Fettnäpfchenführer Weihnachten. Nadine Luck
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Название: Fettnäpfchenführer Weihnachten

Автор: Nadine Luck

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Fettnäpfchenführer

isbn: 9783958893221

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СКАЧАТЬ als Ganzjahresgebäck kennen, das vornehmlich in Klöstern zubereitet wurde. Das lag daran, dass sich Mönche eher als Privathaushalte die teuren Zutaten leisten konnten. Zwischen 1618 und 1648 wurden diese allerdings zur Mangelware. Das geliebte Gebäck hielt man daher für die kalte Jahreszeit vor, in der es keine frischen Früchte mehr gab – und für besondere Anlässe. Um die Not der Hungernden etwas zu lindern, gaben ihnen die Mönche in schlimmen Zeiten von den süßen und energiespendenden Lebkuchen ab. Aus den Klöstern stammt übrigens auch die Lebkuchenvariante, bei der der Teig auf Oblaten platziert und gebacken wird. Darauf hält er besonders gut, und der Lebkuchen trocknet mit einer Oblate als Unterlage weniger schnell aus.

      Grundsätzlich aber beginnt die Geschichte des Lebkuchens deutlich vor dem 17. Jahrhundert und auch vor dem Mittelalter: Seine Vorläufer wurden bereits in der Antike genossen, was Hinweise aus dem Jahr 350 vor Christus belegen: Damals erfreuten sich die Ägypter bereits an Honigkuchen und legten sie ihren Verstorbenen mit ins Grab. Die Römer kosteten zu ihrer Zeit ein mit Honig bestrichenes panis mellitus.

      In seiner heutigen Form entstand der Lebkuchen um das 12. Jahrhundert herum im belgischen Dinant, von wo aus er seinen Weg nach Aachen fand. In Ulm wurde er als »Pfefferkuchen« erwähnt – 1296. Keine Sorge aber: Aus Pfeffer bestand er deshalb nicht zwingend, denn zu jener Zeit wurden alle fremdländischen Gewürze mit dem Begriff Pfeffer bezeichnet. Der Begriff Lebkuchen hängt indes vermutlich mit dem mittellateinischen Begriff libum – für Fladen – zusammen; möglich ist allerdings auch eine Verwandtschaft zum Begriff Laib, wie in »Brotlaib«.

      Jedenfalls: Immer beliebter wurden Lebkuchen – und zwar vorwiegend an den Knotenpunkten großer Handelsstraßen wie Nürnberg, Augsburg, Ulm oder Köln, da es dort vergleichsweise einfach war, exotische Gewürze für ihre Zubereitung zu bekommen. Vom 19. Jahrhundert an wurden sie schließlich auch auf den immer häufiger werdenden Weihnachtsmärkten verkauft.

      Über die Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg hat sich in der Folge eine immense Vielfalt an Lebkuchen entwickelt, von Aachener Printen hin zu Elisenlebkuchen. Obendrein haben Familien ihre eigenen Rezepte kreiert. Gemeinsam haben die meisten Sorten, dass sie überwiegend aus Weizenmehl bestehen sowie aus Honig als Süßungsmittel. Ein Merkmal ist außerdem, dass Lebkuchen kräftige exotische Gewürze etwa von Anis über Nelken bis Zimt enthalten; gern sind sie außerdem mit Nüssen verfeinert. Wasser, Milch und Fett sind eher nicht drin. Trocken und zuckerreich, wie Lebkuchen sind, sind sie lange haltbar.

      Übrigens: In Osteuropa werden die dortigen Lebkuchen-Varianten das ganze Jahr hindurch im Laden angeboten. Und auch in Deutschland gehören Lebkuchenherzen in jeder Jahreszeit zu Volksfesten dazu – ganz ohne Proteste durch die Fraktion der Weihnachtstraditionalisten.

      Die Evangelische Kirche hat eine Initiative ins Leben gerufen: »Alles hat seine Zeit – Advent ist im Dezember«, mit der sie dazu einlädt, die Gedenk- und Feiertage in November und Dezember neu zu entdecken. Es tue gut, mit Rhythmen zu leben, die das Jahr gliedern: Dann hätten die Menschen Zeit, aufzuatmen, innezuhalten und zu entspannen. Diese Gliederung sei wiederum seit Jahrhunderten für viele von der christlichen Tradition geprägt.

      Zugestehen muss man Lambertz, Rewe und Real, dass sie freilich nicht für die Werteerziehung und Traditionsbewahrung in unserer Gesellschaft zuständig sind, es handelt sich bei ihnen ja nicht um kirchliche Kindergärten. Natürlich haben sie das Recht, schlichtweg ans Geschäft zu denken. Der Edeka um die Ecke darf die umstrittenen September-Frucht Lebkuchen genauso anbieten wie überteuerte Kinderzeitschriften mit verkaufsförderndem Plastikspielzeug oder cholesterinerhöhenden Eierlikör für die frustrierte Hausfrau. Die Gebäckhersteller bauen denen, die durch die verfrühte Nascherei ein schlechtes Gewissen haben könnten, dennoch eine Brücke: Sie zeichnen Lebkuchen und Spekulatius, die sie vor der Zeit verkaufen, oft als Herbstgebäck aus, damit sie ja nicht mit Weihnachtsartikeln verwechselt werden. Genauso verkaufen sie das ganze Jahr über Ostereier als »Partyeier«.

      Doch auch wenn sie in vielen Fällen als Herbstware deklariert sind, taugen weder Lebkuchen noch Adventskalender deutlich vor dem Advent als Geschenk an traditionsbewusste Familien. Wer tatsächlich schon im September mit dem Naschen beginnt und erst nach Weihnachten wieder damit aufhört, wird es ohnehin spätestens zur Bikini- und Badehosensaison bereuen, wann auch immer diese beginnt.

      Früher war übrigens klar, wann mit der Schlemmerei zur Weihnachtszeit begonnen werden durfte: erst an Weihnachten selbst. Grund hierfür war, dass bis 1917 die Wochen vor dem Fest kirchlich verordnet streng gefastet wurde. Die Fastenzeit hatte nach dem Martinstag, dem 11. November, begonnen. Sie dauerte genau wie die Fastenzeit vor Ostern 40 Tage lang und sollte der Buße und Einkehr dienen. Am Abend vor Beginn dieser entbehrungsreichen Wochen wurde am Martinstag noch einmal ordentlich zugeschlagen – eine Gans kam auf den Tisch.

      Es ist vermutlich eine häufig verbreitete (Zeitungs-)Ente, der Brauch sei aus der Legende heraus entstanden, der zufolge Gänse durch lautes Schnattern das Versteck des heiligen Martin verraten hätten. Dafür, dass er dadurch gefunden und wider Willen zum Bischof geweiht wurde, müssen die Gänse laut dieser Geschichte als köstliche Festtagsbraten büßen. Doch: Die Martinsgans geht wohl eher auf den katholischen Brauch zurück, ein tierisches Festmahl vor der Fastenzeit zuzubereiten.

      Der Zeitpunkt, am 11. November eine Gans zu schlachten, war passend: Das bäuerliche Wirtschaftsjahr ging mit Martini zu Ende, die Ernte war eingeholt, Dienstverhältnisse wurden aufgelöst. Für viele war das ein Grund zu feiern.

      Heiligabend endete die Fastenzeit. Um das zu würdigen, kam wieder eine Gans auf den Tisch. Seit das katholische Kirchenrecht das Adventsfasten nicht mehr einfordert, gibt es zwar im Advent keine Entbehrungen mehr – die Gans wird dennoch weiter verspachtelt. Einige osteuropäische Länder befolgen die Fastenregel übrigens nach wie vor: In Polen, Slowenien und Bulgarien halten sich die Leute im Advent beim Essen vornehm zurück.

      Daran, dass die Zeit vor Weihnachten eigentlich der Buße und der Einkehr dienen soll, erinnern in Deutschland noch die Messgewänder der katholischen Priester im Advent: Deren Farbe ist violett, wie in der Fastenzeit vor Ostern – und das, obwohl die Zeit vor Weihnachten heute von prächtig geschmückten Einkaufsstraßen, Weihnachtsmärkten und opulenten Feiern geprägt ist.

      3

       FEUERALARM AUF DEM ADVENTSKRANZ

       EINE KERZE FÜR JEDEN ADVENTSSONNTAG

      Es ist Freitagnachmittag. Gurian öffnet die Tür, als Annettes Freundinnen Katharina und Denise klingeln. Eine Tüte voller Zweige haben sie dabei, Basteldraht, dicke Kerzen. Gemeinsam mit Annette belagern sie den Küchentisch, binden die Zweige an Kränze aus Stroh und hören Lieder, die von Weihnachten handeln.

      »Gurian, jetzt wird es langsam adventlich hier«, sagt Annette und flucht, als sie sich mit dem Basteldraht in den Finger pikst. »Wenn erst die Kerzen auf dem Adventskranz leuchten, dann haben wird es richtig gemütlich. Wirst sehen!«

      Jede der Damen hat eine Tasse heißen Wein vor sich stehen, den sie »Punsch« nennen. In der Mitte des Tisches steht ein Teller mit Lebkuchen und Keksen, die vor ein paar Tagen noch als tabu galten.

      »Ist schon Advent?«, fragt Gurian mit Blick auf das Gebäck.

      »Nein, nein«, sagt Denise. »Sonst wären wir ja zu spät dran mit unserer Bastelei. Aber Punsch und Vanillekipferl gehören zum Adventskranzbinden einfach dazu. Nimm dir gern eins.« Sie deutet auf einen sichelförmigen Keks.

      Gurian СКАЧАТЬ