Paulus und die Anfänge der Kirche. Sabine Bieberstein
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СКАЧАТЬ Formulierung («Jesus wurde [d. h. von Gott] erweckt», z. B. 1 Kor 15,4).

      Bemerkenswert ist nun, dass einige dieser alten Auferweckungsformeln behaupten, Gott habe Jesus «aus [den] Toten» – also aus einem Kollektiv – auferweckt (Röm 10,9), oder auch, Jesus sei der «Erstling der Entschlafenen» (1 Kor 15,20) |19| bzw. der «Erstgeborene aus den Toten» (Kol 1,18), dem – so die Logik dieser Aussagen – die anderen Toten folgen würden. Solche Aussagen deuten darauf hin, dass die neutestamentlichen Texte die Auferweckung Jesu im Horizont der frühjüdischen Hoffnungen als ein endzeitliches Geschehen interpretieren.3 Denn die Mehrheit der jüdischen Zeugnisse versteht die Totenauferweckung als ein Geschehen im Kontext des «Jüngsten Tages». Wenn die Freundinnen und Freunde Jesu nun behaupten, Jesus sei bereits auferweckt worden, deuten sie die Auferweckung Jesu als Teil dieser erwarteten und ersehnten endzeitlichen Ereignisse. Dies konnten sie gut mit der Reich-Gottes-Botschaft in Einklang bringen, die sie mit Jesus teilten. Jesus war davon überzeugt, dass Gott seine Herrschaft endgültig angetreten hatte und dass die Zeit erfüllt und qualifiziert war von Gottes Gegenwart. Dies hatte Jesus nicht nur in seinen Worten, sondern vor allem in immer neuen symbolischen Handlungen sichtbar und erfahrbar gemacht. Im Lichte dieser Reich-Gottes-Botschaft konnte nun die Auferweckung Jesu als entscheidende Etappe des grossen Umwälzungsprozesses der endgültigen Durchsetzung der Gottesherrschaft verstanden werden. Mit Jesu Tod war diese Reich-Gottes-Botschaft also keineswegs falsifiziert, sondern seine Auferweckung musste als eine Bestätigung dieser Botschaft und damit auch als eine Bestätigung und Rehabilitierung der Person Jesu selbst gesehen werden.

      Wenn sich auf diese Weise die Reich-Gottes-Botschaft verifizierte, erhielt damit auch die gesamte vorösterliche Reich-Gottes-Praxis, die aus dieser Kraft der Gegenwart der Gottesherrschaft lebte, eine Bestätigung. Das heisst wiederum: Sicherlich sind – neben dem Glauben an die Leben schaffende Macht Gottes – auch die ermutigenden, bewegenden und lebensvollen Erfahrungen, die die Jesusgruppe zu Lebzeiten Jesu gemacht hatte, eine nicht zu unterschätzende Basis für die Formulierung des Osterglaubens. Damit hat der Osterglaube eine bedeutende Wurzel in der überzeugenden Praxis Jesu selbst. Und es ist klar: Auf diesem von Jesus begonnenen Weg sollten seine Jüngerinnen und Freunde weitergehen.

      |20| Der Osterglaube, so wie er zuerst in der paulinischen Briefliteratur bezeugt ist, wird in den späteren neutestamentlichen Schriften auf vielfältige Weise ausgestaltet. In den Evangelien findet er seinen Niederschlag in den Erzähltraditionen über die Auffindung des leeren Grabes sowie über die Erscheinungen des Auferstandenen. In diesen Erzählungen spielen, dies sei wenigstens kurz erwähnt, die Frauen aus der Nachfolgegemeinschaft Jesu eine prominente Rolle. Bemerkenswerterweise verweist die markinische Erzählung von der Auffindung des leeren Grabes die Jüngerinnen und Jünger nach Galiläa (Mk 16,7). Damit kommt auch in dieser Traditionslinie die Reich-Gottes-Praxis Jesu, die in Galiläa begonnen hatte, wieder ins Spiel, und die Erzählung lädt (auch) dazu ein, auf dem von Jesus begonnenen Weg der Reich-Gottes-Praxis weiterzugehen.4

      Die frühe Überlieferung zeigt zum einen, dass die Nachfolgerinnen und Jünger Jesu – entsprechend der engen Verknüpfung der Auferweckungsbotschaft mit der Reich-Gottes-Praxis Jesu – die Sache Jesu weitertrugen und seine Botschaft weiter verkündigten. Dazu sind vor allem die Traditionen der Spruchquelle Q zu nennen (vgl. Lk 10,9). Zum anderen ist eine bedeutsame inhaltliche Verschiebung zu beobachten: Ins Zentrum der Verkündigung rückt die Person Jesu selbst sowie die Tat Gottes an ihm. Verkündigt wird nun der Gekreuzigte und von Gott Auferweckte, und das heisst: die Rehabilitation des als König der Juden Hingerichteten durch Gott selbst.5 Verbunden damit sind beginnende bekenntnishafte Aussagen zur Einsetzung Jesu in himmlische Herrschaftspositionen: als «Sohn Gottes» und «Herr» (vgl. Röm 1,3–4), als «Menschensohn», der zur Rechten Gottes seinen Platz erhält (vgl. Dan 7,13; Mk 14,62) und natürlich als «Christus» bzw. «Messias», womit Jesus in die messianische Tradition Israels gestellt wurde.6

       |21| Frühe Jesusboten in Galiläa

      Ein Teil der frühen nachösterlichen Verkündigung ist dabei zunächst in Galiläa angesiedelt. Vor allem die Trägergruppen der Spruchquelle Q müssen schon relativ bald nach dem Tod Jesu in Galiläa und in angrenzenden Gebieten Palästinas und Syriens zu wirken begonnen haben.

      Exkurs

      Als Spruch- oder Redequelle Q bezeichnet man eine frühe Sammlung von Reden und Aussprüchen Jesu. Nach der Zweiquellentheorie, die die Entstehung der Evangelien erklärt, schöpften das Matthäus- und das Lukasevangelium unabhängig voneinander einerseits aus dem Markusevangelium und anderseits aus dieser Spruchquelle Q. Daneben hatten sie noch je eigene Traditionen, das Sondergut, zur Verfügung.

      Die Spruchquelle Q ist nicht als Dokument erhalten. Aber man kann ihren Inhalt aus denjenigen Partien des Matthäus- und des Lukasevangeliums rekonstruieren, in denen diese beiden Evangelien übereinstimmen, aber für die es keine Vorlage im Markusevangelium gibt.7

      Es waren wohl zunächst Wanderprediger, die die Jesusbotschaft von Ort zu Ort trugen und dabei dem radikalen jesuanischen Ethos noch sehr nahestanden, das durch Heimatlosigkeit (Q/Lk 9,58), Familiendistanz (Q/Lk 9,60 f.), Besitzkritik (Q/Lk 6,20 f.) und Gewaltlosigkeit bzw. Feindesliebe (Q/Lk 6,27 f.35c–d) geprägt war. Im Zentrum dieser Verkündigung stand bei ihnen allerdings weniger der von Gott Auferweckte. Dies zeigt sich auch darin, dass die Spruchquelle Q völlig ohne eine Passions- und Auferstehungserzählung auskommt. Im Zentrum standen vielmehr die Worte Jesu, der vor allem mit prophetischen, aber auch mit weisheitlichen Zügen gezeichnet ist und der eines gewaltsamen Todes gestorben war wie zahlreiche Propheten vor ihm. Dabei wusste sich die Q-Trägergruppe mit ihrer Botschaft zwar zu Israel gesandt, stiess damit jedoch keineswegs überall auf offene Ohren und reagierte im Gegenzug mit heftiger Polemik gegen «diese Generation» (vgl. Q/Lk 11,47–51). Auch gegen Jerusalem werden harte Worte gesprochen:

      |22| «Jerusalem, Jerusalem, die die Propheten tötet und die zu ihr Gesandten steinigt! Wie oft wollte ich deine Kinder sammeln, wie eine Henne ihre Küken unter die Flügel sammelt, und ihr habt nicht gewollt. Siehe, euer Haus wird euch verlassen [werden].. Ich sage euch, ihr werdet mich nicht mehr sehen, bis [‹der Tag› kommen wird, da] ihr sagt: Gesegnet, der im Namen des Herrn kommt!» (Q 13,34 f.)8

      In diesen Worten klingt das gewaltsame Prophetenschicksal Jesu an. Sie sind aber auch ein Echo darauf, dass die Verkündigung der Q-Leute unter den Jüdinnen und Juden weitgehend nicht von Erfolg gekrönt war. Dabei deutet die Formulierung «siehe, euer Haus wird euch verlassen (werden)» bereits auf eine spätere Redaktionsphase des Spruchevangeliums Q während des jüdischen Krieges, als entweder das Ende des Jerusalemer Tempels unmittelbar bevorstand oder als bereits auf die Zerstörung Jerusalems und des Tempels im Jahr 70 n. Chr. zurück geblickt wurde.9

      Auch wenn sich einige Q-Sprüche also äusserst kritisch mit Israel auseinandersetzen, sind diese Sprüche doch keinesfalls antijüdisch zu lesen, sondern als Zeugnisse innerjüdischer Auseinandersetzungen um die Bedeutung des Propheten Jesus und den Ernst der Entscheidungssituation. Wohl soll Israel mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Umkehr gerufen werden; doch dürfen diese Texte noch nicht als Hinweise auf eine bereits erfolgte Trennung der in Q vertretenen Jesus-Nachfolger vom Judentum verstanden werden. Noch ist diese Jesusgruppe in die vielfältigen jüdischen Richtungen des ersten Jahrhunderts einzuordnen, auch wenn die Texte zeigen, dass sich eine eigene Identität der Jesusbewegung – zum Teil in Abgrenzung von anderen jüdischen Gruppierungen – herauszubilden beginnt.10

       |23| Anfänge in Jerusalem

      Eine etwas andere Perspektive auf die nachösterlichen Aufbrüche bietet die Apostelgeschichte des Lukas (Apg). Dieses Werk ist zwar erst um das Jahr 90 n. Chr. entstanden, doch stellt es als einziges uns zur Verfügung stehendes Werk einen erzählerischen Zusammenhang zwischen dem Wirken Jesu und der СКАЧАТЬ