um die Uhren aufzuziehen. Sogar in ihren kindlichen Augen war Mrs. Hudson Bart jung erschienen, aber Lily konnte sich an keine Zeit erinnern, in der ihr Vater nicht kahlköpfig und leicht gebeugt gewesen wäre, mit grauen Strähnen im noch verbliebenen Haar und einem müden Gang. Es war ein Schock für sie, als sie später erfuhr, dass er nur zwei Jahre älter als ihre Mutter gewesen war.

      Lily sah ihren Vater selten bei Tageslicht. Den ganzen Tag über war er »im Geschäft«, und im Winter war es lange nach Einbruch der Dunkelheit, wenn sie seine erschöpften Schritte auf der Treppe und dann seine Hand an der Tür des Schulzimmers hörte. Er hatte sie gerade ganz still geküsst und das Kindermädchen oder die Erzieherin das eine oder andere gefragt, da kam auch schon Mrs. Barts Zofe, um ihn daran zu erinnern, dass er auswärts essen würde, und er ging – nach einem Nicken für Lily – eilig davon. Im Sommer, wenn er sich ihnen für einen Sonntag in Newport oder Southampton anschloss, schien er noch weiter weg und stiller als im Winter zu sein. Es sah so aus, als ermüde es ihn, wenn er sich ausruhen sollte, und er saß dann stundenlang da und starrte aus einer ruhigen Ecke der Veranda auf den Meereshorizont, während die Unruhe, die das Leben seiner Frau verbreitete, ein paar Meter entfernt unbeachtet weiterging. Im Allgemeinen fuhren Mrs. Bart und Lily jedoch den Sommer über nach Europa, und noch bevor das Dampfschiff die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatte, war Mr. Bart hinter dem Horizont verschwunden. Manchmal hörte seine Tochter, wie er dafür gerügt wurde, dass er nicht daran gedacht hatte, Mrs. Barts Uberweisung zu schicken, doch die meiste Zeit wurde er weder erwähnt, noch dachte man an ihn, bis seine geduldige, gebeugte Gestalt am Dock in New York auftauchte, um als Prellbock zwischen den ungeheuren Gepäckbergen seiner Frau und den Bestimmungen des amerikanischen Zolls zu fungieren.

      Auf diese unstete und doch erregende Weise verbrachte Lily СКАЧАТЬ