Название: Davidstern und Lederball
Автор: Dietrich Schulze-Marmeling
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783895338809
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Vereinsemblem SC Hakoah Berlin
Nach 1933: Scheinblüte und Vernichtung
Zu den Umständen des jüdischen Fußballs in Berlin nach 1933 ist wenig Genaues bekannt. Sporthistoriker sprechen aufgrund der höheren Mitgliederzahlen zwischen 1933 und 1938 von einer »Blüte des jüdischen Sports«, aber er blühte eben nur zum Schein.16 So wie in anderen Orten auch, kam es zu großen Konflikten zwischen den zionistischen Vereinen und den 1933 entstandenen Vereinen über ideologische Fragen; diejenigen Juden jedenfalls, die schon vor 1933 eine Assimilation im Sport abgelehnt hatten, dürften nach der »Machtergreifung« ihre Überzeugung bestätigt gesehen haben, dass das Modell der jüdischen Assimilierung auch im Sport zum Scheitern verurteilt war. Die Aufarbeitung der Schicksale des jüdischen Fußballs im »Dritten Reich« jedenfalls steht noch aus, Berlin bildet da keine Ausnahme. Nur von den wenigsten Persönlichkeiten ist der weitere biografische Weg bekannt. Das TeBe-Gründungsmitglied Dr. Jaques Karp emigrierte wie sein Bruder Leo offenbar 1937 in die britische Küstenstadt Hov; Julius Guth starb im litauischen KZ Kovno, so wie sich die allermeisten Spuren der jüdischen Fußballer Berlins in der Apokalypse des Zweiten Weltkrieges verlieren. Dem Gründer, Vorsitzenden und langjährigen Mäzen Tennis Borussias, Alfred Lesser, gelang 1939 die Flucht in die Vereinigten Staaten. Wie sehr Männer wie Lesser unter dem Ausschluss aus ihren Vereinen und den Diskriminierungen gelitten haben müssen, zeigt ein Brief aus den USA im Jahre 1952. Immer noch lege sie, schrieb Lessers Witwe Tutti in einem Beitrag für die Festschrift zum 50. Jubiläum der Tennis Borussia, lila-weiße Blumen auf das Grab ihres Mannes, »Tennis Borussia gehörte doch so sehr zu seinem Leben!«
Nie wieder hat sich der jüdische Sport vom Holocaust wirklich erholt, nie wieder haben in Berlin so viele Juden Fußball gespielt wie in den 20er und 30er Jahren. Die weiterhin elitäre Tennis Borussia hatte zwar seit dem Zweiten Weltkrieg mit dem Showmaster Hans (»Hänschen«) Rosenthal und dem Musikproduzenten und vormaligen Fußballprofi Jack White wiederum jüdische Vereinspräsidenten, doch nie wieder – auch nicht in den erfolgreichen 50er Jahren – besaß der Verein einen vergleichbaren Status wie in jenen Jahren der Weimarer Republik. Nach den Auflösungen aller jüdischen Klubs 1938 existiert seit dem 26. November 1970 mit dem TuS Makkabi Berlin heute wieder ein jüdischer Verein mit über 600 Mitgliedern. Er betrachtet sich als legitimer Nachfolger des 1898 gegründeten Vereins »Bar Kochba«, im Vordergrund steht der Breitensport. Es existiert auch eine etwa 240 Mitglieder umfassende Fußballabteilung, die momentan in der Bezirksliga spielt. Nach Auskunft des Vereins sind antisemitische Pöbe-leien während der Spiele in den letzten Jahren weniger geworden.
Der jüdische Fußball besaß nicht nur seine Wurzeln in Berlin, er beein-flusste auch von Berlin aus maßgeblich die Entwicklung des gesamten deutschen Fußballsports. Die Gebrüder Manning gerieten zu großen Vorbildern der ersten Berliner Fußballgeneration, ganz zu schweigen von ihren (vergessenen) Verdiensten bei der Gründung des DFB und bei seiner Wiederaufnahme in die FIFA nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch die fußballpublizistischen Gehversuche eines John Blochs waren wegweisend, in ihnen darf man die ersten zarten Schritte zu einer Kommerzialisierung erblicken, die notwendig waren zur qualitativen Verbesserung des Spiels. Tennis Borussia Berlin schließlich verkörperte ein zunächst erfolgreiches Modell des assimilierten jüdischen Fußballs in Kaiserreich und Weimarer Republik, ganz zu schweigen von den außenpolitischen Verdiensten des Klubs im Auftrage Gustav Stresemanns.
Auch wenn die jüdischen Ahnen des Berliner Fußballs weitgehend in Vergessenheit geraten sind (oder präziser: bewusst vergessen wurden), schmälert das doch ihre Verdienste nicht. Eines jedenfalls steht fest: Wer über die Genese des Fußballs in Deutschland redet, darf über den wichtigen jüdischen Beitrag im Berliner Fußball nicht schweigen.
Anmerkungen
1 | Koppehel, Carl: Geschichte des Berliner Fußballsports. 60 Jahre VBB, Berlin 1957, S. 12-14. |
2 | Die biografischen Angaben für die jüdischen Fußballpioniere sind entnommen bei Gillmeister, Heiner: »English Editors of German Sporting Journals at the Turn of the Century«, in: »The Sports Historian«, 13 (Mai 1993), S. 38-40; Ders.: »The Tale of Little Franz and Big Franz: The Foundation of Bayern Munich FC«, in: »Soccer and Society« 1(2000), Heft 2, S. 80-106; Ders.: »Jüdische Fußball- und Olympiapioniere an der Wende des 20. Jahrhunderts«, in: Bertke, E. / Kuhn, H. / Lennartz, K.: Olympisch bewegt. Festschrift zum 60. Geburtstag von Manfred Lämmer, Köln 2003, S. 85-98. |
3 | Vgl. dazu den Text über den DFB in diesem Band. |
4 | So in seinem Vortrag bei der Tagung »Juden im europäischen Sport« im Mai 2002 in München. |
5 | Vgl. Eisenberg, Christiane: »English Sports« und deutsche Bürger. Eine Gesellschafts-geschichte 1800-1939, Paderborn u.a. 1999, 178-193. |
6 | Volkov, Shulamit: Die Juden in Deutschland 1780-1918, München 2000, S. 54. |
7 | Dazu im Überblick: Ebenda, S. 49-51. |
8 | Ausführlicher dazu: Buschbom, Jan / Eggers, Erik: »›So wird ein guter Sportsmann gewöhnlich auch ein guter Staatsbürger sein…‹ Über jüdischen Sport in den bürgerlichen Sportvereinen der Weimarer Republik – Das Fallbeispiel Tennis Borussia Berlin«, in: »SportZeiten« (i. Dr.). |
9 | Kehl, Anton (Hrsg.): »Ich war ein Besessener.« Sepp Herberger in Bildern und Dokumenten, München 1997, S. 26. |
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