Название: Fettnäpfchenführer Weihnachten
Автор: Nadine Luck
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Fettnäpfchenführer
isbn: 9783958893221
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»Was ist los?«, fragt sie.
Jürgen antwortet mit einer Gegenfrage. »Hast du schon mal aufs Konto geschaut?«
»Klar«, sagt Annette. »Dein Gehalt ist da. Prima, oder?«
»Ich bin davon ausgegangen, dass ich auch in der neuen Firma Weihnachtsgeld kriege«, sagt Jürgen. »Das bisschen Geld extra – das hätten wir jetzt gut brauchen können …«
»Aber wieso bist du davon ausgegangen?«, fragt Annette. »Steht doch nichts im Vertrag davon. Dafür verdienst du doch jetzt jeden Monat mehr als zuvor …«
»Bin ich einfach«, sagt Jürgen. »Die Firma steht bestens da, Weihnachtsgeld ist in der Branche absolut üblich. Als ich heute die Abrechnung gekriegt habe, bin ich gleich zum Chef gestiefelt. Ob er da nicht was vergessen hätte bei der Abrechnung, hab ich ihn gefragt.«
»Ehrlich, ich hab das überhaupt nicht erwartet«, sagt Annette.
»Annette, es war so peinlich. ›Nein, das ist kein Fehler, Herr Hollerbach. Tut mir leid, diese Tradition verfolgen wir nicht in der Firma‹, hat er nur gesagt. Als ich es Norbert von der IT erzählt habe, weil ich wissen wollte, ob er Weihnachtsgeld bekommen hat, hat er nur gelacht. ›Ne, ne, Spendierhosen hat der Chef nicht an. Er ist ja nicht der Weihnachtsmann.‹« Norbert aber sei nicht im Unreinen damit: Sie werden auch jeden Monat übertariflich bezahlt, habe er gesagt. Das gleiche sich schon aus.
Gurian schaltet sich ein. »Falls es dich tröstet: In der Zukunft kriegt kein einziger Mensch Weihnachtsgeld«, sagt er. »Da ist immer besser dran, wer ein höheres Monatsgehalt hat.«
Jürgen ärgert sich dennoch. Er hat sich blamiert und nach etwas gefragt, was ihm qua Vertrag nicht zusteht. Er hätte spätestens im Vorstellungsgespräch danach fragen und nicht naiv hoffen sollen, dass ihn der Chef in Form des Weihnachtsmanns aufsucht und einen Sack voller Geld auf seinem Schreibtisch entleert. Er war blind davon ausgegangen, dass er es schon kriegt, wie zuvor in der alten Firma, wie allgemein in der Branche. Wie unprofessionell von ihm. Und enttäuscht ist er auch. Dieser Bonus hatte ihm jedes Jahr Freude bereitet. In der vorherigen Firma hatte er die Überweisung immer zum Anlass genommen, sich zeitnah mit Annette zusammenzusetzen und den Urlaub fürs nächste Jahr zu buchen. Na, das werden sie dennoch machen.
O du Peinliche
Umfragen der vergangenen Jahre zufolge kriegt gut die Hälfte der Angestellten in Deutschland Weihnachtsgeld. Ob im konkreten Fall die Reinigungskraft, der Bankangestellte, der Marketingleiter oder Jürgen einen Anspruch darauf haben – das hängt von vertraglichen oder tariflichen Regelungen oder der Spendierlaune der jeweiligen Chefs ab.
Grundsätzlich dürfen sich all jene Angestellten auf die betriebliche Bescherung freuen, für die ein Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder ein Arbeitsvertrag mit der Klausel gilt, dass es Weihnachtsgeld gibt. Wie hoch dieses ausfällt, dürfte dort ebenfalls festgelegt sein. Meist handelt es sich beim weihnachtlichen Geschenkesegen um einen festen Prozentsatz des Monatseinkommens. Beschäftigte im Bankgewerbe, in der Chemie-, Druck-, Süßwaren- und Textilindustrie bekommen Statistiken zufolge in der Regel mit dem Novembergehalt oft 100 Prozent des Monatslohns überwiesen. Es gibt auch Branchen, in denen nur 10 Prozent des Bruttomonatsverdiensts ausgezahlt werden – das kann etwa im Kfz-Gewerbe der Fall sein. Besser als nichts ist das auch.
Wer die Sonderzahlung nicht qua Vertrag zugesichert bekommt, muss Glück mit seinem Chef haben. Manchmal entpuppt sich dieser unvorhergesehen als Weihnachtsengel und bedenkt seine Mitarbeiter mit einer hübschen Überweisung. Tut er dies alle Jahre wieder, entwickelt sich aus seiner zunächst freiwilligen Gabe ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers. Diese Regelung heißt »betriebliche Übung«. Sie tritt in Kraft, wenn der Arbeitgeber drei Jahre in Folge Weihnachtsgeld spendiert hat, ohne schriftlich darauf hinzuweisen, dass es sich jeweils um eine einmalige Zahlung handelt. Dies kann heikel für den Arbeitgeber sein, denn er darf dann im vierten Jahr nicht mit dem Geldüberweisen aufhören, auch nicht mit der Begründung, die Firma stehe wirtschaftlich schlechter da als in den Vorjahren.
Übrigens: Der Chef darf nicht nur eine Gruppe von Mitarbeitern mit Weihnachtsgeld bedenken. Es gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz, keiner darf leer ausgehen, sofern auch nur ein Kollege die Finanzspritze bekommt. Allerdings hat dieser Grundsatz Grenzen, denn die Höhe des Weihnachtsgeldes kann der Arbeitgeber an bestimmten Kriterien festmachen und die Mitarbeiter unterschiedlich bescheren. So kann er etwa durch eine höhere Zahlung besonders lange Betriebszugehörigkeit oder das Erreichen von Zielen belohnen. Vielleicht greift er auch dem vierfachen Familienvater großzügiger unter die Arme. Oft dürften die Kriterien für finanzielle Extras im Arbeitsvertrag festgelegt sein. Statt Weihnachtsgeld gibt es in vielen Firmen auch Prämien, deren Höhe sich am Geschäftsergebnis oder am Erreichen individuell festgelegter Ziele orientiert. Manche Unternehmen raten ihren Mitarbeitern auch, sich aus steuerlichen Gründen die Jahresprämie über zwölf Monate verteilt mit dem Gehalt auszahlen zu lassen.
Fehlt einem Mitarbeiter allerdings die tarifliche oder vertragliche Vereinbarung, fehlt die betriebliche Übung oder die Ungleichbehandlung, dann fehlt es ihm auch an Argumenten für den Bezug von Weihnachtsgeld.
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