Arche Noah. Anna Croissant-Rust
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Название: Arche Noah

Автор: Anna Croissant-Rust

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788711466681

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СКАЧАТЬ über ihn kommen. Dann trottete er mit stiller Heiterkeit fürbass und erschrak auf einmal, wenn sich seine Lippen plötzlich zu einem vergnüglichen Pfeifen spitzen wollten.

      Das waren, nach Tagen der Erniedrigung, heimliche Freudenfeste für ihn. Segensreiche Spätherbsttage vielleicht, wo ihn das Glück ganz unvermutet überfiel, wo im Schutz des Nebels sich irgend etwas, was da kreucht und fleucht, oder süsse Aepfel und noch süssere Trauben unter seinen Rock verirrten. Das waren die Tage, wo es leise in ihm dämmerte, dass man seinen Beruf ausfüllen könnte, wenn man es könnte!

      Manch kleine Sünde passierte ihm in diesen Stunden zügelloser Freiheit. Er beroch z. B. seinen „Fund“ von allen Seiten, sah ihn mit verliebten Augen und schmatzenden Lippen an, und schwelgte schon in der Vorfreude des Empfanges durch den Meister. Wenn der erst solche Dinge sah! Der würde Respekt vor ihm kriegen! Aber, aber! Der Magen krümmte sich, die Verliebtheit war zu gross, der Hunger musste wohl auch zeitweilig seinen Geist verwirren, — es wollte ihm nicht gelingen, die gute Gottesgabe mit heiler Haut heimzubringen.

      Strafbare Gedanken überkamen ihn: es sei erspriesslicher, sich das ganze „ungedeelt“ angedeihen zu lassen, und es wollte ihn dünken, — verwirrten Geistes, wie er nun einmal war, — als schleppe eigentlich nur er immer nach Hause. Kam ihm dann ein Wald, ein Hohlweg oder eine Hecke in die Quere, war der Kampf schnell ausgekämpft. Ihn fror, er musste Feuer haben, ihn hungerte, er musste essen. Bald duckte sich ein Feuerlein hinter den Hecken, oder zwischen den Sandwänden des Hohlweges, und bald briet, schmorte und roch es, dass ihm das Wasser im Maule zusammenlief, und er mit halbblöden Augen fortwährend nach dem Objekt seiner Gier starrte. Wenn es nur endlich gar gewesen wäre! Das war ja die reinste Tortur! Zitternd vor lüsternem Verlangen sass er davor und fiel endlich darüber her, ehe es noch fertig war, und fand keine Ruhe, bis ihn die Backen schmerzten vor lauter Kauen, und bis es ausser aller Möglichkeit war, auch nur noch den kleinsten Bissen hinabzuwürgen.

      Das Drohen der blitzenden Säbel, die schmerzhaften Griffe solider Hände und das dunkle „Kittche“ hatte er ganz vergessen.

      Was er nicht mehr verschlingen konnte, trug er mit heim. Aber keineswegs mit ruhigem Gewissen. Nie hätte es der Hasepeter über sein Hasenherz gebracht, sich etwa seines Festmahls zu rühmen, wie es der Pinkepeter tat. Er suchte ängstlich alle Reste zu verbergen, genau wie ein Hund tut, der einen Knochen vergräbt; dabei führte er allerlei Kriegstänze aus, um den Pinkepeter abzulenken und die leckeren Abfälle seiner Schnüffelnase zu entziehen. Denn der schnüffelte alles heraus, darum hatte er auch stets was im Maul und stets etwas in den Taschen. Frei, offen, überlegen und prahlerisch verzehrte der Pinkepeter sein jeweiliges lukullisches Mahl vor dem Hasepeter, und es gereichte ihm zur besonderen Genugtuung, dabei schmatzen und rülpsen zu können und schmatzend und rülpsend zu lobpreisen, ohne auch nur nagelsgross an den hungrigen Genossen abzugeben. So was war hart, war Unmenschliches verlangt! Der Hasepeter vergass auch alle Mauern und Türen und kam jedesmal, des Vertrages nicht achtend, über den Kreidestrich gestürzt, bis der Meister ihn anschrie: „Du wüschder Kerl! Was kloppscht de dann nit an? Schäm dich! Du hoscht keen Ehr’ im Leib!“

      Demütig machte dann der hungernde Gescholtene: „klopf! klopf!“, grüsste, bettelte und nahm was gerade noch übrig war, mit einem Bückling in Empfang, wobei das Bäuchlein ein kleines selbständiges Freudentänzlein aufführte.

      Niemals schlief der Pinkepeter auf den Resten seiner Mahlzeit, wie es der Hasepeter tat. Freilich der Pinkepeter konnte gut lachen! Mit der Nase! Wo in aller Welt hatte er denn die Nase her? Er roch alles auf Stunden im Umkreis. Wo es etwas Gesottenes, Gebratenes oder Gebackenes gab, war er in der Nähe und wanderte schnuppernd auf und ab. Stets war er über den Küchenzettel des Städtchens orientiert und behauptete, „riechend“ fast ebenso geniessen zu können, wie essend; ja er behauptete, sich vortreffliche Menüs mit der Nase herstellen zu können, die er seine „Nasenmenüs“ nannte. Hatte er einmal einen Tag nichts zu essen, so sagte er geheimnisvoll und mit zwinkrigen Augen zum Hasepeter: „Heut han ich aber e foines Nasemenü gehatt, meenschde!“ Auch machte es ihm „Pläsier“, herauszubringen, wer nur Rindfleisch sott, bei wem ein Schweinebrätche im „Backöfche“ schmorte, wer eine Gans oder eine Ente schön knusprig briet, oder wer die goldigsten Pfannenkuchen buck.

      Alle guten Köchinnen kannte er, auch alle schwatzhaften, die ihre Küche und ihren Herd verliessen, um ihrer Schwatzlust zu fröhnen, alle trägen Hausfrauen wusste er zu nennen, die ihr Mittagbrot allein weiter brotzeln liessen, während sie mit aufgestemmten Armen unter dem Fenster lagen und auf die Strasse glotzten, auch alle guten Bürgerinnen, die sich mit dem Hasepeter, den er geschickt, am Haustor auseinandersetzten und dabei ihre Küche preisgaben.

      „Schweinebrätcher“ briet niemand so fein, wie die Madame Herrlein, die Wirtin zum grauen Bären, und „Pannekuche“ verstand niemand so delikat zu backen, wie die Eisenhut’n, die Hebamme. Diese letztere nützliche Dame hatte nebenbei noch die angenehme Eigenschaft am Leibe, sehr oft mitten in der häuslichen Betätigung geschäftlich abberufen zu werden. Deshalb weihte ihr der Pinkepeter sein ganz besonderes Interesse, ohne ihr vorgestellt zu sein, oder ihre Hilfe für irgend ein ihm Nahestehendes in Anspruch genommen zu haben.

      Sehr oft erwähnte er diese Dame dem Hasepeter gegenüber.

      „Die Eisenhut’n is e Staatsfraa! Die kann Pannekuche backe! Sie hot mich schunn als ingelad’“ „Pannekuche“ war das Höchste, was der Hasepeter kannte, aber sonderbar! ihn lud die Witib nicht ein, von ihr kriegte er keinen zu schmecken. Im Gegenteil, sie schimpfte gottsträflich, wenn er demütig darum bat.

      „Was? Pannekuche? Guck emol do! Du Tagdieb, du. Sei froh, wann d’ e trocke Stickl Brot hoscht! Pannekuche! So e Unverschämtheit!“

      Wehmütig trollte er sich. Er hatte doch seit seiner Firmelung keinen mehr gekriegt, und das war eine beträchtlich lange Zeit, wo ihm doch an allen Ecken und Enden seines umfangreichen Gesichtes die Stoppeln grau zu spriessen begannen!

      Das Stoppelgesicht war dem Pinkepeter ein Dorn im Auge, denn er selbst hielt etwas darauf, dass sein Gesicht blank und rein und täglich rasiert war. So präsentierte es sich halb wie das eines grossen Schauspielers, halb wie das eines grossen Verbrechers. Sein kostbarster Besitz war ein Rasiermesser, das er sorgfältig mit Anwendung immer neuer Finten vor dem Hasepeter versteckte. Aber der lachte nur gutmütig dazu.

      Ein Rasiermesser! Was hätte er denn mit einem Rasiermesser getan? Ja, wenn es ein „Pannekuche“ gewesen wäre! Für seine Zwecke besass er ja eine Schere und wenn er die Backen recht aufblies, fuhr sie liebevoll säubernd darüber. Sie schnitt nicht viel — er hatte sie in „der Bach“ gefunden — und war ganz ein Instrument des Friedens, was man dem Rasiermesser gar nicht nachsagen konnte. Das Rasiermesser schnitt wirklich, schnitt scharf und unerbittlich, das Rasiermesser war der Krieg, und so schnitt es — wenn auch nicht allein — auch den Faden durch, nein quasi die Nabelschnur, die ihn mit dem Pinkepeter verband. Anders die Schere, die sich von Anfang an alle Mühe gegeben, zu verbinden; sie wanderte durch Türen und Mauern, betätigte sich im Salon Pinkepeter wie im Salon Hasepeter und begleitete ihre friedliche Tätigkeit hüben und drüben mit einem lieblichen und eifrigen Gequietsche.

      Waren die beiden einmal „bös“, so war gewiss sie es, die sie versöhnte, und nie sang sie so laut und melodisch, wie an den Tagen, wo sie dem Pinkepeter helfen musste, trotzdem er „bös“ war, weil seine Schuhe allzu phantastisch um seine Füsse stunden, oder weil seine Locken zu heftig geworden waren. Der Hasepeter hörte ihr mit Innigkeit zu; das „Bössein“ konnte er durchaus nicht vertragen, und mit einem grossen Glücksgefühl genoss er dann wieder die allabendlichen Reden des versöhnten Meisters, die durch die Mauern tönten.

      „Gu’ Nacht, Kollesch.“

      Hasepeter antwortete: „Gu’ Nacht, werter Meischder.“

      Der СКАЧАТЬ