Название: Die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches
Автор: Gerhard Hartmann
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: marixwissen
isbn: 9783843802413
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Relativ bald nach dem Tode Ks. Karls begann seine Heroisierung. Nach 70 Jahren erhielt er den Beinamen Magnus, »der Große«. Die Biographie Einhards sorgte dafür, dass das Bild Karls, so wie er es sah, der Nachwelt überliefert wurde. Deutschland und Frankreich (charlemagne) berufen sich auf ihn als »Ur-Monarchen«. Die jeweilige Kaiser- bzw. Königszählung beginnt mit Ks. Karl I. dem Großen, sie endet in Deutschland mit dem Wittelsbacher Ks. Karl VII. (siehe S. 163) und in Frankreich mit dem Bourbonen Kg. Karl X. (1757–1836).
Im Jahr 1165 wurde Karl der Große von Gegenpapst Paschalis III. auf Ersuchen Ks. Friedrichs I. Barbarossa (siehe S. 81) heilig gesprochen. Diese Kanonisation ist kirchenrechtlich nicht als vollgültig anzusehen, so dass seine Verehrung bzw. sein Kult auf den Aachener Raum beschränkt bleibt.
Einer Sage zufolge soll Karl der Große im Untersberg, zwischen Salzburg und Berchtesgaden, auf die Auferstehung warten. Alle hundert Jahre soll er aufwachen, und wenn er sieht, dass noch immer die Raben um den Berg fliegen, dann schläft er ein weiteres Jahrhundert. Eine ähnliche Sage gibt es auch für Kaiser Friedrich I. Barbarossa (siehe S. 83).
Während in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts Karl in Deutschland als »undeutscher« Herrscher abgewertet wurde, erlebte er nach 1945 eine idealisierte Renaissance im Zuge der Gründung der EWG 1957. In der Tat machte die damalige Sechsergemeinschaft (Frankreich, Deutschland, Italien, Beneluxstaaten) einen Gebietsumfang aus, der dem Reich Karls des Großen nicht unähnlich war. Auch wenn es historisch-kritisch sehr schwer ist, Karl für die europäische Integration als Vorbild zu instrumentalisieren, so ist dieser historische Rückgriff für die europäische Identitätsfindung doch durchaus von symbolischem Wert.
KAISER LUDWIG I. DER FROMME
(814–840)
Ks. Ludwig I. der Fromme (Hludowicus Pius; in Frankreich Louis le Débonnaire, der Gutmütige, genannt) wurde am 16. 4. 778 in Chasseneuil bei Poitiers (Aquitanien) geboren. Seine Eltern waren Ks. Karl der Große und Hildegard (siehe oben). Er war zweimal verheiratet: ab 794 mit ERMENGARD († 818), einer Tochter des fränkischen Gf. Ingram, und ab 819 mit JUDITH († 843), einer Tochter des schwäbischen Gf. Wulf. Er hatte neun Kinder, darunter Ks. LOTHAR I. (siehe unten), Kg. PIPPIN (um 797–838), Kg. LUDWIG DEN DEUTSCHEN (siehe unten) und Ks. KARL II. DEN KAHLEN (siehe unten).
Kurz vor Karls des Großen Tod wurde Ludwig als fränkischer Alleinherrscher durch die Kaiserkrönung legitimiert. Ludwig war von einem etwas anderen Charakter als sein Vater. So war er von persönlicher Frömmigkeit geprägt, was sich auf seine Stellung gegenüber der Kirche auswirkte und zu seinem Beinamen »der Fromme« (Pius) führte.
Die Regierung Ludwigs war von innerer Konsolidierung gekennzeichnet und nicht von einer weiteren Ausdehnung des Reiches, das vorläufig an seine Grenzen gestoßen war. Dort kam es anfänglich auch zu Kriegen gegen die Dänen, die Sorben und die Basken. 817/818 begann die normannische Bedrohung. Die »Nordmänner« fuhren mit den Schiffen plündernd die Loire und die Elbe aufwärts und wurden im Verlauf des 9. Jh. die gefährlichsten Gegner des Frankenreiches. Im Süden bedrängten wiederum die Sarazenen die Spanische Mark, die sie zurückerobern wollten.
Im Innern entfaltete Ks. Ludwig in den ersten Jahren seiner Regierung intensive Tätigkeiten, um das von Benedikt von Aniane (vor 750–821) und Helisachar († 820) formulierte Regierungsprogramm einer »Erneuerung des Frankenreichs« (Renovatio regni Francorum) umzusetzen. Die Verwaltung wurde verbessert (Intensivierung der Grafschaftsverfassung und der »Königsboten« – missi dominici). Benedikt von Aniane initiierte auch die beiden Reichssynoden 816 und 817 in Aachen, in denen das Klosterleben reformiert wurde. 817 wurde dabei auch die Nachfolge geregelt (Ordinatio imperii). Danach sollte Ludwigs ältester Sohn Lothar die Gesamtnachfolge antreten, dessen jüngere Brüder aber nur abhängige Teilherrschaften bekommen. Weil er in dieser Thronfolge nicht berücksichtigt wurde, rebellierte Bernhard (797–818), Kg. von Italien, Sohn von Ludwigs Bruder Karlmann. Dieser Aufstand wurde niedergeschlagen, und Bernhard wurde geblendet und starb an den Folgen der Verletzung.
Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Ludwig 819 die Welfin Judith, die einen Sohn gebar, den späteren Ks. Karl den Kahlen. Judith setzte nun alles daran, diesen in die Nachfolgeordnung Ludwigs einzubinden. Im Klartext bedeutete dies die Umstoßung der Thronfolgeregelung von 817. In diesem zeitlichen Umfeld und Zusammenhang gab es auch Revirements am Hof sowie andere Ereignisse, die 830 zu einer Revolte führten. Deren Drahtzieher nahmen auch zu den älteren Söhnen des Kaisers, Lothar und Pippin, Kontakt auf. Diese Revolte endete zwar unblutig, doch war damit die Krise noch nicht überwunden. Im Jahr 833 kam es wiederum zu Aufstandsbewegungen, in deren Verlauf Ks. Ludwig gefangen und abgesetzt wurde. Seine Anhänger widersetzten sich dem, so dass es 835 zu einer Wiedereinsetzung Ludwigs kam.
Nachdem Pippin, der zweitälteste Sohn Ludwigs, Ende 838 gestorben war, kam es 839 durch eine Initiative Judiths auf dem Reichstag zu Worms zur Versöhnung zwischen Ks. Ludwig und seinem ältesten Sohn Lothar. Die Folge davon war, dass das Reich zwischen diesem und Karl, dem Sohn Ks. Ludwigs aus der Ehe mit Judith, aufgeteilt wurde. Die Maas sollte die Grenze zwischen den Reichen Lothars und Karls bilden, und der dritte Bruder, Ludwig der Deutsche, sollte auf sein Unterkönigtum Bayern beschränkt bleiben.
In der Regierungszeit Ludwigs des Frommen wurde der Ausbau der kirchlichen Organisation fortgeführt. Im Jahr 815 wurde das Bistum Hildesheim gegründet, im folgenden Jahr das Bistum Verden (in der Reformation untergegangen) und im Jahr 831 das Erzbistum Hamburg errichtet (in der Reformation untergegangen, wiederbegründet 1995).
Als Ludwig starb, ging die Einheit des Frankenreichs zu Ende, daher ist die Periode der nun folgenden 60 Jahre nicht leicht zu strukturieren. Ab 887 entwickelten sich in der Folge endgültig aus dem Westfrankenreich Frankreich und aus dem Ostfrankenreich das spätere Heilige Römische Reich. Damit verbunden war auch die Herausbildung der Sprachgrenze zwischen Französisch und (Althoch-)Deutsch, die um die Jahrtausendwende abgeschlossen war.
Beschränkt man sich bei der folgenden Herrscherdarstellung nur auf die Träger der Kaiserkrone, wird man diese Zeitepoche nie gänzlich behandeln können, weil es keine klare Abfolge von Kaisern gegeben hat. Beschränkt man sich aber nur auf die Herrscher des Ostfrankenreiches, dann hat man zwar dort eine solche ununterbrochene Reihenfolge, aber nicht alle Amtsinhaber waren auch Kaiser.
In der folgenden Darstellung bis 911 werden die Repräsentanten der kaiserlichen Linie mit denen der königlichen Ostfränkischen Linie in zeitlicher Abfolge gemischt behandelt.
KAISER LOTHAR I.
(840–855)
Ks. Lothar I. wurde 795 geboren (Datum und Ort unbekannt). Seine Eltern waren Ks. Ludwig der Fromme und Ermengard (siehe oben). Er ehelichte 821 ERMENGARD († 851), eine Tochter des Gf. Hugo von Tours. Er hatte neun Kinder, darunter Ks. LUDWIG II. (siehe unten), Kg. LOTHAR II. (siehe unten) und Kg. KARL von Burgund (845–863).
Nach dem Tod Ks. Ludwigs I. beanspruchte Lothar I. seine vollen Rechte СКАЧАТЬ