Arche Noah. Anna Croissant-Rust
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Название: Arche Noah

Автор: Anna Croissant-Rust

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788711466681

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СКАЧАТЬ jedesmal ruhig lachend: „Nein, nein! Wozu? Ich will noch etwas lesen,“ oder: „ich habe noch zu tun“, sogar seelenruhig: „ich will schlafen gehen!“ Waren das Gründe? Ich will lesen, ich will schlafen gehen! Das war ganz und gar unkameradschaftlich, das musste verstimmen, wenn das keine Ueberhebung war?! — Im Grunde verachtete er sie gewiss und er tyrannisierte sie ohne Frage, denn anstatt zu „karteln“ und lustig zu sein, sassen sie wie die Oelgötzen, konnten das Maul halten und ihm zuhören. Riss einer einmal eine saftige Zote, wieherte er nicht mit wie die andern, sass nur steif da und blies Rauchringeln in die Luft. Manchmal liess er sich herab zu sagen: „Das war einmal ausnahmsweise gut.“

      Die ersten Abende waren sehr animiert gewesen, sie fanden, er erzählte witzig und gut; dann war er ein freier Kopf, und man brauchte sich den Schnabel vor ihm nicht zu verbinden. Aber auf die Dauer bedrückte sein Wesen doch, das ihnen voll unausgesprochener Prätension zu stecken schien, und sie rächten sich nach seinem Weggehen jedesmal, indem sie in eine Art verbissene Lustigkeit verfielen und in wüstem, sinnlosem Lärm, in Geschrei, Gejohl und Betrunkenheit bis tief in den Morgen hinein sich gleichsam für jede Art der Enthaltsamkeit rächten, zu der sie durch ihn verurteilt wurden, wobei der schöne Wiener, seine tadellos beschuhten, wohlgeformten Beine ausstreckend, auch hie und da mittat, mit resigniertem, fast ärgerlichem Ausdruck in einer Ecke sass, sehr viel Schnäpse trank und von Zeit zu Zeit einen grellen Pfiff ausstiess.

      Des imposanten Wirtes kriegerische Figur erschien wohl in Zwischenräumen unter der Türe; sowie die späteren Nachtstunden oder besser die ersten Morgenstunden anrückten, war er verschwunden und der Schauplatz blieb der Tafelrunde und dem in schön geschwungenen Rundungen sich bewegenden Rosele allein überlassen, welch angenehmen Zustand der einem verfetteten Jockei ähnelnde Gerichtsschreiber in Verbindung mit dem k. k. Sekretär stets mit dem herrlichen Lied begrüsste:

      „Ziwui, ziwui, ziwui,

      Jetzt schlagt’s schon halber drui.“

      Eine derartige Nachfeier lag heute, für Nasen mit feiner Witterung unschwer erkenntlich, in der Luft; und als der Adjunkt mit seinem prachtvollen altmodischen Musikerkopf, mit seinem mächtigen dunklen Haupte, in dem ein Paar feurige und doch stille Augen in tiefen Höhlen sassen, von seinem Abendmahl aufsah, begegnete er einigen mürrischen und einigen fast unverhohlen hämischen Gesichtern.

      „Was gibt es Neues beim k. k. Gericht?“ frug der Doktor, dem nicht ganz klare Situationen unbehaglich waren.

      „Neues?“ Der Adjunkt lachte herzhaft. „Etwas Köstliches! Drei Frauenspersonen haben sie mir heut zugeführt, drei arme zusammengefrorene Weiberleute, die von Sterzing über den Brenner herübergekommen waren, blau wie die Zwetschgen, und die keinen Gewerbeschein, keinen Pass, nichts besassen —“

      „Gewerbeschein?“ unterbrach grinsend der keinerlei Ausweis.“

      „Herrgott,“ antwortete ärgerlich der Adjunkt, „die Frauensleute wollen Musik machen, sich ihren Unterhalt mit Musik verdienen, und hatten keinerlei Ausweis.“

      „Jung?“ frug gespannt der k. k. Gerichtsschreiber.

      „Teilweise. Die eine schon etwas übertragen.“

      „Jo jo, die Hab ich gesehen; die eine hot eine Harfen gehobt, jo, die andere eine Violine, wos?“ fragte der Bukowiener in seinem drolligen Deutsch.

      „Surrogat?“ meckerte der Kontrollor.

      „Ganz und gar nicht,“ erwiderte ernsthaft der Adjunkt, „hören Sie nur. Was sollte ich mit den drei Weiberln machen? Zitternd standen sie in meinem Bureau, das zum Glück gut geheizt war, so dass sie sich wenigstens auswärmen konnten. Einsperren kann ich sie doch nicht lassen, auf dem Schub fortbringen geht auch nicht, sie haben mich zu arg gedauert, besonders die Kleine, ein etwa sechzehnjähriges Ding mit kohlpechschwarzen grossen Augen.“

      „Sein sie Welsche?“ frug der Steuereinnehmer interessiert, und die Stammtischler rückten alle näher zusammen. Aber der Adjunkt hatte die Frage überhört. „Ich besinne mich hin und her, endlich fällt mir etwas ein, auf das ich sehr stolz bin, ein beinahe salomonisches Urteil. Die drei mussten mir den Beweis erbringen, dass sie das Recht hatten, sozusagen ambulante Musik zu machen: ich liess sie einfach musizieren. Sie wissen ja, mein Alter war Musiker von Fach in Wien, ich wäre beinah auch einer geworden, vielleicht ist es sogar schad um mich, — kurz und gut, ich hab von Kindesbeinen an nur gute Musik gehört und bin immer noch ein leidenschaftlicher Musiker. Versprochen hab ich mir natürlich nichts, aber helfen wollte ich den drei Weiblein. Als sie gestimmt hatten, und die Aeltliche, die die Harfe regierte, mit einer etwas blechernen Stimme anhub — sie sang rein, zitterte aber vor Angst — wollte mich schon ein Schauer überschleichen: ‚Du Esel, was hast du dir denn angetan!‘ Doch da setzte die Violine ein, zaghaft zuerst, dann immer sicherer, und nun tönte eine Stimme drein, so hell und rein, so sicher und überlegen: „Tirili-Tirili“, wie eine Lerche stieg die Stimme aus der jungen Brust, und ihr schloss sich die warme satte Stimme der Braunen mit der Violine an; nicht einmal der schüttere Alt der Dünnen, Langen und Aeltlichen machte sich schlecht. Ich muss meine Niedertracht schon ganz eingestehen, Lied um Lied und Stück um Stück liess ich die drei singen und horchte nur und horchte. Lauter gute Musik und alles ohne Noten, wie die Zigeuner. Es wurde immer besser, immer sicherer wurden die drei; das war eingesetzt wie auf einen Schlag, ein voller runder Ton, kein Schwanken oder Zaudern, Sapperment, das sass, mir zitterte das Herz vor Vergnügen!“

      „Sind es Zigeuner?“ frug der Bukowiener.

      „Keine Idee!“

      „Dann sein sie Behmen!“ sagte glänzenden Anges und voller Stolz der blasse, sanftgescheitelte Kontrollor mit der Stulpnase.

      „Ja, aus Mähren!“ schrien alle durcheinander, und der Tumult wollte sich nicht legen.

      „Weiter, weiter,“ drängte endlich der bukowienerische Bahnbeamte. „Wos hoben sie gesungen?“ indem er sich förmlich einen Weg aus dem Gewieher und Gelächter herausbahnte.

      „Keine Potpourris oder Opern oder so etwas. Viel altmodisches Zeug, kleine klassische Stücke, Lieder; sie musizierten alle drei immer eifriger. Die Schwarze, Kleine wurde ganz blass, ihr feines, schlankes Körperchen, das fast noch ein Kinderkörperchen war, bebte vor Hingebung, und der Braunen mit der Violine, einem schönen, üppigen Frauenzimmer mit ein paar dicken dicken Zöpfen und strahlenden Augen, stieg langsam die Röte vom Hals bis zur Stirne. Ich lockte sie dann alle drei noch auf den Hof des Bezirksgerichts herunter, die Herren kennen ja den grossen Hof, unter dem Vorwand, ich müsse hören, wie sich die Sache im Freien mache. Werden die Arrestanten eine Freude gehabt haben, als das Singen und Harfengerupfe drunten anfing und die Violine mit ihren schönsten Läufen dazwischen jubelte! Kein schlechtes Instrument übrigens, und mit Leidenschaft gespielt. Ich hab’s den armen Teufeln gegönnt, dass sie einmal einen Ohrenschmaus hatten. Kopf an Kopf drängten sie sich an die kleinen Fenster und hängten sich an die Gitter. Aber auch aus unsern k. k. Stuben, beim Hausmeister, beim Messner, zuletzt sogar beim Pfarrer fuhren die Köpfe durchs Fenster, männliche und weibliche, und alles horchte lächelnd wie bei einem Konzert. Nur ich stand mit strenger Amtsmiene und bösen Falten auf der Stirne und sah mir immer das kleine Mädel an, das so jubelnd sang wie eine Lerche: „Tirili-Tirili“. — Zuletzt begehrte ich noch: ‚Gott erhalte Franz den Kaiser‘, und schaut, es war wirklich schön, trotz der miserablen Kälte auf dem Hof wie auf einmal alles aus allen Fenstern mitbrummte, mitsummte, mitflötete, mitsang.“

      „Patriotismus,“ sagte gedehnt und verächtlich der brennrote Doktor, der sich gern als Spötter gab, wenn’s billig war.

      „Patriotismus! — Die liebe, wundervolle Melodie war’s, die uns mit fortriss! Der Pfarrer, die Arrestanten, die drei „inkriminierten“ СКАЧАТЬ