Fettnäpfchenführer Weihnachten. Nadine Luck
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Название: Fettnäpfchenführer Weihnachten

Автор: Nadine Luck

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Fettnäpfchenführer

isbn: 9783958893221

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СКАЧАТЬ die Damen die Strohkränze komplett mit grünen Zweigen bedeckt haben, befestigen sie noch Kerzen darauf und dekorieren das Ensemble mit Zapfen, Zimtstangen, Schleifen und Nüssen.

      »Die hab ich auf dem Markt gekauft. Toll, oder?« Annette hat drei lilafarbene Kerzen sowie eine rosafarbene auf ihren Kranz gesteckt.

      »Gab es keine vier Stück von den lilafarbenen?«, fragt ihre Freundin Denise.

      »Klar doch – aber streng genommen sind meine Farben ja wohl die richtigen, nicht wahr?«

      »Lila und Rosarot sollen die richtigen Farben sein? Das wäre mir neu. Bei uns gibt es immer schon die Roten, und das war auch bei meinen Eltern und Großeltern so«, sagt Denise.

      »Jeder, wie er mag«, sagt Annette.

      Während sich die Freundinnen weiter über Kerzenfarben unterhalten, überlegt Gurian, wie sie die Kränze später an den Türen befestigen wollen und ob die Kerzen dann nicht ohnehin auf den Boden fallen. Aber, denkt er sich, die Damen wissen bestimmt, was sie tun.

      Als sich Denise und Katharina verabschieden, erklärt Annette, dass sie noch schnell fürs Abendessen einkaufen muss.

      »Gurian, wenn du mir einen Gefallen tun willst«, sagt sie, »dann kehre doch bitte die Nadeln und Bastelreste weg und stelle den Adventskranz schön auf, damit er schon mal gut zur Geltung kommt, wenn wir später alle zusammen essen.«

      »Äh, wo soll er genau hin?«, fragt Gurian und sieht sich schon den Kranz an die Tür nageln.

      »In die Mitte des Esstischs. Wenn er dann in den Wochen vor Weihnachten für Stimmung und Atmosphäre sorgt, ist es wunderbar festlich hier – du wirst es sehen!«

      Jetzt ist Gurian klar, dass der Kranz nicht an die Tür gehängt wird. Puh, er hätte sich nicht vorstellen können, wie die Kerzen halten sollen.

      Er gibt sich viel Mühe, aufzuräumen und den Tisch zu decken. Er holt lilafarbene Servietten, die zum Kranz passen, und zündet, als er hört, dass die Familie nach Hause kommt, die schönen Kerzen an, damit sich alle darüber freuen und feierlich gestimmt werden.

      Als Annette zur Tür hereinkommt und den erleuchteten Kranz sieht, den sie zuvor mit großer Mühe gebunden hat, fallen ihr vor Schreck beinahe die gerade gekauften Pizzen aus den Händen.

      »Das ist nicht wahr, oder, Gurian?«, fragt sie.

       O du Peinliche

      Es ist immer noch nicht Advent. Und selbst wenn es schon so weit wäre, so lautet eine Regel: »… und wenn die fünfte Kerze brennt, dann hast du Weihnachten verpennt.« Das war jetzt die falsche. Eine weitere, hier passende, lautet: Es gilt, keine Kerze vor dem ersten Advent anzuzünden, denn am ersten Advent wird die erste Kerze entfacht, am zweiten zusätzlich die zweite. Alle vier Kerzen brennen erst ab dem vierten Adventssonntag.

      Das sind vergleichsweise wenige. Im Sinne des Erfinders wäre es, einen Adventskranz mit viel mehr Kerzen zu bestücken – jeder Tag im Advent sollte durch eine eigene symbolisiert werden. Der evangelische Theologe Johann Hinrich Wichern, Leiter des Rauhen Hauses, eines Heims für Straßenkinder in Hamburg, hatte im Jahr 1839 24 Kerzen auf einem großen Wagenrad mit einem Durchmesser von zwei Metern befestigt: 20 kleine rote für die Wochentage und vier große weiße, die die Adventssonntage symbolisieren. Wichern wollte seinen Schützlingen auf diese Weise verdeutlichen, wie lange sie noch bis Weihnachten warten mussten. An jedem Tag zündete er eine weitere Kerze an. Jahre später soll er den Kranz zusätzlich mit grünen Tannenzweigen dekoriert haben: ein Symbol dafür, dass das Leben auch im dunklen Winter weitergeht.

      Gemeindehäuser und Schulen in protestantischen Städten Norddeutschlands taten es Wichern gleich und hängten ebenfalls Lichterkränze auf. Mit den Jahren wollten immer mehr Menschen einen Kranz auch in den eigenen vier Wänden haben. Weil jedoch kaum jemand Platz für ein Wagenrad mit 24 Kerzen in der eigenen Stube hatte, schrumpfte die Größe des Kranzes – und mit ihm die Anzahl der Kerzen, bis es nur noch vier waren, die die Adventssonntage darstellen. Die Katholiken waren vergleichsweise spät dran, den Brauch nachzuahmen: Erstmals soll 1925 ein Kranz in einer katholischen Kirche in Köln aufgehängt worden sein, 1930 in München. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Kränze in allen Haushalten üblich.

      Obwohl viele Menschen glauben, dass die Kerzenfarbe traditionell rot ist, und obwohl inzwischen sowieso jeder seinen Kranz nach Belieben dekoriert, gibt es liturgisch relevante Farben, die einem konservativ gestalteten Adventskranz gut zu Gesicht stünden. Katholische Pfarrer etwa tragen zu bestimmten Zeiten im Kirchenjahr Priesterkleidung in vorgegebenen Farben, die feste Bedeutungen haben. Wer, wie es früher üblich war, auch bei der Adventsdekoration mit den Farben der Liturgie geht, entzündet auf dem Adventskranz drei violette und eine rosafarbene Kerze. Violett ist die Farbe der Buße. Priester tragen sie im Advent, an dem früher, wie berichtet, gefastet wurde; analog dazu sind drei Kerzen am traditionellen Kranz ebenfalls violett. Die rosafarbene Kerze kommt am dritten Advent ins Spiel: dann, wenn das liturgische Priestergewand rosa sein kann, um die Vorfreude auf das Fest zu demonstrieren. Der sogenannte Gaudete-Sonntag (lat. »Freut euch!«-Sonntag) unterbricht den Ernst des Advents als Fastenzeit.

      Auch im protestantischen Norwegen werden die Kerzen in der Regel nach der liturgischen Farbe gewählt – hier sind es vier violette. In Schweden hingegen wird zuerst eine weiße Kerze entzündet, der violette folgen. Im katholischen Teil Irlands, wo Adventskränze in der Regel nur in Kirchen zu bewundern sind, kommen zu den drei violetten Kerzen eine rosafarbene sowie eine weiße dazu. Diese weiße, fünfte Kerze steht in der Mitte des Adventskranzes und darf erst Heiligabend leuchten.

       DER TEUERSTE ADVENTSKRANZ DEUTSCHLANDS

      Der ehemalige Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst wollte schön wohnen – ein bisschen zu schön, wie die meisten finden dürften: Satte 31 Millionen Euro kostete der Bau seines Amtssitzes, geplant waren hierfür ursprünglich 5,5 Millionen Euro. Sonderwünsche ließen die Ausgaben des Geistlichen in die Höhe schnellen. Ein diesbezüglicher Aufreger war der Adventskranz für die Kapelle: Weil Tebartz-van Elst statt eines auf einem geschmiedeten Ständer stehenden einen hängenden Adventskranz haben wollte, musste das soeben fertiggestellte Dach nochmals aufgesägt werden. Nur so konnte ein Seilzug angebracht werden. Statt 10.000 Euro wurden damit 100.000 Euro fällig. Des Bischofs Eskapaden blieben nicht folgenlos: Im Oktober 2013 suspendierte Papst Franziskus Tebartz-van Elst vom Amt.

      Auch die Reihenfolge, in der die Kerzen brennen sollen, ist festgelegt: Es sollen am Adventskranz immer nebeneinanderliegende Kerzen entzündet werden, gegen den Uhrzeigersinn. Wer am zweiten Advent Kerzen entfacht, die einander gegenüberliegen, spielt mit dem Feuer.

      Diese Traditionen geraten jedoch in Vergessenheit. Es gibt kaum mehr Kränze in Violett und Rosa, und auch die Farbe Rot ist rückläufig. Adventskränze entwickelten sich in den vergangenen Jahren vielmehr zu fantasievoll geschmückten Gestecken, bei denen die Kerzen auch mal in den Farben des Regenbogens oder passend zum Wohnzimmerteppich gestaltet sind. Zusätzlich zu den Kerzen gibt es immer experimentellere Deko auf den Kränzen: kleine Weihnachtskugeln, Kunstschnee, Figuren, Erdnüsse, Perlen und Beeren zieren die Adventskränze, die in der Tradition von Wicherns Wagenrad stehen. Ob sie per Hand gebunden werden, wie bei Hollerbachs, oder ob sie für mehr oder weniger Geld im Supermarkt oder beim Floristen gekauft werden – das entscheidet jeder selbst.

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