Das Haus der Freude. Edith Wharton
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Название: Das Haus der Freude

Автор: Edith Wharton

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Reclam Taschenbuch

isbn: 9783159618593

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СКАЧАТЬ zu rupfen hatte. Etwas in seinem Lächeln sagte ihr, dass er nicht vergessen hatte. Sie versuchte mit leisem Schaudern, den Gedanken loszuwerden, aber er verfolgte sie den ganzen Weg zum Bahnhof und auch den Bahnsteig entlang mit einer Beharrlichkeit, als wäre er Mr. Rosedale selbst.

      Sie hatte gerade noch Zeit, ihren Platz einzunehmen, bevor der Zug anfuhr; aber nachdem sie sich einmal in ihrer Ecke zurechtgesetzt hatte mit dem instinktiven Gefühl für Wirkung, das sie nie im Stich ließ, schaute sie sich um in der Hoffnung, noch andere Gäste der Trenor-Party zu sehen. Sie wollte sich von sich selbst ablenken, und Konversation war das einzige Fluchtmittel, das sie kannte.

      Ihre Suche wurde mit der Entdeckung eines sehr blonden Mannes mit weichem rötlichem Bart belohnt, der am andern Ende des Wagens offenbar versuchte, sich hinter einer entfalteten Zeitung zu verbergen. Lilys Augen leuchteten, und ein kleines Lächeln entspannte ihre Mundwinkel. Sie hatte gewusst, dass Mr. Percy Gryce auf Bellomont sein würde, aber sie hatte nicht mit dem glücklichen Zufall gerechnet, ihn im Zug für sich zu haben. Diese Tatsache vertrieb alle beunruhigenden Gedanken an Mr. Rosedale. Vielleicht würde der Tag schließlich doch noch besser enden, als er begonnen hatte.

      Sie fing an, die Seiten ihres Romans aufzuschneiden, wobei sie in aller Ruhe ihre Beute durch die niedergeschlagenen Wimpern hindurch betrachtete und sich gleichzeitig eine geeignete Methode für den Angriff zurechtlegte. Etwas in seiner Haltung völligen Aufgehens in seine Lektüre sagte ihr, dass er sich ihrer Anwesenheit bewusst war: Kein Mensch war jemals derartig in eine Abendzeitung vertieft gewesen! Sie erriet, dass er zu schüchtern war, um zu ihr zu kommen, und dass ihr eine Möglichkeit, ihn anzusprechen, einfallen müsste, die nicht wie ein Annäherungsversuch von ihrer Seite wirken durfte. Der Gedanke, dass jemand, der so reich war wie Mr. Percy Gryce, schüchtern sein könnte, amüsierte sie; aber sie hatte sehr viel Nachsicht mit solchen Eigenarten, und außerdem konnte seine Schüchternheit ihren Zwecken besser dienen als zu viel Selbstsicherheit. Sie verstand die Kunst, den Verlegenen Selbstbewusstsein zu vermitteln, aber sie war nicht sicher, ob sie ebenso über die Fähigkeit verfügte, selbstbewusste Menschen in Verlegenheit zu bringen.

      Sie wartete, bis der Zug den Tunnel verlassen hatte und durch die ärmlichen Ausläufer der nördlichen Vororte raste. Dann, als er seine Geschwindigkeit in der Nähe von Yonkers verlangsamte, stand sie auf und ging langsam den Wagen entlang. Als sie an Mr. Gryce vorüberging, schlingerte der Zug plötzlich, und er merkte, dass eine schmale Hand sich an der Rücklehne seines Sitzes festhielt. Er fuhr erschreckt auf, sein argloses Gesicht sah aus, als ob man es in karmesinrote Farbe getaucht hätte, sogar die rötliche Färbung seines Bartes schien sich zu vertiefen.

      Der Zug schwankte wieder und warf Miss Bart dabei fast in seine Arme. Sie verschaffte sich mit einem Lachen Halt und trat ein wenig zurück, aber er wurde vom Duft ihres Kleides umhüllt, und seine Schulter hatte ihre flüchtige Berührung gespürt.

      »Oh, Mr. Gryce, Sie sind es? Es tut mir ja so leid – ich habe gerade versucht, den Steward zu finden, um eine Tasse Tee zu bekommen.«

      Sie gab ihm die Hand, als der Zug seine normale Geschwindigkeit wieder aufnahm, und stand dann noch ein wenig im Gang, um ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Ja – er sei auf dem Weg nach Bellomont. Er habe gehört, dass sie mit von der Partie sein würde – er errötete wieder, als er dies zugab. Und würde er auch eine Woche lang dort sein? Wie wundervoll!

      Als ihr Gespräch diesen Punkt erreicht hatte, zwängten sich noch ein paar verspätete Reisende vom letzten Bahnhof in den Wagen, und Lily musste zu ihrem Sitzplatz zurückkehren.

      »Der Platz neben meinem ist frei – setzen Sie sich doch zu mir«, sagte sie über die Schulter, und Mr. Gryce gelang es, wenn er auch ziemlich außer Fassung war, einen Wechsel zu bewerkstelligen, der ihn und seine Taschen an ihre Seite brachte.

      »Ah, und hier ist der Steward, und vielleicht können wir unseren Tee jetzt bekommen.«

      Sie winkte die Bedienung herbei, und in kürzester Zeit war – mit der Leichtigkeit, welche die Erfüllung all ihrer Wünsche zu begleiten schien – ein kleiner Tisch zwischen ihren Sitzen aufgestellt worden, und sie hatte Mr. Gryce geholfen, seine sperrigen Besitztümer unter diesem zu verstauen.

      Als der Tee kam, beobachtete er sie mit wortloser Faszination, während ihre Hände über das Tablett flatterten und sich dabei wunderbar fein und schmal ausnahmen im Gegensatz zu dem groben Porzellan und klumpigen Brot. Es erschien ihm wie ein Wunder, dass jemand mit so lässiger Behendigkeit die schwere Aufgabe meistern konnte, in aller Öffentlichkeit und in einem schlingernden Zug Tee aufzugießen. Er hätte nie gewagt, ihn für sich zu bestellen, um die Aufmerksamkeit seiner Mitreisenden nicht auf sich zu lenken, aber im Schutz ihrer alles Interesse auf sich ziehenden Person, nippte er von dem tintenschwarzen Gebräu mit einem herrlichen Gefühl von Behaglichkeit.

      Lily, noch mit dem Geschmack von Seldens Karawan-Tee auf den Lippen, hatte keine große Lust, diesen in der Brühe, die in der Bahn serviert wurde, zu ertränken, während diese Brühe für ihren Reisegefährten reiner Nektar zu sein schien. Aber, wie sie richtig annahm, lag einer der Reize des Tees darin, dass man ihn zusammen trinken konnte, und sie machte sich daran, Mr. Gryces Freuden zur Vollendung zu bringen, indem sie ihn über ihre erhobene Tasse hinweg anlächelte.

      »Ist er richtig so, habe ich ihn nicht zu stark gemacht?«, fragte sie besorgt, und er antwortete mit Überzeugung, er habe nie besseren Tee getrunken.

      »Das könnte womöglich sogar stimmen«, überlegte sie und erwärmte sich bei dem Gedanken, dass Mr. Percy Gryce, der die tiefsten Tiefen hemmungsloser Genusssucht hätte auskosten können, vielleicht wirklich seine erste Reise allein mit einer hübschen Frau unternahm.

      Es schien ihr eine glückliche Fügung, dass ausgerechnet sie das Instrument zu seiner Einführung in diese Dinge sein sollte. Manche Mädchen hätten nicht gewusst, wie sie mit ihm umgehen mussten. Sie hätten die Neuheit des Abenteuers überbetont und so versucht, ihn den Reiz einer Eskapade daran empfinden zu lassen. Lilys Methoden aber waren subtiler. Sie erinnerte sich, dass ihr Cousin Jack Stepney Mr. Gryce einmal als einen jungen Mann beschrieben hatte, der seiner Mutter versprochen hat, bei Regen niemals ohne seine Überschuhe auszugehen. Lily legte diesen Hinweis also allem, was sie tat, zugrunde und beschloss, der Szene eine liebenswürdig häusliche Atmosphäre zu verleihen, in der Hoffnung, ihr Reisegefährte werde, statt zum Gefühl, etwas Leichtsinniges oder Ungewöhnliches zu tun, vielmehr zum Nachdenken über die Vorteile einer ständigen Begleiterin gebracht, die einem im Zug den Tee zubereitet.

      Aber trotz ihrer Bemühungen ging ihnen der Gesprächsstoff aus, nachdem das Tablett weggeräumt worden war, und sie hatte Anlass, aufs Neue Mr. Gryces Grenzen abzuschätzen. Es war schließlich nicht Gelegenheit, sondern Phantasie, was ihm fehlte, sein geistiger Gaumen würde niemals lernen, zwischen dem Tee der Bahn und Nektar zu unterscheiden. Es gab jedoch ein Thema, auf das sie immer zurückgreifen konnte, eine Triebfeder, die sie nur berühren musste, um seine einfache Mechanik in Bewegung zu setzen. Sie hatte sich das bisher versagt, weil dies ein letztes Mittel für sie war, und hatte auf andere Künste gezählt, um andere Gefühle zu wecken. Als aber nach und nach ein entschiedener Zug von Langeweile auf seinem offenen Gesicht erschien, erkannte sie, dass extreme Maßnahmen vonnöten waren.

      »Und wie«, sagte sie und lehnte sich dabei vor, »geht es mit Ihren Amerikana voran?«

      Seine Augen wurden gleich ein bisschen weniger trübe; es war, als ob ein Film, der eben im Entstehen begriffen war, von ihm abgezogen worden wäre, und Lily empfand den Stolz eines geschickten Operateurs.

      »Ich habe da ein paar neue Sachen«, sagte er, durchströmt von Freude, wobei er aber seine Stimme senkte, als ob er fürchtete, seine Mitreisenden könnten sich verbündet haben, um ihn auszuplündern.

      Sie entgegnete mit einer verständnisvollen СКАЧАТЬ