Название: Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis
Автор: Walter G. Pfaus
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783745214024
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„Ich habe ihn nicht am Tatort erwischt“, verteidigte sich Conroy. „Das war die Polizei. Ich habe nur erklärt, dass ich gesehen habe, wie er gegen neunzehn Uhr das Haus von Oliver Marlowe betreten hat, mit einer Waffe in der Anzugstasche ...“
„Wie wollen sie es geschafft haben, durch den Stoff hindurchzublicken?“
„Das hat mich damals auch Gilbert Osbornes Verteidiger gefragt“, sagte Conroy. „Ich konnte überzeugend darlegen, dass es sehr wohl möglich ist, die Konturen einer Waffe unter einem dünnen Anzugstoff zu erkennen.“
„Sie sind für diese Aussage bezahlt worden. Das Geld reichte Ihnen, um Ihre zweite Scheidung durchzuboxen und das Ingenieurbüro zu gründen. Sie haben mit dem Geld ein neues Leben begonnen. Hat es sich gelohnt?“
„Ich weigere mich, darauf zu antworten“, schnaubte Conroy. „Verschwinden Sie! Ich habe keine Lust, mir Ihre Unverschämtheiten auch nur noch eine Minute länger anzuhören.“
„Ich will Ihnen sagen, wie es war - obwohl Sie selbst sehr gut wissen, was damals passierte. Gilbert Osborne und Hank Craig waren miteinander verfeindet, weil sie beide um dasselbe Mädchen kämpften, um Cynthia Hopkins. Gilbert war ein Nobody, ein armer Hund, während Craig der Sohn eines Ölmühlenbesitzers war. Cynthia liebte Gilbert, aber Hank Craig wollte das nicht wahrhaben. Er beanspruchte Cynthia für sich. Der Streit war damals Stadtgespräch. Die Eingeweihten verfolgten das Geplänkel mit gespannter Anteilnahme; und es gab nicht wenige, die ein gewaltsames Ende fürchteten. Erinnern Sie sich?“
„Ja.“
„Eines Tages war Cynthia verschwunden. Man fand sie unweit von Gilbert Osbornes Wohnung. Erwürgt. Am gleichen Abend wurde Oliver Marlowe erschossen. Rekonstruktionen des Geschehens ergaben, dass Gilbert Osborne das Mädchen erwürgte, weil sie sich dazu entschlossen hatte, den reicheren Hank zu heiraten. Oliver, ein Zeuge der Tat, wurde von Gilbert Osborne mit zwei Pistolenschüssen aus dem Wege geräumt.“
„Ja, so war es.“
„So war es nicht. Das Ganze war nur eine Konstruktion der Staatsanwaltschaft, gefördert und unterstützt von Hank Craigs Vater, der es nicht ertragen konnte, seinen Sohn als Mörder enden zu sehen.“
„Ich verstehe kein Wort“, murmelte Conroy.
„Sie verstehen sehr gut! Cynthia wollte Gilbert heiraten, obwohl er nichts besaß. Sie liebte ihn. Als sie das Craig sagte, drehte er durch. Er brachte das Mädchen um und gestand seinem Vater die Tat. Der reagierte blitzschnell. Für den alten Craig stand außer Frage, dass in Wahrheit Gilbert Osborne der wahre Schuldige war und dass es galt, ihm die Tat anzuhängen. Craig kaufte einen Gangster, der es fertigbrachte, Osbornes Pistole zu stehlen. Der Gangster erschoss damit Marlowe, der tatsächlich den Mord beobachtet hatte. Dann rief man Osborne unter einem Vorwand in Marlowes Wohnung. Dort fand er den Toten, und daneben die eigene Pistole. Er verständigte sofort die Polizei, aber die glaubte ihm nicht, sie hielt ihn für den Mörder.“
„Warum erzählen Sie mir das alles? Sie halten Osborne für unschuldig. Vielleicht war es so, vielleicht nicht. Was mich angeht, so war ich verpflichtet, zu sagen, was ich gesehen hatte. Nicht mehr und nicht weniger.“
„Waren Craig und Sie damals nicht miteinander befreundet?“, fragte der Mann.
„Das ist zu viel gesagt. Wir spielten manchmal eine Partie Golf miteinander.“
„Richtig. Ich nehme an, dass der alte Craig bei diesen Gelegenheiten erfuhr, wie miserabel Ihre Ehe ging und wie abgebrannt Sie waren. Er offerierte Ihnen Geld für eine neue Existenz. Als er Ihnen den Preis nannte, gingen Sie darauf ein.“
„Den Preis?“, murmelte Conroy.
„Ja. Um seinen Sohn zu entlasten und um Osborne die Tat anzuhängen, war es wichtig, einen unverdächtigen ,Zeugen‘ zu finden, einen Mann ohne Vorstrafen. Einen gutbürgerlichen Einwohner der Stadt, dessen Aussage hieb und stichfest war und der, wie es schien, nicht in Verdacht geraten konnte, von einer der Parteien bestochen worden zu sein. Dieser Mann waren Sie. Wieviel hat der alte Craig Ihnen für die erfundene Aussage gezahlt? Wieviel bekamen Sie für die Behauptung, Gilbert hätte Marlowes Haus mit einer Pistole in der Tasche betreten?“
„Sie sind wahnsinnig!“
„Wieviel?“, fragte der Mann scharf.
Conroy griff sich ans Herz.
„Mir geht es nicht gut. Ich brauche meine Tabletten.“ Er erhob sich, fiel aber sofort wieder auf den Stuhl zurück. Er fühlte die stahlblauen Augen des Fremden auf sich gerichtet, spürte die seltsam schlappen Schläge seines Herzens und hatte Angst, dass es im nächsten Moment gänzlich aussetzen könnte.
„Wieviel?“, fragte der Mann.
„Sind Sie Reporter? Sind Sie einer von denen, die in der Vergangenheit herumstochern, um sich damit eine goldene Nase zu verdienen?“, wollte Conroy wissen.
„Nein“, erwiderte der Mann. „Ich bin ein Rächer.“
„Ein Rächer“, wiederholte Conroy und blickte in die kalten, blauen Augen. Er fühlte sich immer noch schwach, aber der Rhythmus seines Herzens stabilisierte sich. Plötzlich war er froh, über die alte Geschichte sprechen zu können.
„Wissen Sie“, sagte er schleppend. „Ich leide heute noch unter dieser Sache. Es gab so vieles, was für die Täterschaft von Gilbert Osborne sprach, dass ich mich schließlich bereit erklärte, gegen ihn auszusagen. Es stimmt, ich tat es, um dem alten Craig einen Gefallen zu tun, und es ist auch richtig, dass er mich dafür bezahlte.“
„Sie wissen, welches Gewicht diese Aussage hat?“, fragte der Fremde.
„Ja. Rollen Sie in drei Teufels Namen den Fall nochmals auf, zerren Sie mich vor den Kadi, aber erwarten Sie nicht, dass Sie damit etwas ändern! Hank hat eine Frau geheiratet, mit der er unglücklich geworden ist. Der alte Craig, der das Verbrechen seines Sohnes vertuschte und Marlowe opferte, ist längst tot. Und Gilbert, der gleichfalls ein Opfer der Tragödie wurde, können Sie nicht wieder lebendig machen.“
„Das weiß ich. Nur bin ich nicht der Mann, der bereit ist, so fatalistisch zu reagieren. Gilbert Osborne hat mir seinerzeit Vater und Mutter ersetzt, er war das einzige, was ich besaß“, sagte der Mann.
„Sie sprechen in Rätseln!“
„Ich war ein Waisenkind. Gilbert, der um vieles Ältere, hat sich damals um mich gekümmert, er hat mir bei den Schulaufgaben geholfen, er war immer zur Stelle, wenn ich jemand brauchte, der mich beschützte. Damals war ich zehn. Ich war elf, als man ihn auf den Stuhl setzte. Jetzt bin ich 36.“
„Sie müssen Fred Sayers sein“, murmelte Conroy, dem es wie Schuppen von den Augen fiel. „Sie liefen, soviel ich weiß, Ihren Pflegeeltern davon, als Sie zwölf waren.“
„Diese sogenannten Pflegeeltern haben mich geprügelt. Sie hatten mich nur bei sich aufgenommen, um den Zuschuss der Stadt und des Staates kassieren zu können.“
„Fred Sayers“, meinte Conroy kopfschüttelnd. „Wer hätte das gedacht!“
„Ich wusste, dass Gilbert unschuldig war. Ich wusste, СКАЧАТЬ