Arche Noah. Anna Croissant-Rust
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Название: Arche Noah

Автор: Anna Croissant-Rust

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788711466681

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СКАЧАТЬ Rhythmus verliehen. Er ging ganz auf in seinem Berufe, er war Fanatiker des Berufs, und lächelte überlegen über all die Idioten, die sich einen andern erwählten.

      Dagegen nahm der Hasepeter, so leidenschaftlich er sich dem dolce far niente hingab, das übrige des Berufes keineswegs enthusiastisch auf, eher als etwas Unabänderliches, als ein Fatum; es war eben nicht zu ändern, und er glaubte, da er wohlbeleibt und kurzhälsig war, weder Atem noch Kraft zu etwas anderem zu haben, auch keinen Verstand, denn er hatte immer gehört, dass er „kurz von Verstand“ sei.

      Natürlich war er ganz unter der Herrschaft des Temperamentsmenschen Pinkepeter und ihm blindlings unterworfen.

      Da hätte sich auch ein anderer nicht mehr zu mucksen getraut, wenn ihn der Pinkepeter mit den hastigen Augen anblitzte, oder gar die Achseln zuckte! Der wäre gewiss und wahrhaftig ebenso zusammengeschnappt wie er, und hätte nicht mehr gepiepst.

      Er war klein, der Hasepeter, und schwammig gediehen. Seine Augen waren hell und elegisch und lagen wie matte Tümpel zwischen den Hügeln des Fettes. Die Nase strebte vergebens über ihre bedeutendere Umgebung herauszuragen, was ihr nur in der Gegend des Mundes gelang, der sehr klein und wie zum Pfeifen gespitzt war. Von Ohr zu Ohr, ehemals brennend rot, jetzt mit Grau gemischt, zog sich unter dem Kinn weg ein sogenannter Hambacher, während das übrige Gesicht fast bis unter die Augen mit grauen Stoppeln wahllos überdeckt war.

      Seit Jahren war ihm schon beschieden, ein ansehnliches Bäuchlein vor sich hertragen zu müssen, und es war einer seiner tiefsten Schmerzen, dass es entstanden, ohne dass er die eigentlich dazu nötigen ausgiebigen Mahlzeiten und Genüsse gehabt. Gewiss nahm sich das Bäuchlein gut und stattlich aus, und es war das einzige, das ihm sozusagen Uebergewicht über den Pinkepeter gab, aber es war ihm im Beruf hinderlich; .. der boshafte Pinkepeter zitierte öfter die Variante:

      „Die Bäuch’, die Bäuch’,

      Die Bäuch’ sin’ unser Schade!

      ‘s wär’ besser wahrlich sag’ ich euch,

      Mer alle hätten gar keen’ Bäuch

      Keen’ Bäuch und aa keen’ Wade.“

      Mit den Waden war es nun soso beschaffen, bis dahinunter war das Fett leider nicht gedrungen, und das Bäuchlein balancierte auf zwei sehr beweglichen, aber unsicheren, obwohl sehr ausdrucksvollen X-Beinen (das Ausdruckvollste an ihm). Für verständnisvolle Gemüter war es stets ein erhebendes Schauspiel, die beiden Kumpane miteinander wandeln zu sehen. Leider geschah das selten, höchstens gegen Abend, wenn sie der gemeinsamen Wohnung zustrebten. Nämlich der Pinkepeter liebte es viel mehr seine eigenen Wege zu gehen und sich von Hasepeter zu isolieren. Gingen sie zusammen, so trug der Hasepeter in der Dunkelheit gewöhnlich schwer an irgend etwas. Blitzte und funkelte es in einer der engen Gassen des Städtchens von irgendeinem Wächter, so war der grosse und behende Pinkepeter im Nu verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt, des guten Hasepeters aber, der um keinen Preis die süsse Last fahren lassen wollte, und der sie wie ein toller Hund am liebsten mit den Zähnen verteidigt hätte (wenn es Essbares war!), nahm sich der liebevolle Arm der irdischen Gerechtigkeit an, und er musste die gemeinschaftliche Behausung mit einer Separat-Garçon-Wohnung „im Kittche“ vertauschen.

      Den Pinkepeter dagegen traf diese Abwechselung nie; er fand es gedeihlicher und passender, die Nächte in seinen vier Pfählen zu verbringen. Diese Wohnung war standesgemäss, stil- und gemütvoll. Keine Etage von Peter Behrens, van der Velde, August Endell oder irgend einem andern „zelebren“ Raumkünstler ausgestattet, trunken von Linien nach dem Vertikalen und Horizontalen hin, in alle Ausschweifungen peinlich korrekter Berechnung und verblüffender Formenneuheit getaucht, — schöne Einfachheit waltete und ein Verschmähen jedes äusseren Effektes.

      War die Behausung früher von edlem Vollblut bewohnt, später, ach, zum Kuh- und dann zum Schweinestall degradiert, so liess man sie in noch späteren Zeiten wegen gewisser Widerstandslosigkeit gegen die Unbilden der Witterung gänzlich auf. In diesem unwürdigen Zustande entdeckte dies trauliche Heim des Pinkepeters Spürnase, und er verstand es, daraus sofort eine durchaus stimmungsvolle Umrahmung für seine und des Hasepeters nächtliche Stunden zu schaffen. Zwei Räume besassen die beiden nun, allerdings nicht durch Mauern, nur durch Kreidestriche getrennt: hier Salon Pinkepeter, hier Salon Hasepeter.

      Die zwei Gentlemen hatten den, für diese seltene und anspruchsvolle Art des Wohnens nötigen Takt. Einer respektierte das Zimmer des andern, — darin waren sie voll des differenziertesten Anstandsgefühls — stets klopften sie an, ehe der eine des andern Wohnung betrat, und sie sprachen nur zusammen, wenn sie sich in einem Raum befanden. Der Pinkepeter sprach übrigens nicht viel, er hatte Gründe dafür. So schwerfällig der Hasepeter im allgemeinen war, er passte verdammt auf, was der Pinkepeter sagte oder tat, weil es sein höchstes Streben war, auch so zu werden wie der „Meister“. Denn der Hasepeter fühlte sich dem Pinketer gegenüber ganz als Schüler und wäre lieber heute als morgen direkt in seine Fusstapfen getreten, wenn er nur gewusst hätte, wie man es anfängt, Pinkepeter zu werden. Gerade die Leichtigkeit des Redens und Handelns hätte er ihm abgucken mögen, da ihm die Leichtigkeit des Denkens ja doch versagt war. Ach! er gab sich alle erdenkliche Mühe, aber er sah keine Erfolge, der strebsame Hasepeter. Er tat ja alles, des Meisters Gunst zu erwerben; erntete er aber auch nur ein Wort des Lobes?

      Oh, er hatte kein Glück, er hatte kein Glück! Gewiss kam er durch eine rätselhafte Fügung stets an die Stellen, die des Pinkepeters Fuss vorher betreten, und die ihm vollständig leer dünkten; oder der Pinkepeter war vor ihm knurrend fortkomplimentiert worden; den Meister trauten sie sich nicht ordentlich zu verschimpfieren, aber über ihn fielen sie dann hanebüchen her, und er musste, mit Schimpf und Schande, mit wüsten Reden und wüsten Püffen überschüttet, rennen, was ihn seine Beine trugen. Fand er aber wirklich einmal eine verständnisvolle Seele, die ihm gerade Brot reichen wollte, wenn ihn hungerte, so hatte gewiss der Pinkepeter die dazu erspriessliche Butter, den milden Speck, oder gar das feine „Schmeerche“ schon vorher erhalten. Und er ass Butter und Speck und noch mehr „Schmeercher“ für sein Leben gern!

      Wie oft grübelte er darüber nach, warum das alles dem Pinkepeter zuteil wurde, förmlich für ihn vom Himmel fiel! Kein Wunder, dass ein gewisser Trübsinn, den er nicht recht in Worte kleiden konnte, des Hasepeters Leben überschattete, dass er oft, natürlich wenn er allein war, demütig zwar, aber dennoch heftig, sein Geschick beklagte. Manchmal tat er’s auch, wenn der Pinkepeter im Nebenzimmer war; darauf erscholl gewöhnlich ein herrisches Klopfen und auf des Hasepeters schmerzliches „Herein!“ trat der Meister unwirsch ein. „Ich hör dich alsfort lamentiere. Was hoscht for Schmerze? Wu kummt’s her? Du hoscht keen Qualitäte for dein Beruf! Do guck mich an! Was siehschste? En vollkommene Mensche, en egale Mensche: des is, ich füll mein Beruf reichlich und schenial aus. Hoscht du Resultate uffzuweise? Hoscht du Fortschritte zu gewärtige? Antwort: „nein“. Also dreh dich uff die anner Seit und loss die denksame Mensche schlofe. Nimm dein Kreiz auf dich, du folgscht m’r jo doch nit nach. Amen!“ Auf diese Rede hin getraute sich der Hasepeter nicht mehr zu rühren. Heldenhaft — schon um des Meisters würdig zu sein — verschluckte er seinen Schmerz und seine Tränen, und nur ein röchelndes Glucksen verriet seinen Kummer und seine Angst. Nur den Pinkepeter nicht erzürnen! Er war schrecklich in seiner Wut und schlug zu, wohin er traf!

      Trotzdem konnte ihm der Hasepeter nicht grollen, dazu bewunderte er ihn viel zu sehr! Nur hie und da beschlich ihn ein Zweifel, ob er wohl von der Kunst des Meisters etwas profitiert habe. Warum fiel denn gar nichts für ihn ab? Warum musste er sich so oft die Finger verbrennen und der Pinkepeter nicht? Es wollte ihn zu Zeiten dünken, als sei er selbst doch nicht ganz allein schuld daran. Diese frevlen Gedanken wagte er natürlich nicht klar auszudenken, und bei solcherlei Anwandlungen war ihm nicht wohl zumute. So wenig wohl, dass er nach solch verwegenen Nächten sich die Augen nicht aufzuschlagen getraute, wenn er es nicht gar zustand brachte, sich vor Tau und Tag, wie ein begossener Pudel, zu verziehen.

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