Die Unsichtbaren. Roy Jacobsen
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Название: Die Unsichtbaren

Автор: Roy Jacobsen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711449653

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СКАЧАТЬ hinaus haben sie eine mächtige Weide, die fast flach am Boden liegt und seit ewigen Zeiten so gelebt hat, auf den Knien, auf der Grenze zwischen Rosengarten und Busengarten. Die Vorfahren haben die Steinmauer in einem Bogen um die Weide herumgebaut, anstatt sie zu fällen. Es ist anscheinend der einzige Baum auf der Insel, der nicht gefällt werden kann. Auch fällen sie nicht die anderen, obwohl Holz kostbar und notwendig ist, doch manchmal kommt ihnen der Gedanke. Niemals allerdings denkt jemand daran, die Weide auf der Grenze zwischen den beiden Gärten zu fällen, in gewisser Weise ist sie dort, wo sie liegt, schon gefällt, und somit befriedet, wie ein Grab.

      In den größten Ebereschen am Haus hängen mächtige Elsternester. Oft verfluchen die Inselbewohner die Elstern, weil sie stehlen und alles vollscheißen, sie reden davon, die Nester herunterzureißen. Aber auch daraus wird nichts.

      Wenn dann die aus Zweigen gebauten Nester im Kampf mit einem weiteren Sturm schwanken und überleben, nehmen die Menschen mit stoischer Erleichterung zur Kenntnis, dass auch dieses Mal nichts zerstört wurde, gleichwohl geschieht es häufig.

      Wenn Regen oder Schnee einmal senkrecht herunterfallen, bilden sich trockene Kreise im Gras unter den Nestern in der Alten Esche. Dort drängen sich dann die Schafe aneinander.

      Besonders die Lämmer scheuen den Regen, sie erleichtern sich gemäß der Natur, so bildet sich ein schwarzer und morastiger Lebenszirkel unter jedem Nest, alles hängt mit allem zusammen, wie ein Mensch nicht in zwei Hälften zerfällt, obwohl er sich vornüberbeugt.

      Genauso ist es auf den tausend anderen Inseln des Archipels.

      Den zehntausend Inseln.

      Da die Landschaft so offen und ungeschützt daliegt, könnte wohl jemand auf den Gedanken kommen, die Küste in ein immergrünes Gewand zu kleiden, Kiefern oder Fichten zum Beispiel, könnte überall im Königreich idealistische Baumschulen errichten und beginnen, große Mengen winziger Fichten zu verschiffen und sie den Bewohnern der kleinen und großen Inseln kostenlos zu übereignen, und sagen, dass Generationen nach ihnen über Brennstoff und Bauholz verfügen würden, wenn sie die kleinen Fichtenbäume auf ihr Land pflanzten und wachsen ließen. Der Wind würde aufhören, die Ackerkrume aufs Meer hinauszublasen, Mensch und Tier würden geschützt in Frieden leben, wo zuvor tagein, tagaus der Wind das Haar zerzauste, die Inseln würden nicht länger wie schwimmende Tempel am Horizont aussehen, sondern einer verwahrlosten Wildnis aus Riedgras und Sauerampfer ähneln. Nein, niemand käme auf den Gedanken, so etwas zu tun, einen Horizont zu zerstören. Der Horizont ist offenbar das Wichtigste, das sie hier draußen haben, der vibrierende Sehnerv in einem Traum, wenngleich sie ihn kaum bemerken und auch keinen Versuch machen, ihn zu beschreiben, bevor das Land so reich wird, dass er zu verschwinden beginnt.

      6

      Es ist wieder Frühling geworden und der Himmel steht hoch über den Inseln, die Winde sind kalt und verworren und tragen auch ab und zu einen kurzen Schwall von Wärme herbei. Die Austernfischer sind zurückgekehrt und stolzieren in ihrem Federkleid umher wie schwarz-weiße Hühner und nicken mit den Köpfen und stecken die langen roten Schnäbel in den Sand und bohren und bohren und gackern und können nicht anders, der Austernfischer ist ein idiotischer Vogel, kommt aber mit dem Frühling.

      Mitten auf dem Fjord flaut plötzlich der Wind ab.

      Hans Barrøy muss das Segel raffen und sich an die Ruder setzen. Da legt sich auch Maria in die Riemen, setzt sich hinter ihn und stößt ihn mit den Knöcheln in den Rücken, bis er ruft, dass es weh tut und dass das Weib – verflucht noch mal nicht rudern kann. Barbro und Ingrid lachen, sie sitzen in ihren blauen und gelben Kleidern dicht nebeneinander auf einem Schafsfell, mit einem kleinen Koffer und der untätigen Ruderpinne zwischen sich.

      »Du ruderst nich richtig.«

      »Tu ich wohl«, sagt Maria und lässt das eine Ruderblatt fallen, so dass das Boot eine jähe Drehung macht. Barbro lacht wieder, obwohl sie weiß, was geschehen wird, dasselbe wie beim letzten Mal, sie wollen sie loswerden.

      Sie machen das Boot wieder bei der Handelsstation fest und gehen an Land, erst Hans mit dem Koffer, dann Barbro und Ingrid, Hand in Hand, und Maria als eine Art Abschluss, auch sie ist heute festlich gekleidet, um den Ernst zu verstärken, die Entschlossenheit, beim letzten Mal ging es so schief, und niemand von ihnen sagt ein Wort.

      Beim Laden gibt es einen neuen Halt, und Kandiszucker, schließlich geht es hinauf zum Pfarrhof, wo sie von der Pastorenfrau, Karen Louise Malmberget, empfangen werden, die erst vor drei Jahren noch Husvik hieß und seltsam jung wirkt neben dem Pastor Johannes Malmberget, der zwei Mal Witwer war, bevor Louise in sein Haus und Leben trat. Sie ist kinderlos, er ist es nicht, er hat fünf Söhne, die alle irgendwo in einer Stadt ein Priesterseminar besuchen, als wären sie ein für alle Mal fortgereist und hätten seitdem vergessen, wo sie eigentlich herkamen.

      Karen Louise trägt ein helles Kleid mit einer weißen Schürze, und obwohl sie sich im Inneren des Hauses aufhält, hat sie Strümpfe und Schuhe an den Füßen. Sie begrüßt Barbro – reicht ihr die Hand –, heißt sie willkommen und ist umgänglich und lebhaft, als hätte sie sich gefreut, führt alle in der guten Stube und den Zimmern umher und zeigt ihnen die Möbel und die Nähmaschine und das Bügeleisen und erklärt, wo Barbro schlafen wird, in einem hellen und freundlichen Zimmer im ersten Stock, mit Tapeten an den Wänden und einer Kommode mit einer kleinen Blumenvase und einem Nachttopf mit blauem Stempel am Boden, aus Porzellan.

      Sie erläutert, was Barbro machen soll.

      Und das ist nicht viel, fast scheint es, als suche die Pastorenfrau Gesellschaft im Haus, vielleicht sogar eine Freundin, sie sind ungefähr im gleichen Alter. In der weiß gestrichenen Küche hält sie ein Kochbuch in den Händen, groß wie eine Bibel, und fragt, ob Barbro lesen kann?

      Darauf gibt ihr niemand eine Antwort.

      Karen Louise entschuldigt sich und sagt, dass das dumm von ihr war, sie blättert vor zum Kapitel über Marmelade und redet darüber, was Barbro kochen soll, zeigt aus dem Fenster auf eine Armee aus großen und kleinen Beerensträuchern, die nebeneinander aufmarschiert sind und sich in sechs schnurgeraden Reihen bis hinunter zu einem weißen Lattenzaun am Ende des frühlingsbraunen Gartens ziehen, schwarze und rote Johannisbeeren, Stachelbeeren, und an der Felskuppe Himbeeren, von denen Barbro zu berichten weiß, dass es sie auch auf Barrøy gibt, sie haben auch rote Johannisbeeren, und sie weiß, wie viel Zucker hinzugefügt werden muss ...

      Da muss Hans Barrøy sich setzen.

      Er lässt sich auf einen Stuhl fallen, der sich ohne rechten Sinn zwischen zwei Zimmern befindet, als stünde er dort nur zur Zierde, jedenfalls denkt Hans Barrøy, dass wohl noch niemand darauf gesessen haben kann. Und er kommt nicht wieder hoch. Stattdessen beugt er sich vor und legt das Gesicht in die Hände und stützt die Ellbogen auf den Knien ab, so als suche er etwas auf dem tiefsten Grund eines Gedankens, etwas, das er nicht finden kann, als ihn plötzlich das Gefühl überkommt, dass die anderen stehen geblieben sind und ihn ansehen.

      Er blickt auf und sagt etwas, er möchte wissen, wo der Pastor ist?

      Er ist im Norden der Insel, sagt die Pastorenfrau, wegen einer Angelegenheit bei ...

      Sie reden ein wenig über diese Leute, die Johannes Malmberget besucht und die Hans kennt, wie es sich zeigt.

      Als die Hausbesichtigung fortgesetzt wird und er auf dem zwecklosen Stuhl zurückbleibt, findet er endlich, wonach er sucht, und erhebt sich und läuft ihnen in ein weiteres Zimmer nach und nimmt die Hand der Schwester und schleift sie hinaus auf den Vorhof, begleitet von wilden Protesten, denn Barbro will in dem schönen Haus bleiben. Die anderen folgen und stehen an der breiten Steintreppe und sehen СКАЧАТЬ