Seine Frau. Hanne-Vibeke Holst
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Seine Frau - Hanne-Vibeke Holst страница 8

Название: Seine Frau

Автор: Hanne-Vibeke Holst

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die Macht-Trilogie

isbn: 9788726569612

isbn:

СКАЧАТЬ Wasseroberfläche durchbrechen, werden übersehen oder bagatellisiert als Schnappen der Hechtkiefer nach Beute. Nur die Ältesten und Weisesten wissen, dass die Seeschlange keine Legende ist. Passt man nicht auf, sie nicht zu reizen, sieht man nicht zu, ihr zu opfern und Respekt zu erweisen, kann sie sich plötzlich in ihrer ganzen, gigantischen Größe erheben und wütend ihr alles verzehrendes Maul öffnen, in dem innerhalb eines Augenblicks alles verschwindet. Und wenn der Leiter dieser Fraktion aus sehr verschiedenen Individuen mit sehr verschiedenen Tagesordnungen sich der lauernden Gefahr nicht bewusst ist und nicht vermag, die Seeschlange ruhig zu halten, kann sich das bald als fatal erweisen.

      Das weiß Per Vittrup nur zu gut. Und genau aus diesem Grund hat er jedem Einzelnen seiner einundfünfzig Fraktionsgenossen in den letzten Tagen tief in die Augen gesehen, zumindest sieht er das so. Ebenso wie er aufrichtig die Meinung vertritt, dass er, soweit möglich, bei der Verteilung der Sprecherposten, der Ausschussposten und so weiter auf jeden Einzelnen Rücksicht genommen hat. Einige musste er natürlich enttäuschen, Soren Schouw ist einer von ihnen, doch mit seinem mittelmäßigen Wahlergebnis hat er nicht gerade ein solides Mandat. Gert scheint sich auch damit abgefunden zu haben, dass Soren Schouw weiter nach unten getreten wird. Und Meyer scheint zufrieden damit, dass Charlotte diesmal nicht Teil der Fraktionsführung wird. Sie war sogar absolut dagegen, dass ihre Protegé zur Zweiten Vorsitzenden gemacht wird, eine Idee, die eigentlich auf ihrem Mist gewachsen ist. »Zu früh«, war ihr einziger Kommentar, als sie den Vorschlag abgewiesen hat. Dieser Posten ging somit an Christina Maribo, während Gert seinen jungen Bewunderer Martin Jansen zum Zweiten Vorsitzenden berufen hat. Somit dürften mit ihm an der Spitze, Meyer als Fraktionsvorsitzendem, Gert als politischem Sprecher und den beiden Jüngeren an den Flügeln Sonne und Wind gleich verteilt sein. Zumindest hatten weder Gert noch Meyer Einwände gegen die anderen Ernennungen, die in ihren Augen »ausbalanciert« sind. Meyer hat ihn sogar gelobt, die etwas beschwerliche Susanne Branner ihres Postens als Umweltsprecherin enthoben und ihr den der Einwanderersprecherin zugeteilt zu haben. In gewisser Weise ein Uriasposten, den sie denn auch mit saurer Miene angenommen hat. Eine Miene, die nur noch saurer wurde, als sie begriff, dass Charlotte als gewöhnliches Mitglied mit in den Ausschuss gekommen ist. Da waren die Jüngsten leichter zu begeistern. Die junge Liv Busk Sørensen strahlte über ihre Ernennung zur Gleichberechtigungssprecherin, und die beiden jungen Sozialdemokraten, Sune Garde und René Nielsen, drückten ebenfalls ihre Freude darüber aus, die Ausbildungs-beziehungsweise die Rechtspolitik zugeteilt zu bekommen. Einige sind leer ausgegangen, auch einige, die geglaubt hatten, dass ihr Talent sie zu mehr als zu Hinterbänklern und einfachen Ausschussmitgliedern berechtige. Er war gnädig genug, ihnen nicht auch noch zu sagen, dass sein größtes Problem bei dem Ränkespiel der Mangel an Talent in der Fraktion war. Es gibt einfach zu wenig Karten.

      Doch alles in allem verlief die Fraktionssitzung besser als erwartet. Auch die Presse schien die Konstituierung anzuerkennen, obwohl sie natürlich Schouws Meckereien überspitzt darstellte. Da dieses ehrbare Mitglied mit seiner Kritik jedoch allein stand und sie auch Charlotte nicht dazu bewegen konnten, Enttäuschung über ihre Platzierung zu äußern, geht er davon aus, dass die See nach einigen zu erwartenden Wellenschlägen in den kommenden Tagen wieder spiegelblank daliegen wird. Dann können sie mit der Arbeit beginnen. Dann wird er die nötige Ruhe haben, seine Pläne weiterzuentwickeln. Denn natürlich hat er noch ein paar Asse im Ärmel. Das hier war erst die erste Runde.

      Per Vittrup lässt den Rotwein im Glas kreisen, wandert zerstreut durch seine Wohnung und kann sich nicht aufraffen, ins Bett zu gehen. Das sollte er eigentlich. Es ist weit nach Mitternacht, wie er auf dem digitalen Display des Fernsehers sieht. Er stellt das Glas weg und greift nach der Fernbedienung. Macht sich vor, dass er nur kurz CNN checken will. Er sieht sich auch einige Minuten pflichtschuldigst den World Report über Taiwan an, bevor er sich mit leicht gespreizten Beinen in dem Børge-Mogensen-Ohrensessel zurechtsetzt und zu Kanal København zappt. Da bleibt er hängen. Es ist eine schlechte Angewohnheit, die er sich zugelegt hat, nachdem Gitte ihn verlassen hat. Früher hat er nie Pornos gesehen, nicht einmal onaniert. Hatte kein Bedürfnis danach. Auch nicht, wenn er unterwegs war. Jetzt braucht er die adult movies, um zur Ruhe zu kommen. Als eine Art Schlaftablette, von der er langsam abhängig wird. Er schämt sich deswegen. Kommt sich wie ein geiler, pubertierender Jüngling vor. Lässt sich von den armseligen Flittchen anmachen, die ohne jede Scham alles zeigen. Wird wütend, dass sie ihn mit ihrem Lack und Leder erregen, mit ihren nassen, spielenden Zungenspitzen. Aber es funktioniert immer. Auch heute Abend. Zum Teufel, denkt er, als die Hand auf dem Weg zum Hosenstall ist. Man ist schließlich auch nur ein Mann.

      Mehr Champagner? Oder vielleicht ein wenig Kaviar?«, fragt ein älterer, gut erhaltener Gentleman in einem dicken, weißen Frotteebademantel in klangvollem Norwegisch die gleichaltrige Frau, die in einer Badewanne des Hilton liegt, den Schaum bis zum Hals.

      »Ja, danke!«, lächelt sie und reicht ihm zuerst das Glas und dann den Mund, sodass er sie mit einem Teelöffel füttern kann.

      »Eine anspruchsvolle Frau, mit der ich verheiratet bin!«, sagt er kopfschüttelnd und füllt ihr Glas mit Veuve Clicquot aus dem Kühler, um dann einen Löffel mit glänzendem, blauschwarzem Belugakaviar zu beladen.

      »Hm«, lächelt sie verführerisch und schließt die Lippen um den Löffel. »Strebe immer nach dem Besten! In der Politik wie in der Liebe.«

      »Und heute hast du in beiden Bereichen deinen Willen bekommen, nehme ich an!«

      »Genau!«, sagt sie und schließt genussvoll die Augen, während der Kaviar auf der Zunge zergeht.

      »Und nur ich habe das durchschaut«, sagt er und stößt mit ihr an. »Skål, Elizabeth! Du bist eine schreckliche, wunderbare Frau. Eine richtige Hexe!«

      Kann man vom eigenen Mann vergewaltigt werden? Hat man es nicht selbst darauf angelegt? Wie wenn man freiwillig in einen Lastwagen hüpft und den Fahrer glauben macht, man sei achtzehn, obwohl man erst sechzehn ist? Wie wenn man selbst weiß, dass man eigentlich zu groß ist, um auf dem Schoß zu sitzen? Oder wie wenn man sich oben ohne von einem Fotografen für das Ekstra Bladet fotografieren lässt und das Mädchen des Monats wird?

      Eine interessante Frage, die ich überlege, dem Kaufmann im Godthåbsvej zu stellen, als ich bei ihm die Vormittagszeitungen, Lottoscheine, Zigaretten und, na schön, eine Flasche Weihnachtsaquavit hole. Ein Sonderangebot. Eigentlich verteile ich meine Alkoholkäufe auf das Viertel, aber der Kaufmann öffnet früh, und in letzter Zeit habe ich es, ehrlich gesagt, nicht geschafft, die üblichen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Und genau hier kommt die Diskussion um Gewalt in der Ehe ins Spiel; eine Diskussion, die ziemlich theoretisch erscheint, wenn man zum zweiten Mal innerhalb einer Woche so brutal genommen worden ist, dass es aus dem Enddarm blutet. Er ist wie besessen, was dieses Loch angeht. Als würde das andere ihn abtörnen. Meine Scheide ist schlaff geworden, sagt er, und beißt mich fest ins Ohrläppchen, während er mein Gesicht in das cremefarbene Zierkissen presst, das er auf den Esstisch gelegt hat. Es dient dazu, meine Schreie zu dämpfen, lässt ihn aber auch schneller kommen. Oder überhaupt kommen. Wenn er mein Gesicht nicht sieht, aber spüren kann, dass ich zappelnd Widerstand leiste, dass ich nach Atem ringe. Er kann mich ersticken, wenn er will. Das liegt ganz in seiner Hand.

      »Und, sehen Sie Ihren Mann jetzt öfter? Jetzt, wo sie in der Opposition sind?«, fragt der Kaufmann, ein Morgenmensch, als ich die Waren auf das Kassenband lege. Das ist nett gemeint, und ich würde gern in dem gleichen unbeschwerten Ton antworten. Doch die Worte bleiben mir im Hals stecken. Ich bin allmählich aus der Übung, mit Leuten zu reden. Deshalb verziehe ich auch nur das Gesicht zu einer seltsamen Grimasse, während der Kaufmann sich selbst eine Antwort gibt, ohne zu ahnen, wie sehr er den Nagel auf den Kopf trifft. »Nun ja, man kann sich auch zu viel sehen. Ist das alles?«

      Ich nehme noch Weihnachtskerzen und eine Tüte Schmalzgebackenes mit. Wir haben schon Anfang Dezember, und ich vergesse diese Kerzen immer. Vielleicht trinke ich mich wirklich um den Verstand. Ich habe auch bereits wieder vergessen, was ich ihn fragen СКАЧАТЬ