Blutgeschwister. Thomas Matiszik
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Название: Blutgeschwister

Автор: Thomas Matiszik

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Kommissar Modrich

isbn: 9783942672580

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СКАЧАТЬ Lady hier weiter vernehmen und ihre persönlichen Daten aufnehmen.“ „Das habe ich auch so verstanden, Kruschek. Einigen wir uns aber darauf, dass die ‚Lady‘ unsere wichtigste Zeugin ist und ich mir wünschen würde, dass Sie die Dame auch entsprechend behandeln. Ist das klar?“ Peer liebte Guddi in solchen Momenten und versuchte zu lächeln, wobei ihm Blut aus dem Mund rann. Es war wie in einem Horrorfilm. Er hatte keine Kontrolle mehr über seinen Unterkiefer. Dieser wackelte hin und her, war monströs geschwollen und entstellte Peers Gesicht aufs Übelste. „Wow“, war dann auch der erste Kommentar des Sanitäters, als Peer langsam die Hände senkte. „Das sieht mir nach einem sauberen Bruch aus. Würde vorschlagen, wir bringen Sie direkt ins Krankenhaus. Damit ist nicht zu spaßen. Am besten fahren Sie mit der Zeugin, der KTW ist bereits auf dem Weg.“ Peer schüttelte widerwillig den Kopf. „Isnichsoschimm“ entfleuchte ihm, was Guddi mit einem Schmunzeln kommentierte. „Bringen Sie ihn bitte nach vorne“, sagte sie zum Sanitäter, „ich fürchte, wir können die Vernehmung besser ohne ihn fortsetzen. Wir sorgen dann dafür, dass die Zeugin später ins Krankenhaus gebracht wird. Ich nehme an, Sie bringen meinen Kollegen ins Prosperhospital?“ „Ja, Unfallchirurgie, um es ganz genau zu sagen. Bitte warten Sie nicht allzu lange. Ich habe die Wunde zwar desinfiziert, aber bei der Größe des Cuts muss man vorsichtig sein. Eventuell hat sie auch eine Gehirnerschütterung davongetragen. Bitte lassen Sie die Vernehmung also nicht länger als eine halbe Stunde dauern.“ Guddi nickte und klopfte ihrem geschundenen Kollegen zum Abschied jovial auf die Schulter. „Bis gleich, Peer. Halt die Ohren steif. Und denk dran: Nicht so viel reden – ist ’n bisschen ekelig, was da grad so alles aus deinem Mund herausläuft!“

      8

      Kruschek hatte Guddi einen Kaffee gebracht. Es würde eine lange Nacht werden, darüber waren sie sich, ohne viele Worte zu verlieren, einig. Die Zeugin schwieg immer noch beharrlich. Fast eine Stunde war vergangen, seitdem die Sanitäter Peer mit seinem lädierten Kiefer weggebracht hatten. Seither schien es so, als sei die Zeugin in eine Art Trance gefallen. Fast regungslos saß sie auf dem Plastikstuhl im Büro des Pförtners, wiegte ihren Kopf kontinuierlich hin und her und starrte mit offenem Mund den Linoleumboden an. Die Neonröhren an der Decke des Büros summten monoton. Guddi nahm an, dass der Zusammenprall mit Peers Eisenschädel die Zeugin benommen gemacht hatte und es eine Weile dauern würde, bis sie mit der Vernehmung würde fortfahren können. Nun aber verlor sie langsam die Geduld. Sie hatte ihr etwas zu trinken, einen Müsliriegel und ein Kühlpäckchen gebracht, nichts davon hatte sie angerührt. Guddi hatte leise und bedächtig auf sie eingeredet. Sie solle sich erst einmal entspannen, die Schwellung am Kopf mit Eis kühlen und ihr dann signalisieren, wenn Guddi mit der Befragung fortfahren könnte. Nichts. Keine Reaktion. Zumindest ihre Identität konnte Kruschek klären. Die Dame hieß Stefanie Mellinger, war 28 Jahre alt und seit drei Jahren in Wuppertal-Oberbarmen gemeldet. Keinerlei Einträge im zentralen Polizeiregister. Es war nicht gerade viel, was sie über die vermeintlich wichtigste Zeugin in diesem spektakulären Mordfall wussten, aber Guddi war nach wie vor guter Dinge, etwas aus der Frau herauszuholen.

      „Stefanie Mellinger … das ist doch Ihr Name, oder?“ Guddi hockte sich vor die Zeugin und versuchte, ihren leeren Blick einzufangen. Einen Wimpernschlag lang hatte sie das Gefühl, dass Mellinger ihren Blick erwiderte, doch dann verlor sie sich wieder im Linoleumboden des Pförtnerbüros. Guddi seufzte und nahm einen tiefen Schluck aus dem Kaffeebecher. Die Plörre schmeckte schlimmer als das, was man ihnen seit Jahren auf dem Revier zumutete. Vor knapp zwei Wochen erst hatte Heppner dem Antrag des gesamten Reviers endlich stattgegeben, einen Kaffeevollautomaten zu besorgen, es konnte also nur noch ein paar Tage dauern, bis sie und Modrich endlich etwas während der Arbeit trinken konnten, das den Begriff „Kaffee“ wirklich verdient hatte. Gut, bei Modrich würde das jetzt noch etwas dauern, und Kaffee aus einer Schnabeltasse war dann vermutlich doch nicht das, was er sich unter einem gelungenen Start in den Arbeitstag vorstellte.

      Sie ertappte sich dabei, zu lächeln, als die Zeugin leise vor sich hin summte: „He came into my life, when darkness was surrounding me. He brought me back to life, the day he left will never be forgotten … never be forgotten!“ ,Was zum Teufel‘ – diese drei Worte standen Kruschek auf die Stirn geschrieben. „Jetzt ist sie völlig durchgeknallt“, bemerkte er, doch Guddi hielt den Zeigefinger an ihre Lippen und bedeutete ihm zu schweigen. „We were children of the night, building bridges of love and hate, we were children of the night, building castles full of fate“. Gerade als Kruschek wieder ansetzen wollte, frohlockte Guddi: „Das sind Textzeilen aus Children of the night, eine der ersten Singles von Joe Sanderson. Das war nicht ihr erfolgreichster Song, aber eigentlich der einzige, den die Musikpresse unisono und über den grünen Klee hinweg lobte. Viele ahnten damals schon, dass der Song nicht aus Joes Feder stammen konnte … na ja, und wenige Monate später kam heraus, dass Joe einen alten, unveröffentlichten Song von Crusade zu ihrem eigenen gemacht hatte. Ein bisschen daran herumproduziert, ein paar Zeilen umgeschrieben und zack: Fertig war der nächste Hit. Joe Sanderson war wohl kurz nach dem Selbstmord von Daniel LaBoitte noch mal in dessen Penthouse in der Kensington High Street in London gewesen und hatte dort eine ganze Reihe unbekannter Songs und Songfragmente gefunden und an sich genommen. Tja, das war der Moment, als Joe Sanderson ihren guten Ruf als Künstlerin vollends zerstörte und von der Musikpresse fortan nur noch verrissen wurde. Die Fans aber …“

      „Die Fans liebten sie, nicht wahr?“ Na bitte, wer sagt’s denn? Stefanie Mellinger taute weiter auf. Kruschek hatte mittlerweile mehr Fragezeichen über dem Kopf als Haare auf demselben, aber Guddi setzte ihren Weg zum Innern des Fankerns unbeirrt fort. „Genauso war es, Frau Mellinger. Oder darf ich Stefanie zu Ihnen sagen?“ Guddi reichte der Zeugin die Hand. „Mein Name ist Gudrun Faltermeyer, aber alle, die mich kennen, nennen mich Guddi. Das dürfen Sie natürlich auch. Wissen Sie, auch ich bin ein großer Fan von Joe Sanderson. Ich möchte genau wie Sie herausfinden, wer Joe Sanderson umgebracht hat. Und Sie sind im Moment der einzige Mensch, der uns dabei helfen kann. Sie haben den Täter gesehen, richtig? Richtig?“

      Stille. Stefanie Mellingers Geist schien abermals den Raum verlassen zu haben. Ihr Körper begann hin- und herzuwiegen, der Blick war wieder starr und ausdruckslos geworden. Guddi stand verzweifelt auf, atmete tief durch und gab Kruschek mittels einer eindeutigen Geste zu verstehen, dass sie mal zur Toilette musste. Als Guddi im Türrahmen des Pförtnerbüros stand und die Tür dabei war, hinter ihr zuzufallen, durchbrach ein hoher markerschütternder Schrei die Stille. Guddi kehrte auf dem Absatz um und ins Büro des Pförtners zurück, wo Kruschek über der Zeugin stand, die auf dem Boden lag und wie besessen um sich trat. Der Schrei hatte den gesamten Korridor der Backstage-Area durchflutet, und kurze Zeit später standen mehrere Mitarbeiter der Halle vor dem Pförtnerbüro und wollten wissen, was die zwei Polizisten mit der Zeugin anstellten. Die beiden Beamten, die Guddi zu ihrer Sicherheit auf dem Flur platziert hatte, schafften es mit letzter Kraft, die neugierigen Gaffer zurückzuschicken. „Kruschek, was ist passiert? Was haben Sie mit ihr gemacht?“ „Ich? Gar nichts. Aber als Sie gerade das Büro verließen, sagte die Dame hier so etwas wie ‚Heil dem Erlöser‘ und fing dann an zu schreien, als ziehe man ihr die Fingernägel einzeln heraus. Wenn Sie mich fragen, gehört die Dame in die Klapse.“ „Hat sie das wirklich so gesagt? Sind Sie da ganz sicher? Was zum Geier soll das bedeuten? Oder haben wir es hier mit einer fanatischen Spinnerin zu tun?“

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      „Da hat aber einer den Mund besonders voll genommen, was?“ Der Arzt, der Peer untersuchte, war nicht älter als Ende zwanzig, hatte den Namen irgendeiner Olivia auf seinen Unterarm tätowiert und roch aus dem Mund nach Salmiak. Während sich Modrich noch fragte, warum Dr. Jens Oemmler das gesagt hatte und wieso es ihm immer noch eimerweise aus dem Mund tropfte, hatte der Doc sich hinter ihm aufgebaut und seine Daumen auf die Kauflächen seines Unterkiefers gelegt. Dann ging alles sehr schnell: ein kurzer Ruck, ein trockenes Knacken, ein stechender Schmerz, der sich Gott sei Dank in Luft auflöste, bevor er unerträglich wurde. Dr. Oemmler stellte sich nun vor Peer und richtete den Kiefer zurecht, bis alles ineinander passte. „So, jetzt müsste es wieder stimmen. Versuchen СКАЧАТЬ