Gesammelte Werke (Über 800 Titel in einem Band). Joachim Ringelnatz
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke (Über 800 Titel in einem Band) - Joachim Ringelnatz страница 38

Название: Gesammelte Werke (Über 800 Titel in einem Band)

Автор: Joachim Ringelnatz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027203697

isbn:

СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      »Mars fest!« schallt es über Deck, und schon klettert alles die Wanten hinauf. Auf der Rahe komme ich neben Steuermann zu stehen. Er drückt mir die Hand. »Ich gratuliere auch noch.«

      »Danke.« – Ein Händedruck, der mich völlig kalt läßt.

      Zehn Minuten vor zwölf wecke ich die andere Wache. Beide Wachen gehen dann nach dem Halbdeck, wo Steuermann nach militärischem Beispiel »Wachtmusterung« abhält.

      »Alle beisammen?« höre ich ihn fragen.

      »Ja!« gibt die abgelöste Wache sehr laut, die ablösende ganz müde zurück. »Ruder verfangen. Mann auf Ausguck. Wacht zur Koje!«

      Jahn hat mich abgelöst, und ich melde das dem Steuermann.

      »Willst du wohl lauter melden!« schreit er mich an. Dann schickt er mich in die Kombüse, von wo aus ich die Meldung mit lauterer Stimme wiederholen muß. Hierauf krieche ich, da meine Decke naß ist, in Hermanns Koje. Hermann hat Wache. Vorher entledigte ich mich ausnahmsweise und zur Feier meines Geburtstages meiner Kleider. Ich träumte herrlich, süß, vier Stunden lang. –

      Als ich mit starken Kopfschmerzen erwachte, hörte ich Gustav über mir auf der Back marschieren. Er sang mit Begeisterung:

      Denn du hast ja

      Die schöne Berta

      Auf die Schultern geküßt.

      Wir hatten eine ganze Reihe derartiger Lieder, nach denen es sich vorzüglich marschierte.

      »Du kannst mir mal für'n Sechser ...«

      Das war ein beliebter Marsch, aber wir sangen auch ernstere, oft sehr hübsche Lieder. So ein kleines Volkslied mit einer treuherzigen Melodie:

      In einem Dörflein klein

      Da wohnt das Mädchen mein.

      Sie war so süß. Sie war so süß.

      Bei ihrem Hochzeitstanz,

      Da fiel aus ihrem Kranz

      Ein Röslein rot. Ein Röslein rot.

      Ich hob's von ihrem Fuß

      Und bat um einen Kuß.

      »Ich küsse nicht«, sprach sie, »ich küsse nicht.«

      Doch als der greise Held

      Uns alle rief ins Feld,

      Da schlang sie ihren Arm

      Mir um das Herz so warm.

      »Ich küsse dich«, sprach sie, »ich küsse dich!«

      Ich beobachtete eine sehr hübsche Naturerscheinung, nämlich eine große, rundliche Wolke in den Farben des Regenbogens.

      Das Krokodil lebte noch immer vergnügt, wenn auch fast regungslos, am Strick. Der Ameisenbär, den wir einsperren mußten, war wieder eines Tages ausgebrochen, hatte auf der Jagd nach Kakerlaken Kochs Koje schrecklich verwüstet, einen Lampenzylinder zerschlagen und die Sonnenvögel in Angst versetzt. Napoleon griff schließlich das wilde Tier mit einem Strohsack an, worauf es in die Takelage entfloh.

      Es war uns zum erstenmal geglückt, einen Delphin zu fangen, und zwar in der Weise, daß wir eine etwa 30 m lange Angelschnur achter nachschleppten. An dem Haken war nur ein weißes Leinwandläppchen als Köder befestigt. Der Fisch hatte angebissen. Drei Mann hoch mußten wir ihn an Bord ziehen. Er peitschte mit dem Schwanz wild das Wasser. Seine Farbe war goldgelb, fast wie Messing. Die Flossen und eine Reihe Punkte an seinem Leib schillerten tiefblau. Um ihn zu töten, mußte einer von uns auf die Schwanzflosse treten, während ich ihn mehrmals mit einer Handspake auf den Kopf schlug. Als wir ihn ausnahmen, veränderte er seine Farbe wie ein Chamäleon bis zum herrlichsten Smaragdgrün. Ich rettete mir die Schwanzflosse und legte sie mit Schmieröl eingerieben zum Trocknen auf das Achterdeck. Diese Art der Konservierung bewährte sich aber schlecht, denn ich fand den Fischschwanz einige Tage später halb verwest vor.

      Das Delphinfleisch wurde für die Kajüte in Butter, für uns in Margarine gebraten. An beiden Orten schmeckte es köstlich. Am Sonnabend, dem 10. August, kam die Südwestseite von Havanna in Sicht. Wir fingen drei Delphine und eine Horsmakrele, die etwa 80 cm lang war.

      Feine Brise hatte eingesetzt, so daß wir mitunter bis 71/2 Knoten in der Stunde liefen. Oh, wie froh war ich und waren wir alle darüber, denn um so früher würden wir nach Liverpool kommen. Die Maden im Biskuit vermehrten sich erstaunlich und wetteiferten in dieser Beziehung mit Spinnen und Ameisen. Dabei quälte uns Jahn zu Mittag noch immer mit seinen Ausführungen über gebratenes Geflügel. Irgendein anderer, der im Besitz eines Abreißkalenders war, pflegte bei dieser Gelegenheit das tägliche Sprüchlein mit dem anschließenden Speiseprogramm vorzutragen:

      Friede ernährt, Unfriede verzehrt. Kartoffelsuppe, Henne mit Reis.

      Einmal erlegten wir sogar einen Schweinsfisch mit der Harpune. Der lieferte uns für zwei Tage ausgezeichnetes Fleisch.

      Steuermann hatte mich wieder seit einiger Zeit besonders ins Herz geschlossen. Er schimpfte auf mich, warf mit allen möglichen harten Gegenständen nach mir und forderte die Matrosen auf, mich zu schlagen, »daß ich in keinen Sarg mehr passe«. Mit Ausnahme Augusts ließen sich jedoch die Matrosen dadurch nicht beeinflussen. Im Gegenteil, das machte den Steuermann bei einigen noch unbeliebter, als er schon war. Willy haßte ihn wie die Sünde, obgleich er ein Verwandter von ihm war. Es war sicher, daß es zwischen den beiden einmal zu einer tüchtigen Auseinandersetzung kommen würde. Nur August nahm sich Steuermanns Worte sehr zu Herzen. Einmal ließ er mich vier Stunden lang bei schlechtem Wetter auf Ausguck stehen und legte sich zum Schlafen nieder, statt mich nach der zweiten Stunde ordnungsgemäß abzulösen. Die Fälle, daß er mich zu Arbeiten zwang, die eigentlich ihm zukamen, mehrten sich mit der Zeit, so daß ich sehr erbittert wurde. Ich mußte das aber dulden, weil er den Steuermann auf seiner Seite hatte.

      Am 15. August ließ man mich acht Stunden hintereinander am Ruder stehen, nachdem man mir kaum Zeit gelassen, mein Abendbrot hinunterzuschlingen. Wir liefen sieben Meilen in der Stunde, machten also schnelle Fahrt.

      Ein Dreimaster hatte uns trotzdem überholt. Er fuhr in größerer Entfernung an uns vorbei, so daß man ihn ohne Glas nicht genau erkennen konnte. Vielleicht war es der Mexikaner, mein verlorenes Glück! Ich schlief jetzt nachts meistens an Deck, da ich im Logis vor der Katze nicht sicher war, die mich schon mehrmals nachts in die Nase gebissen oder gekratzt hatte.

      Kapitän Pommer hatte seine Papageien durch stundenlanges, geduldiges Vorsingen so weit erzogen, daß sie »Hepp, hepp, hurra!« rufen konnten. Sie taten das auch unaufhörlich und ehrten jeden, der am Bauer vorüberging, mit dieser Ovation.

      Dem Angelsport widmete ich mich jeden Abend mit Eifer. Außer einer Unmenge Seegras bissen auch manchmal Sauger an, schmale Fische mit abgeplatteten, gerieften Köpfen. Ich präparierte die Tiere, indem ich die Eingeweide herausnahm, den Leib mit Pfeifentabak ausstopfte, dann mit Zwirn zunähte und zum Trocknen auf die Kombüse legte. Sie wurden von den Matrosen aus Unverstand oder Böswilligkeit über Bord geworfen. Zu tun hatten wir immer. Die Ankerketten mußten umschäkelt werden, damit sie bei etwaigem Sturm nicht durcheinander geworfen wurden. Außerdem gab's immer zu waschen, scheuern, kratzen, schrubben, putzen, malen, schmieren, klopfen und so weiter.

      Gustav, СКАЧАТЬ