Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch
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Название: Der Dreißigjährige Krieg

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Sachbücher bei Null Papier

isbn: 9783962818555

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СКАЧАТЬ er aus­gie­bi­ger sein wür­de; an­statt des­sen war von die­sem ei­gen­sin­ni­gen Man­ne noch we­ni­ger her­aus­zu­be­kom­men. Je mehr sich der Kai­ser sei­nem sech­zigs­ten Jah­re nä­her­te, de­sto häu­fi­ger lag ihm die Pro­phe­zei­ung des Ty­cho be­ängs­ti­gend im Sin­ne, und ei­nes Abends ließ er sei­nen Astro­no­men zu sich be­schei­den in der un­be­stimm­ten Hoff­nung, der­sel­be kön­ne sie ent­kräf­ten oder eine tröst­li­che an ihre Stel­le set­zen. Kep­ler, der es nicht ver­tra­gen konn­te, in der Ar­beit ge­stört zu wer­den, war un­ge­hal­ten; er sei nicht des Kai­sers Narr, murr­te er, in­dem er sei­ne Map­pe zu­rück­s­tieß, dass die be­schrie­be­nen Blät­ter im Zim­mer um­her­flo­gen. Da sich sei­ne Frau un­ter Seuf­zen an­schick­te sie auf­zu­le­sen, rief er ihr zu, sie sol­le das las­sen. »Wenn ich mei­nen Brei ver­brannt habe, wer­de ich ihn auch selbst aus­löf­feln«, sag­te er är­ger­lich. Wa­rum er sich be­kla­ge, sag­te jetzt die Frau vor­wurfs­voll, dass der Kai­ser ihn wie einen La­kai­en oder Lauf­bur­schen trak­tie­re? Er hät­te zei­tig vor­bau­en und als ein Mann von Adel, und der auf sei­ne Wür­de hiel­te, auf­tre­ten sol­len. Auch der Ty­cho hät­te ihn, Kep­ler, wie einen Die­ner be­han­delt, und er hät­te sich’s ge­fal­len las­sen, nur zu Hau­se kön­ne er den Part des Lö­wen brül­len.

      Kep­ler ent­schul­dig­te sich, er dür­fe es doch mit dem Kai­ser nicht ver­der­ben, schließ­lich sei es ja das schlimms­te nicht, dass er nachts noch ein­mal auf das Schloss müs­se, so gehe es bei Hofe ein­mal zu. Der Kai­ser habe ihm doch auch Huld und Ver­trau­en er­wie­sen, und er habe Ur­sa­che, ihm dank­bar zu sein. Was näm­lich in Prag für Kep­ler un­schätz­ba­ren Wert hat­te, wa­ren die Beo­b­ach­tun­gen, die Ty­cho de Bra­he in lan­gen Jah­ren über die Bahn des Pla­ne­ten Mars an­ge­stellt hat­te und die er zum Aus­bau sei­nes Sys­tems ge­brauch­te. Als nun nach dem Tode des Ty­cho sei­ne Er­ben die­se Pa­pie­re nebst dem gan­zen Nach­lass für sich be­an­spruch­ten und dem Kep­ler nicht zur Ein­sicht las­sen woll­ten, ent­schied der Kai­ser zu sei­nen Guns­ten, da­mit er sein Werk vollen­den kön­ne.

      Im Schlos­se an­ge­langt, er­zähl­te Kep­ler, in der Mei­nung, der Kai­ser wol­le über den Fort­schritt sei­ner Ar­beit un­ter­rich­tet sein, es gehe rüs­tig vor­wärts, und im Lau­fe ei­nes Jah­res kön­ne er et­was Neu­es, der Auf­merk­sam­keit Wür­di­ges im Druck er­schei­nen las­sen. Durch die Be­rech­nun­gen des Ty­cho sei er in­stand ge­setzt, den er­ha­be­nen Traum des Ko­per­ni­kus auf die fes­ten Säu­len der Wirk­lich­keit zu grün­den, und er zweifle nicht, dass die­se Ent­de­ckung den Ruhm des Kai­sers ver­meh­ren wer­de, des­sen Groß­mut ihm zum Be­sitz der dazu not­wen­di­gen Hilfs­mit­tel ver­hol­fen habe.

      Der Kai­ser hör­te freund­lich und ein we­nig zer­streut zu; ob der neue Ka­len­der noch nicht fer­tig sei? frag­te er. Nein, ant­wor­te­te Kep­ler, es ste­he noch et­was aus, er sei all­zu sehr in sei­ne große Ar­beit ver­tieft ge­we­sen, hät­te auch einen neu­en Stern am Him­mel be­ob­ach­tet, was ihm viel Zeit und Ge­dan­ken ge­nom­men hät­te.

      Ein neu­er Stern? frag­te der Kai­ser; was das zu be­deu­ten habe. Ob es ein Ko­met sei. Nein, sag­te Kep­ler, ein Ko­met sei auch sicht­bar, aber die­ser Stern gebe ihm mehr zu den­ken. Ob er ihn se­hen wol­le? Er kön­ne ihn von der Ga­le­rie des Bel­ve­de­re aus be­ob­ach­ten. Die Die­ner­schaft und die üb­ri­gen An­we­sen­den wa­ren er­staunt, als der Kai­ser sei­ne Ge­neigt­heit er­klär­te, und vollends er­schro­cken, als er ihre Beglei­tung aus­schlug. Der Kep­ler sol­le ihn füh­ren, sag­te er, in­dem er die­sen fra­gend an­sah, wor­auf der la­chend ant­wor­te­te, das ge­traue er sich wohl, und se­hen müs­se der Kai­ser oh­ne­hin mit sei­nen ei­ge­nen Au­gen. Es kön­ne der Ma­je­stät doch et­was zu­sto­ßen, sag­te der neue Ofen­hei­zer Rhuts­ky ängst­lich, we­nigs­tens müs­se mit Wind­lich­tern ge­leuch­tet wer­den, und un­ten vor der Ga­le­rie müs­se je­mand war­ten, für den Fall, dass der Kai­ser et­was be­nö­ti­ge. Nach­dem al­les an­ge­ord­net war, er­griff der Kai­ser Kep­lers Arm und ließ sich von ihm durch den Schloss­gar­ten am sin­gen­den Brun­nen vor­über zum Bel­ve­de­re füh­ren. Vor dem jä­hen An­blick der himm­li­schen Unend­lich­keit schloss der Kai­ser die Au­gen und hieß Kep­ler durch einen Wink mit der Hand einen Ses­sel dicht an die Mau­er rücken, denn er litt an Schwin­del. Den Pelz, den man ihm um­ge­hängt hat­te, dicht um sich zie­hend, ob­wohl es eine laue Früh­lings­nacht war, setz­te er sich und blieb eine Wei­le so, ohne sich zu rüh­ren. Nach­dem er sich er­holt hat­te, wies ihm Kep­ler erst den Ko­me­ten, der als ein schwa­cher, et­was ver­schwom­me­ner Schein aus dem blass­blau­en Him­mel auf­tauch­te, und dann den neu­en Stern, der sich im Stern­bild der Lei­er zeig­te. Wenn er recht auf­mer­ke, sag­te er zum Kai­ser, wer­de er se­hen, dass die­ser Stern an­ders als die an­de­ren, wie eine stark bren­nen­de Fa­ckel aus­se­he und dass zu­wei­len ru­bin­ro­te Zun­gen dar­in auf­flamm­ten, als ob in ei­nem Hochofen ge­wis­se Stof­fe zer­schmol­zen wür­den. Er hal­te da­für, dass es mit die­sem Stern sei­ne be­son­de­re Be­wandt­nis habe.

      Was er da­mit an­deu­ten wol­le? frag­te der Kai­ser auf­merk­sam, er sol­le es un­ge­scheut her­aus­sa­gen.

      »Wie«, sag­te Kep­ler, »wenn es gar kein Stern wäre, son­dern eine Welt, die jen­seits der uns sicht­ba­ren Son­nen­wel­ten läge und die, durch in­ne­res Ge­setz oder un­er­forsch­li­che Re­vo­lu­tio­nen er­schüt­tert, un­ter­ge­hend durch un­se­ren Raum stürz­te? Dann frei­lich müss­te sie, wie sie aus ih­rer, un­se­ren ar­men Werk­zeu­gen un­zu­gäng­li­chen Ent­le­gen­heit her­aus­brach, auch wie­der ver­schwin­den.« Ein neu­er Stern müs­se einen neu­en Kai­ser be­deu­ten, sag­te der Kai­ser, so viel ver­ste­he er auch von der Stern­kunst.

      Ach nein, sag­te Kep­ler gut­mü­tig, in­dem er sich über den Lehn­stuhl des Kai­sers beug­te, das sol­le er sich doch aus dem Sinn schla­gen. Der Wel­ten­sturz, der jetzt dort er­schei­ne, sei vor un­mess­ba­rer Zeit ge­sche­hen, als die rö­mi­schen Kai­ser deut­scher Na­ti­on noch gar nicht vor­han­den ge­we­sen.

      Aber um­sonst kön­ne er doch nicht er­schei­nen, be­harr­te der Kai­ser, und auch nichts Ge­rin­ges zu be­deu­ten ha­ben.

      Kep­ler zuck­te ein we­nig un­ge­dul­dig die Schul­tern und sag­te nach ei­ner Wei­le: »Wenn es so wäre, dass wir, die ir­di­sche Luft ver­las­send, im Äther at­men und in den Wel­traum hin­ein­schif­fen könn­ten, dann wür­den wir Jahr­hun­der­te rei­sen, bis wir etwa in die Nähe je­ner Welt kämen. Wenn un­ser Herz dann von dem Don­ner der um­rol­len­den Son­nen und dem An­blick der ent­blö­ßten All­macht Got­tes noch nicht ge­bro­chen wäre, wür­den wir viel­leicht se­hen, wie ein aus den Weltentrüm­mern ver­jüng­ter Ball durch den ko­chen­den Ozean roll­te. Schei­ter­te dann un­ser Schiff in der feu­ri­gen Bran­dung, wer frü­ge da­nach? Was könn­ten wir den Erst­lin­gen Got­tes gel­ten?«

      Der Kai­ser wen­de­te sich mit miss­traui­schem Blick nach Kep­ler um. Er sei ein Ket­zer, sag­te er; ob er etwa nicht glau­be, dass Gott, der die Men­schen er­schaf­fen habe, ih­ren Lauf und die Stun­de ih­res To­des wis­se? Ob er nicht glau­be, dass Gott sie durch Zei­chen war­nen kön­ne?

      »Al­les, was ge­schieht, ge­schieht in Gott«, sag­te Kep­ler eif­rig, »und also ist Gott all­wis­send.« Es möch­te auch wohl sein, fuhr er fort, dass, da alle Tei­le der Welt in Gott zu­sam­men­hin­gen, СКАЧАТЬ