Название: Geistesgegenwärtig führen
Автор: Daniel Zindel
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная деловая литература
isbn: 9783862567140
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»Dadurch nämlich, dass sie (die Mönche) die Körper- und Geisteskräfte zugleich üben, gleichen sie die Pflichten des äußeren Menschen mit den Anstrengungen des inneren in der Weise aus, dass sie an die flüchtigen Regungen des Herzens und das unstete Schwanken der Gedanken das Gewicht der Arbeiten wie einen starken und unbeweglichen Anker legen. «13 So beschreibt Johannes Cassianus, genannt Cassian (um 360 bis etwa 435), ein Seelsorger und Menschenkenner mit tiefenpsychologischem Gespür, wie dringend als Ausgleich zum geistlichen Leben die (Hand)arbeit gehört.
Wir haben mit einem Team, das aus schweizerischen und ugandischen Mitarbeitenden zusammengesetzt war, in Uganda/Ostafrika für Aidswaisen drei Kinderheime und ein Platzierungsprogramm in noch intakten Familien aufgebaut. Wir taten das zusammen mit unseren einheimischen Partnern, die der reformierten Kirche angehören. Meine schwarzen Brüder sind meine geistlichen Lehrmeister, wenn es darum geht, für das Wirken des Heiligen Geistes, zum Beispiel für die Gabe des Heilens, offen zu sein. Und doch: Mehr als einmal bin ich relativ frustriert von einer Inspektionsreise aus Afrika heimgekehrt mit dem bösen Spruch auf den Lippen »Sie haben einfach wieder ihren ›Godi‹ (engl. God = Gott) hervorgeholt«. Dieser etwas zynische Ausspruch soll verdeutlichen, dass ich mehrmals in heiklen Situationen, wo Abmachungen nicht eingehalten und Ziele nicht erreicht wurden, wo Konfliktlösungen oder einfach harte Knochenarbeit anstanden, dass in solchen Momenten der liebe Gott aus der Trickkiste gezogen wurde (»Gott hat uns gesagt«, »Der Heilige Geist hat es uns verwehrt«), weil man nicht fähig oder willens war, sauber zu arbeiten. Im selben Atemzug möchte ich weiterfahren: In unserer europäischen christlichen Führungskultur sind wir umgekehrt versucht, strukturelle, finanzielle oder gesetzliche Aspekte vorzuschieben, weil wir nicht fähig oder willens sind, sauber auf die Stimme des Heiligen Geistes zu hören.
Gelegentlich wird das Geistliche so absolut betont, dass damit das Kreatürliche abgewertet wird und auf der Strecke bleibt. Geistlich übersensibel und menschlich unspontan und unterkühlt muss man sich dann Heinrich Bölls scharfsinnige Analyse gefallen lassen: »Die Kinder der Finsternis sind oft herzlicher als die Kinder des Lichts.«
3. Die organische Betrachtungsweise: Unsere Organisation ist ein Leib
Hier stellt man sich die Organisation als Organismus vor. Sie ist etwas Lebendiges wie eine Pflanze. Die eine Organisation gleicht der Rosskastanie:
»Wie trägt sie bloß
Ihr hartes Los
In Straßenhitze und Gestank?
Und niemals Urlaub, keinen Dank!
Bedenk, Gott prüft sie ja nicht nur,
Er gab ihr auch die Rossnatur.« 14
Mit starker Konstitution nimmt eine Organisation härteste Frontarbeit auf sich und erweist sich dabei als äußerst belastbar.
Eine andere Arbeitsgemeinschaft ähnelt einer Fleisch fressenden Pflanze. Da findet ein unheimlicher Verschleiß und Wechsel an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern statt, Pfarrer oder Prediger kommen und gehen bald wieder. Im Vorstand hält es niemand länger als ein Jahr aus.
Eine dritte Organisation kommt klein und unscheinbar daher, dabei ist sie schön wie der stengellose Enzian in seinem Tiefblau:
»Bist du verzagt,
Weil dich so vieles überragt?
Schau in dies holde Angesicht
Und merk: Am Stengel liegt es nicht.« 15
Und dann gibt es noch die ganz sensiblen, die vor lauter Berührungsängsten oder Exklusivität kaum in Erscheinung treten. Sie gleichen dem Rührmichnichtan:
»Vom Kräutchen Rühremichnichtan
Im tiefsten Hinterhindostan
Wächst eine Art,
Die ist so zart,
Dass dieses Wesen sich bis heute
Schlechthin zu existieren scheute.
(Der Fall ist für die Wissenschaft Ganz rätselhaft.)« 16
Der Versuch lohnt sich, einmal seine eigene Gemeinde oder Organisation spielerisch mit einem Bild aus dem organischen Leben wie zum Beispiel mit einer Pflanze oder einem Tier zu vergleichen. Das ist nicht nur spannend, es wird uns lustig oder nachdenklich stimmen, und wir werden, wenn wir es gemeinsam als Team tun, unsere Vorstellungen von unserer Arbeitsgemeinschaft austauschen können.
Beim organischen Ansatz denken wir aber auch unwillkürlich an das klassische Bild des Leibes, der verschiedene Glieder hat: Hände, Augen, Füße, ein Gehirn, das Geschlecht. Alles ist miteinander verbunden und voneinander abhängig. Leidet ein Glied, leiden alle mit. Geht es dir gut, geht es mir letztlich auch gut.17
Welches Menschenbild liegt diesem Ansatz zugrunde? Hier wird der Mensch nicht so sehr in seiner Gottbezogenheit gesehen, sondern seine Beziehungsfähigkeit gegenüber dem Mitmenschen tritt in den Vordergrund. »Es ist nicht gut, dass der Mensch allein lebt.«18 Das Schwergewicht wird auf die Kooperation zwischen dem Ich und dem Du gelegt. Kommunikation als Anteilnehmen und Anteilgeben wird groß geschrieben. Der Mensch als Beziehungs- und Austauschwesen bringt sich in seine Arbeit ein. Das Motto lautet: Ich lebe in Beziehung, also bin ich. Wichtiges Werkzeug in der Organisation ist das Herz, die Herzlichkeit der Menschen.
Beschreiben wir die typischen Gesetzmäßigkeiten: Hier spricht das Herz mit seinen Schönheiten und Abgründen. Hier gelten alle Gesetze, die für Beziehungen gelten. Hier spielen Sympathie und Antipathie. Das flüchtige Fluidum des Eros tröpfelt oder trieft auch immer mit. Die Gefühle spielen eine große Rolle. Freude und Stolz, Eifersucht und Neid, Angst und Traurigkeit, Zufriedenheit oder Wut prägen das Miteinander. Unsere persönliche und emotionale Reife, aber auch Verletzungen und Kränkungen gestalten das Miteinander.
In der Kommunikation arbeiten unsere Sender und Empfänger präzise oder projektiv, wir agieren und reagieren angemessen oder völlig daneben – meist irgendwo dazwischen.
Wie in der geistlichen Dimension, so ist auch in der zwischenmenschlichen des Nehmens und Empfangens nicht alles mach- und steuerbar, und manches lässt sich auch hier nicht erzwingen. Dinge müssen reifen.
Welche Chancen und Gefahren gilt es zu berücksichtigen? Dieser Ansatz wird unserem Bedürfnis nach Austausch, Anerkennung und Beziehung gerecht. Hier werden wir als Menschen wahr- und ernstgenommen und nicht einfach als Produktionsfaktor oder als Gefäß, das Gott füllen möchte. Das Zusammenarbeiten ist nicht nur vom Leistungsausstoß oder von der geistlichen Ebene her bestimmt, das Miteinander hat Qualität. Man geht freundlich miteinander um, ist höflich, berühren ist erlaubt, Mann und Frau gewinnen Mut, persönlich zu werden und sagen danke. »Verlassen Sie das Büro nie im Zorn auf Ihre Kollegen!«,19 raten Vertreter dieses Ansatzes, wo die seelischen Regungen einer Organisation wichtig sind.
Eine erste Gefahr sehe СКАЧАТЬ