Paulus und die Anfänge der Kirche. Sabine Bieberstein
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СКАЧАТЬ schnell scheint der Zwölferkreis also aus dem Blickfeld des frühen Christentums geraten zu sein. Das zeigt auch ein Blick in die Briefe des Paulus. Während im vorpaulinischen Glaubensbekenntnis in 1 Kor 15,3–5 Petrus und der Zwölferkreis als die ersten Adressaten einer Erscheinung des Auferstandenen genannt werden und also eine herausgehobene Bedeutung haben27, spielt der Zwölferkreis in den Berichten des Paulus über seine Besuche in Jerusalem (Gal 1,18 f.; 2,1–10) |32| keine Rolle mehr.28 So ist es wahrscheinlich, dass der Zwölferkreis – historisch gesehen – nur eine kurze Zeit in Jerusalem zusammenblieb.29

      Sowohl die Darstellung der Apostelgeschichte als auch Äusserungen des Paulus zeigen, dass neben den Zwölferkreis bald weitere Gruppen und Personen traten, die impulsgebende Funktionen in der Jerusalemer Urgemeinde übernahmen. Dazu gehört Petrus, der zwar in den Evangelien bereits als Wortführer der Zwölf während der Zeit des Wirkens Jesu erscheint, dessen Autorität nun aber dadurch neu begründet wird, dass ihm in einigen Traditionssträngen die Erstvision des Auferstandenen zugesprochen wird (1 Kor 15,5; Mk 16,7; Lk 24,34). Seine Bedeutung für die Gesamtkirche, die an seinem Beinamen als «Fels» (Mt 16,18) anschaulich gemacht wird, wird allerdings erst viel später, in der Gemeinde des Matthäus, die wahrscheinlich im syrischen Antiochia beheimatet ist, zum Ausdruck gebracht.30

      Neben Petrus erhielten auch Johannes, der Sohn des Zebedäus, sowie Jakobus, der Bruder Jesu, der zunächst der ganzen Sache noch distanziert gegenübergestanden hatte, zunehmende Bedeutung. Paulus bezeugt in Gal 1,18 f. die besondere Funktion des Petrus und des Herrenbruders Jakobus in der Jerusalemer Gemeinde bereits in den ersten Jahren nach seiner eigenen Lebenswende, also bereits Ende der 30er Jahre. In Gal 2,9 bezeichnet Paulus diese beiden gemeinsam mit Johannes als die «Säulen», die «Ansehen geniessen». Nach der Darstellung des Paulus waren es diese drei, die als Führungsfiguren der Gemeinde von Jerusalem mit ihm selbst und Barnabas die besonderen Vereinbarungen zur Verkündigung des Evangeliums an Menschen jüdischer und nichtjüdischer Herkunft besiegelten. Demnach scheinen diese drei in den 40er Jahren eine Art Dreierkollegium zur Leitung der Jerusalemer Gemeinde gebildet zu haben, wobei die Bezeichnung als «Säulen» zudem auf eine heilsgeschichtliche Funktion in der eschatologischen Neukonstituierung des Gottesvolkes |33| hin deutet.31 Eine solche Funktion ist allerdings nur vorstellbar, wenn der Zwölferkreis diese Hinweisfunktion mittlerweile verloren hatte. Eine solche Entwicklung ist nach dem gewaltsamen Tod des Zebedäussohnes Jakobus unter Herodes Agrippa I. (Apg 12,1 f.) durchaus vorstellbar. Mit einiger Wahrscheinlichkeit ist Mk 10,35–45 als ein Hinweis auf den Martertod auch des Johannes, des Bruders des Jakobus, zu verstehen. In der Folge scheint auch Petrus Jerusalem verlassen zu haben, so dass nun allein Jakobus, der Bruder Jesu, als Leitungsfigur der Jerusalemer Gemeinde übrig blieb.

      Auch der Bruder Jesu starb eines gewaltsamen Todes. Dies legt zumindest eine kurze Notiz des jüdischen Historikers und Theologen Flavius Josephus (geboren 37/38 n. Chr.) in seinem Werk über die Geschichte des jüdischen Volkes (Antiquitates) nahe, die den Tod des Jakobus in die Zeit des römischen Statthalters Albinus (62–64 n. Chr.) datiert:

      «Er (= Albinus) versammelte daher den Hohen Rat zum Gericht und stellte vor dasselbe den Bruder des Jesus, der Christus genannt wird, mit Namen Jakobus, sowie noch einige andere, die er der Gesetzesübertretung anklagte und zur Steinigung führen liess.»32

      1.5.4.3

       Der Siebenerkreis und die Gemeindemitglieder aus der Diaspora

      Mit dem Zwölferkreis und dem Dreierkollegium aus Petrus, Johannes und Jakobus standen im vorherigen Abschnitt die Jesusanhänger aus Galiläa im Zentrum des Interesses. Zu dieser galiläischen Gruppe gehörten neben dem Zwölferkreis und den genannten herausragenden Figuren noch weitere Personen, darunter so markante Jüngerinnen wie Maria aus Magdala.

      Es ist in Abschnitt 1.5.3 aber schon deutlich geworden, dass die Jerusalemer Jesusgemeinschaft nicht nur aus diesen Rückkehrern aus Galiläa bestand, sondern auch aus Jüdinnen und Juden, die aus der Diaspora stammten und sich in Jerusalem niedergelassen hatten. Als eine vorbildhafte Einzelfigur wurde bereits der aus Zypern stammende Josef mit dem Beinamen Barnabas genannt. Dieser spielte nach der Darstellung |34| des Lukas bei der gerechten Verteilung des Besitzes, wie sie in der Jerusalemer Gemeinde praktiziert wurde, eine rühmliche Rolle (Apg 4,36 f.).

      Diese verschiedenen Gruppierungen innerhalb der Jesusgemeinschaft werden mit ihren Unterschieden besonders in Apg 6–8 sichtbar. Neben den Aramäisch sprechenden Jesusanhängerinnen und -anhängern aus Galiläa, die in Apg 6,1 «Hebräer» genannt werden, werden hier «Hellenisten» erwähnt, also Griechisch sprechende Mitglieder der Gemeinschaft. Meist werden diese als jene Jüdinnen und Juden näher identifiziert, die aus der Griechisch sprechenden Diaspora stammten, sich in Jerusalem niedergelassen hatten und dort mit der Botschaft vom Messias Jesus in Kontakt gekommen waren. Es ist aber auch denkbar, dass einige von ihnen aus Palästina stammten; denn auch hier war im Laufe der wechselvollen Geschichte unter verschiedenen Fremdherrschaften das Griechische in den städtischen Gebieten vor allem in der Verwaltung und im Handel zu einer verbreiteten Sprache geworden.33

      Dennoch: Einige Namen und Herkunftsbezeichnungen in der Apostelgeschichte zeigen, dass nicht wenige dieser «Hellenisten» aus der Diaspora stammten. Apg 6,9 nennt mit der Kyrenaika, mit Alexandria, Kilikien und der Provinz Asia einige Herkunftsgegenden dieser Jüdinnen und Juden. In Jerusalem hatten sie ihren religiösen Ort in den Diasporasynagogen, die religiöse und kulturelle Zentren für Jüdinnen und Juden aus bestimmten Regionen darstellten und zugleich als Gottesdienstraum, Schule und Herberge für Jerusalem-Wallfahrer dienten.34 Mit der so genannten Theodotus-Inschrift, einer Spenderinschrift für einen Synagogenneubau in Jerusalem, die wohl noch vor 70 n. Chr. zu datieren ist, ist auch ein archäologisches Zeugnis über eine solche Diasporasynagoge und ihre Funktionen erhalten:

      «Theodotus, (Sohn des) Vettenus, Priester und Synagogenvorsteher, Sohn eines Synagogenvorstehers, Enkel eines Synagogenvorstehers, baute die Synagoge zur Unterrichtung im Gesetz und zur Lehre der |35| Gebote sowie die Herberge und die Nebenräume und die Wasseranlagen zum Aufenthalt für die aus der Fremde, die (eine Herberge) benötigen; diese hatten gegründet seine Väter und die Ältesten und Simonides.»35

      Mit den verschiedenen Sprachen waren unterschiedliche soziale Milieus und kulturelle Prägungen verbunden. Da ist es kaum verwunderlich, dass es zwischen diesen Gruppen auch zu Konflikten kam. Die Apostelgeschichte erzählt von Differenzen anlässlich der Versorgung der Witwen des Griechisch sprechenden Gemeindeteils. Zwar gelten gemeinhin die Griechisch sprechenden Diasporajuden als der sozial bessergestellte Teil der Jesusanhängerschaft; doch sind es hier gerade die Witwen des Griechisch sprechenden Gemeindeteils, die bei der Versorgung zu kurz kamen. Mag sein, dass dies damit zusammenhängt, dass die Verteilung der Gelder dem Aramäisch sprechenden Gemeindeteil und speziell den Aposteln anvertraut war; denn nach Apg 4,37 und 5,2 wurde der Erlös aus den Verkäufen «den Aposteln zu Füssen gelegt».

      Anlässlich dieses Konflikts um die Versorgung der griechischen Witwen wird nach der Darstellung der Apostelgeschichte ein Siebenerkollegium der «Hellenisten» eingerichtet, das sich um die Versorgung der Witwen kümmern sollte:

      «In diesen Tagen, als die Zahl der Jüngerinnen und Jünger zunahm, begehrten die Hellenisten gegen die Hebräer auf, weil ihre Witwen bei der täglichen Versorgung übersehen wurden. Da riefen die Zwölf die ganze Schar der Jüngerinnen und Jünger zusammen und erklärten: ‹Es ist nicht recht, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen und uns dem Dienst an den Tischen widmen. Brüder und Schwestern, wählt aus eurer Mitte sieben Männer von gutem Ruf und voll Geist und Weisheit; ihnen werden wir diese Aufgabe übertragen. Wir aber wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben.› Der Vorschlag fand den Beifall der ganzen Gemeinde, und sie wählten Stephanus, einen Mann, erfüllt vom Glauben und vom Heiligen Geist, ferner Philippus und Prochorus, Nikanor und Timon, Parmenas und Nikolaus, einen Proselyten aus Antiochia. Sie liessen sie vor die Apostel hintreten, und diese beteten |36| und legten ihnen die Hände auf. Und das Wort Gottes breitete СКАЧАТЬ