Название: Virginia und der ehescheue Graf
Автор: Barbara Cartland
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Die zeitlose Romansammlung von Barbara Cartland
isbn: 9781788674683
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»Du hast ja recht, Osric«, gab Lord Yaxley widerwillig zu. »In der vergangenen Woche bin ich auf dem diesjährigen Debütantinnenball gewesen. Ich mußte mich da sehen lassen, weil eine meiner Nichten daran teilnahm. Noch nie im Leben habe ich etwas so Trauriges gesehen.«
»Na schön, damit hast du auch die Antwort auf deinen Vorschlag.«
»Eine Debütantin wäre ohnehin zu jung für dich«, meinte Lord Yaxley. »Wir werden beide im nächsten Jahr dreißig.«
»Und was ist die Alternative nach deiner Meinung?« fragte der Earl.
»Die Alternative? Ich denke da an eine charmante, attraktive und zugleich intelligente junge Witwe«, erklärte Lord Yaxley.
»Aha! Und damit wären wir dann wieder bei Genevieve angelangt.«
Zwischen den beiden Männern breitete sich ein längeres Schweigen aus. Jeder von ihnen dachte an die verführerische, temperamentvolle und manchmal recht strapaziöse Lady Genevieve Rodney.
Vor zwei Jahren war sie Witwe geworden. Kaum war die Trauerzeit verstrichen, hatte sie die feine Gesellschaft Londons durch ihre unbekümmerte Art, sich über die herrschenden Konventionen hinwegzusetzen, regelrecht vor den Kopf gestoßen.
Die Gentlemen allerdings sahen das anders. Sie waren samt und sonders von der reizvollen, lebenshungrigen Witwe hingerissen. Und Genevieves kleines Haus in Mayfair wurde Tag und Nacht von zahllosen Verehrern belagert.
Daß sie ein Auge auf den Earl of Helstone geworfen hatte und fest entschlossen war, sich ihn zu angeln, überraschte niemanden.
Der Earl war nicht nur einer der reichsten, sondern nach Ansicht vieler Frauen auch der bestaussehende Mann in ganz England.
Dennoch hieß er bei seinen Freunden und Bekannten der ehescheue Graf. Und dieses Prädikat trug er nicht zu Unrecht.
Seit Beendigung seiner Studien war er sowohl von ehrgeizigen Müttern als auch deren heiratsfähigen Töchtern regelrecht verfolgt worden. Es gab überhaupt erstaunlich viele Frauen, die von seinem markanten, männlich-schönen Gesicht genauso magisch angezogen wurden wie von seiner stets prall gefüllten Brieftasche.
Aber alle Bemühungen, ihn in das Netz der Ehe zu locken, waren bisher an seinem hartnäckigen Widerstand gescheitert.
Allerdings hatte seine Skepsis gegenüber einer Ehe ihn nicht davon abgehalten, Lady Genevieve - die schönste Frau bei Hof - ihren Verehrern und Liebhabern vor der Nase wegzuschnappen. Das bereitete ihm Vergnügen.
Lady Genevieve hatte kein Geheimnis daraus gemacht, daß er nicht der erste Mann war, der ihr Herz eroberte. Und er war auch nicht der erste Liebhaber, dem sie nach dem Tode des Gatten ihre Gunst schenkte.
Doch während der Monate, die sie miteinander verbrachten, gab sie ihm sehr deutlich zu verstehen, daß sie nichts dagegen hätte, wenn er der Letzte wäre.
Lady Genevieves Herz war ein rätselhaftes Ding, und der Earl hatte zumindest starke Zweifel, ob ihre Liebesbekundungen wirklich einer tiefen inneren Empfindung entsprangen. Jedenfalls gab es genügend Anzeichen dafür, daß Genevieve echte Zuneigung mit dem Bedürfnis nach größtmöglicher materieller Sicherheit und nach einer gesellschaftlichen Stellung verwechselte, die außerhalb des Königshauses ihresgleichen suchte.
Die Helstones hatten tatsächlich königliches Blut in den Adern.
Und es war bekannt, daß ihr Stammbaum mit seinen unzähligen Verästelungen selbst den Experten der Wappenkunde Kopfzerbrechen bereitete.
Doch abgesehen davon hatte der Earl sich aufgrund eigener Verdienste eine so wichtige Position im Oberhaus erworben, daß er als eine der einflußreichsten Persönlichkeiten in England galt, als ein Mann, mit dem man rechnen mußte und dessen Meinung sogar der Premier nicht unbeachtet ließ.
Außerdem gab es niemanden im ganzen Land, der es wagen konnte, die führende Rolle des Earl im Reitsport zu bestreiten.
Er verfügte über die größte Vollblutzucht der Insel. Und um das eigene Gestüt mit frischem Blut zu versehen, hatte er wie die alten Züchter echte Araberhengste importiert.
So war Delos, der Gewinner des Rennens von Newmarket Heath, ein direkter Abkömmling des berühmten Eclipse, des Vaters vieler bekannter Rennpferde, von dessen legendären Erfolgen man in Reitsportkreisen nur mit angehaltenem Atem sprach.
Eclipse - oder Sonnenfinsternis - erhielt seinen Namen von der großen Sonnenfinsternis, die 1764, dem Jahr seiner Geburt, die Menschen in Aufregung versetzte. Sein Züchter war William, Duke von Cumberland, der im Jahr danach das Zeitliche segnete.
Nach dem Tode des Duke wurde das Tier für fünfundsiebzig Guineas an Mr. William Wildeman verkauft.
Seinen ersten Auftritt auf dem Rennplatz hatte Eclipse im Jahr 1769 beim Noblemen and Gentlemen's Plate in Epsom. Er gab dort eine atemberaubende Vorstellung, und von diesem Augenblick an war es jedem Kenner klar: Hier hatte man es mit einem Tier zu tun, dessen phänomenale Vorzüge in der Geschichte des Rennsports einmalig waren.
Wenn der Earl von Helstone an Delos oder die anderen Pferde aus seinem Gestüt dachte, hatte er das Gefühl, wenigstens eines davon würde es seinem weltberühmten Urahn einmal gleichtun.
Wirklich sicher konnte man allerdings erst sein, wenn das Tier bei einer Anzahl großer Rennen einen Sieg nach dem anderen geholt hätte.
»Vielleicht gibt es für einen Mann kein höheres Ziel und keine größere Genugtuung im Leben, als ein Pferd wie Eclipse oder eins, das ihm ähnlich ist, zu besitzen«, sagte Lord Helstone jetzt mit halblauter Stimme.
Er blickte zu dem Gemälde über dem Kamin auf. Es war ein Bild von Eclipse, das der berühmte Pferdeporträtist George Stubbs gemalt hatte.
Das Fell des Hengstes war von einem dunklen Kastanienbraun. Auf der Stirn hatte er eine Blesse, und auch die Strümpfe der beiden Hinterhände waren leuchtend weiß. Gemessen am Standard seiner Zeit war es ein ungewöhnlich stattliches Tier, dessen Schulterhöhe 10 Handbreit und 3 Inches betrug.
Der Abstand von der Hüfte zum Sprunggelenk war auffallend groß, die Vorhand gedrungen und kraftvoll, der Widerrist vollendet ausgebildet.
Diesen Eigenschaften verdankte er die gewaltige Schnellkraft, die ihm, gepaart mit einem wilden, aggressiven Temperament, seinen ruhmvollen Platz in den Annalen des Pferderennsports eintrugen.
Lord Yaxley folgte dem Blick seines Freundes. »Ich muß zugeben«, sagte er, »Delos hat heute einen sensationellen Endspurt hingelegt. Glaubst du, er kann das Derby gewinnen?«
»Ich weiß nicht einmal, ob ich ihn überhaupt daran teilnehmen lasse«, erwiderte der Earl.
«Es wird dir gar nichts anderes übrig bleiben«, sagte Lord Yaxley.
»Du kannst sicher sein, daß ich in dieser Frage einzig und allein meinem eigenen СКАЧАТЬ