Название: Geistesgegenwärtig führen
Автор: Daniel Zindel
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная деловая литература
isbn: 9783862567140
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Wir können uns so fest auf die Leistung und das Produkt konzentrieren, dass wir dabei vergessen, die Gans zu füttern, das heißt den Aufbau und die Pflege der Produktionskapazitäten vernachlässigen.
Konkret sieht das dann so aus, dass wir immer mehr im »roten Bereich« arbeiten: Wir sind überlastet und übermüdet. Es gibt die ersten überdurchschnittlichen Krankheitsausfälle und Mitarbeiterlücken, die dann von den übrigen Mitarbeitenden auch noch abgedeckt werden müssen. Wir vernachlässigen unsere Professionalität, wir investieren kaum mehr in unsere Gemeinschaft und im geistlichen Bereich hapert es mit der Pflege der Spiritualität. Es fehlen dann immer mehr die Dynamik und die Frische.
Wo wir der Produktionskapazität zuwenig Sorgfalt schenken, gleichen wir bald dem Älteren der beiden verlorenen Söhne, der seinem Vater eines Tages zutiefst enttäuscht zugerufen hat: »Wie ein Arbeiter habe ich mich all diese Jahre für dich geschunden. Alles habe ich getan, was du von mir verlangt hast. Aber nie hast du mir auch nur eine junge Ziege gegeben, damit ich mit meinen Freunden einmal hätte richtig feiern können.«2 Offenbar hat sich dieser Sohn verausgabt, ohne genügend für sich zu sorgen. Er hat in der Haltung des Knechtes gearbeitet, statt in der Freiheit des Sohnes.
Der karge und stiefmütterliche Umgang mit sich selbst, anderen und mit Gott lässt die Produktionskapazität verkümmern. Auch wenn die Gans nicht gerade geschlachtet wird, sie legt ihre Eier spärlicher, freudloser. Die Eier werden kleiner oder sie sind aus Messing statt aus Gold.
Wir können uns aber auch zu sehr auf die Produktionskapazität konzentrieren und den Ausstoß an Leistung vernachlässigen. Es gibt Arbeitsgemeinschaften, Gemeinden und Werke, die sich vornehmlich um sich selbst drehen und mit sich selbst beschäftigt sind. Unser Miteinander wird zum Dauerthema. Störungen innerhalb der Gemeinschaft haben so stark Vorrang, dass man kaum zum Arbeiten kommt. Man verwöhnt sich selbst und vernachlässigt den Auftrag. Hier wird die Gans gemästet, was der Gänseleberproduktion, nicht aber dem Eierlegen förderlich ist.
Hier braucht es manchmal ein aufrüttelndes, prophetisches Wort, wie es einst Ezechiel den Politikern und geistlichen Führern, die als schlechte Hirten ihre Führungsaufgabe vernachlässigten, ausrichten musste:
»Lasst euch warnen, ihr Führer Israels! Ihr solltet für mein Volk wie Hirten sein, die ihre Herde auf eine gute Weide führen. Aber ihr sorgt nur für euch selbst. Ihr trinkt die Milch der Schafe, aus ihrer Wolle webt ihr euch Kleidung, und die fetten Tiere schlachtet ihr. Aber um eure Herde kümmert ihr euch nicht! Die schwachen Tiere füttert ihr nicht, die kranken pflegt ihr nicht gesund; wenn sich ein Tier ein Bein bricht, verbindet ihr es nicht. Hat sich ein Schaf von der Herde entfernt, holt ihr es nicht zurück; und wenn eines verlorenen gegangen ist, macht ihr euch nicht auf die Suche. Statt dessen herrscht ihr mit Härte und Gewalt.« 3
2. Sinn stiftet Gemeinschaft und spornt zu Leistung an
Wir haben anfangs miteinander die drei Aspekte einer christlichen Organisation kennen gelernt (spirituell, organisch, mechanisch). Wir vermögen jetzt auch zwischen Produktionskapazität und Produkt zu unterscheiden. Auf der folgenden Seite versuche ich, das bisher Gesagte in der Gestalt einer Pyramide zu kombinieren:
Die Produktionskapazität umfasst Sinn (spirituell), Gemeinschaft (organisch) und Leistung (mechanisch). Gemeinsam bilden wir als christliche Organisation eine Kapazität, um unsere Aufträge ganzheitlich zu erfüllen. Ich habe die Form der Pyramide darum gewählt, um eine gewisse Hierarchie der drei Dimensionen aufzuzeigen. Von der Spitze her soll letztlich alle Kraft und Steuerung ausgehen. Die geistliche Sinndimension bestimmt und durchdringt von oben her die Gemeinschaftsebene, die Gemeinschaftsebene prägt wiederum die Arbeitsgemeinschaft. »Der Mensch lebt nicht allein von Brot, sondern von allem, was der Herr ihm zusagt.«4 Dieses Wort Jesu gilt auch für eine Organisation und wird in der modernen Managementtheorie bestätigt:
»Kann eine Kultur überleben, wenn alle ihre Beziehungen nur kommerzieller Natur sind?« So fragte Jeremy Rifkin Anfang dieses Jahrhunderts. Wir fragen: Kann eine Organisation überleben, wenn sie sich ausschließlich auf ihren Leistungsausstoß und ihre Produkte konzentriert? Nein, ist unsere Antwort, dann glichen wir dem Bauern, der die Gans schlachtet. Wir zerstörten die Produktionsgrundlagen, wenn wir sie auf das Leistungsmäßige, Mechanische reduzieren wollten. Eine »bloße« Arbeitsgemeinschaft, die rein mechanisch funktioniert, ist auf Dauer kaum überlebensfähig und verliert vor allem ihre Berechtigung als christliche Organisation.
Selbst in nichtreligiösen Organisationen wird diese Tatsache heute sehr ernst genommen. »Sinn entfaltet sich nur, wenn die metaphysische Dimension in unseren Köpfen genauso wichtig genommen wird wie die profitträchtige ›brainpower‹ (Denkkraft), die wir als Mitarbeiter und Chefs zu Markte tragen. Der Hunger nach Sinn kreist um die ›added values‹ (zusätzlichen Werte) der menschlichen Existenz, um Ziele jenseits des Profits, um Werte, die den immateriellen Glanz in die materielle Produktewelt bringen. Das kühle Wort ›Beziehungsmanagement‹ beweist, dass wir davon wissen. Wir reden seit einigen Jahren auch im Management über diese offenen Optionen, die den Mitarbeitern und den Kunden zeigen, dass ihre Firma nicht nur zweckgerichtet, sondern sinnorientiert mit Menschen umgeht. Achtung und Wertschätzung, Vertrauen und Spielfreude bestimmen die Teams in Unternehmen, die den Traum vom Sinn zu ihrer Motivationsquelle gemacht haben. Eine solche Teamkultur ist der Gegenentwurf zur Kommerzialisierung aller Beziehungen.«5
Die Unternehmensberaterin Gertrud Höhler stellt die These auf, dass die Stiftung von Gemeinschaft und Sinn Kernkompetenzen für Führungskräfte von morgen sind: »Führung ist die Sinn-Agentur der Zukunft.«6 Leiter sind »Sinn-Macher«. Ich übernehme die Aussagen Höhlers gerne, wenn sie den Auftrag für Unternehmen nicht nur in der Wertschöpfung, sondern auch in der Sinnschöpfung sieht.
Allerdings bezweifle ich, dass Sinn letztlich »gemacht« werden kann. Sinn kann nur empfangen werden, wie wir uns auch sonst die wichtigsten Dinge im Leben wie etwa die zärtliche Liebe eines Partners oder die Geburt eines gesunden Kindes nur schenken lassen können. Gott ist der Sinn-Macher. Der Manager, der für seine Organisation die Rolle des Sinnstifters übernehmen will, wird sich letztlich überfordern. Wir können allerdings als Leitende selber an der Quelle, die Sinn stiftet, leben und im Berufsalltag auf sie hinweisen. »Wer durstig ist, der soll kommen. Jedem, der es haben möchte, wird Gott das Wasser des Lebens schenken.«7 Der Schöpfer ist die Quelle der Sinnschöpfung!
3. Investition in die Produktionskapazität und das Produkt
Leiten ist die Kunst und die Knochenarbeit, die Balance zwischen Produktionskapazität und Produkt zu halten. Die beiden sollen in optimalem Wirkungsgrad zueinander stehen. Wo christliche Organisationen krank werden oder eingehen, liegt die Ursache oft darin, dass die Akzente falsch gesetzt sind.
Richard Rohr erzählt von einem Netzwerk amerikanischer Basisgemeinschaften, das aus etwas 15 christlichen Organisationen bestanden hat, von denen im Verlaufe von nur wenigen Jahren alle bis auf zwei aufgelöst worden sind. Er sagt dazu: »Immer, wenn ich mit Jim Wallis darüber spreche, ist das sehr schmerzvoll für uns, und wir zerbrechen uns den Kopf darüber und fragen uns: Warum haben so viele Gemeinschaften angefangen und sind wieder eingegangen? Die plausibelste Antwort, die ich bisher gefunden habe, lautet: Sie haben sich selbst zu Tode gequält. Aber ich denke auch, dass sie sich schwer getan haben, Spiritualität und Engagement für die Fragen sozialer Gerechtigkeit zu integrieren. Einige von ihnen entwickelten sich zu sehr zu therapeutischen Gemeinschaften und sind implodiert.«8 Andere Gemeinschaften СКАЧАТЬ