Название: Gesammelte Werke von Cicero
Автор: Марк Туллий Цицерон
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027209569
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Kap. XIII. In der Seele und insbesondere in ihrem vorzüglichsten Theile, der Geist genannt wird, giebt es mehrere Tugenden und hauptsächlich zwei Arten derselben, von denen die einen angeboren sind und ihrer Natur nach von dem Willen nicht abhängen, die andern aber von dem Willen abhängig sind und ihren Namen mit grösserem Rechte führen; sie bilden den vorzüglichsten Theil bei dem Lobe der Seele. Zur ersten Art gehören die Gelehrigkeit, das Gedächtniss u.s.w.; man befasst sie mit dem einen Namen der guten Anlagen und sie gelten als die Vorzüge geistreicher Menschen. Zur zweiten Art gehören die grossen und wahrhaften Tugenden, die man freiwillige nennt; so die Klugheit, die Mässigkeit, die Tapferkeit, die Gerechtigkeit und andere dieser Art. – So viel war, kurz zusammengefasst, über Leib und Seele zu sagen und damit ist gleichsam dargelegt, was die menschliche Natur verlangt. (§ 37.) Indem wir uns selbst lieben und Alles an unserm Leib und in unsrer Seele vollkommen haben wollen, so erhellt, dass alle diese Bestandtheile uns um ihrer selbst willen lieb sind und dass sie die wichtigsten Bestimmungsgründe für das gute Leben enthalten. Denn wenn Jemand sich erhalten will, so muss er auch die einzelnen Bestandtheile seiner selbst lieben und um so mehr lieben, je vollkommner und in ihrer Art lobenswerther sie sind. Denn man verlangt nach einem Leben, was die vollen guten Eigenschaften des Leibes und der Seele besitzt, und hierin muss das höchste Gut gefunden werden, weil es das sein soll, was man als das höchste von allen Dingen begehrt. Aus dieser Erkenntniss ergiebt sich unzweifelhaft, dass, da die Menschen sich um ihrer selbst willen und von selbst lieben, sie auch die einzelnen Bestandtheile ihres Körpers und ihrer Seele, sowie alle Dinge, die zu den Zuständen und Bewegungen gehören, in ihrer Selbstliebe mit befassen und nm deren selbst willen begehren sollen. (§ 38.) Aus diesen Darlegungen ergiebt sich leicht, dass das an uns selbst, was den meisten Werth hat, auch am meisten zu begehren ist, und dass die guten Eigenschaften unserer besten und um ihrer selbst begehrenswerthen Theile auch am meisten erstrebt werden müssen. Deshalb müssen die guten Eigenschaften der Seele denen des Körpers vorgezogen werden und die von dem Willen abhängenden Tugenden der Seele müssen den natürlichen guten Anlagen derselben vorgehn. Jene heissen deshalb vorzugsweise die Tugenden und stehn höher, weil sie aus der Vernunft hervorgehn, welche das Göttlichste im Menschen ist. Denn bei allen von der Natur erzeugten und erhaltenen Dingen, die entweder leblos oder nicht viel besser sind, ist das höchste Gut körperlicher Art, und deshalb ist es ein treffender Ausspruch über das Schwein, dass diesem Thier die Seele nur statt des Salzes gegeben sei, damit es nicht verfaule.
Kap. XIV. Es giebt aber auch Thiere, die etwas von Tugend an sich haben, so die Löwen, die Hunde, die Pferde; an ihnen bemerkt man nicht blos körperliche Thätigkeiten, wie bei den Schweinen, sondern auch einzelne geistige. In dem Menschen steckt aber die höchste aller Seelenthätigkeiten und in dieser als Höchstes die Vernunft, woraus die Tugend besteht, welche als die Vollendung der Vernunft definirt wird und die man immer von Neuem zu erklären für nöthig hält. (§ 39.) Selbst bei den Gegenständen, welche die Erde hervorbringt, zeigt sich eine Erziehung und Vervollkommnung, welche der bei den lebenden Wesen gleicht. Deshalb spricht man von dem Leben und Sterben des Weinstocks und von der Kraft eines jungen und von der Hinfälligkeit eines alten Baumes. Deshalb kann man bei ihnen ebenso, wie bei den lebendigen Wesen, das eine für naturgemäss und das andere für naturwidrig halten und für ihre Vermehrung und Ernährung eine Pflegerin annehmen, die in der Kenntniss und dem Kopf des Landmannes besteht; sie beschneidet, verkürzt, richtet auf, zieht in die Höhe und unterstützt, damit jene so weit, als die Natur gestattet, sich ausbilden. Deshalb würden die Weinstöcke, wenn sie sprechen könnten, selbst anerkennen, dass sie solcher Behandlung und solchen Schutzes bedürfen. Zwar kommt jetzt das, was den Weinstock, um bei diesem stehen zu bleiben, schützt, von aussen; die Kraft in ihm selbst ist zu schwach, als dass er ohne äussere Pflege sich in gutem Zustande erhalten könnte. (§ 40.) Wenn aber der Weinstock auch Sinne bekäme, so dass er nach Etwas verlangen und sich selbst bewegen könnte, was meinst Du wohl, dass er da thun würde? Würde er etwa nur für eben das sorgen, was der Winzer früher besorgt hat? Würde nicht vielmehr auch die weitere Sorge hinzutreten, seine Sinne und deren Begehren und die dazu gehörigen Werkzeuge gesund zu erhalten? Er wird also mit dem, was er früher besass, das später Hinzugetretene vorbinden und nicht blos die Zwecke fest halten, die der Weinbauer bei ihm verfolgte, sondern er wird auch seiner später hinzugekommenen Natur gemäss leben wollen Sein höchstes Gut wird jetzt zwar dem frühern ähnlich, aber nicht genau dasselbe sein; er wird nicht blos das Gut einer Pflanze, sondern auch das eines lebenden Wesens begehren. Wie aber, wenn der Weinstock nicht blos menschliche Sinne, sondern auch eine menschliche Seele erhielte? Müsste nicht da neben der Pflege des Früheren das neu Hinzugekommene ihm noch viel werther sein und müsste er nicht die besten Theile der Seele am meisten lieben und in deren voller Entwicklung das natürliche höchste Gut erkennen, weil die Seele und die Vernunft das Vorzüglichste von Allem ist? So erhebt er sich zu dem letzten aller Ziele, geführt von der Empfehlung der Natur durch viele Stufen, um zu dem Höchsten zu gelangen, was in der Vollständigkeit und Unverletztheit des Körpers und der vollkommnen Vernunft der Seele zusammen besteht.
Kap. XV. (§ 41.) Wenn also die Natur in dieser Weise beschaffen ist, so würde, wenn man gleich bei der Geburt sich selbst keimte und die Kraft der ganzen Natur und ihrer einzelnen Theile beurtheilen könnte, man fortwährend wissen, was das höchste und äusserste Gut sei, nach dem Alle verlangen, und man würde bei keiner Sache fehlgreifen können. Allein in Wirklichkeit ist die Natur im Anfang wunderbar verhüllt und sie kann weder durchschaut, noch erkannt werden. Nur mit zunehmenden Jahren lernt man sich selbst allmählich und langsam kennen. Deshalb ist jene Empfehlung, welche die Natur uns zuerst giebt, unsicher und dunkel und die ersten Triebe lassen die Seele nur für Gesundheit und Unverletztheit sorgen. Erst wenn der Mensch beginnt zu durchschauen und zu wissen, was er ist und wie er sich von den Thieren unterscheidet, beginnt er Dem nachzugehn, zu welchem er geboren ist. (§ 42.) Aehnliches sieht man schon bei den Thieren, die anfänglich sich nicht von dem Orte, wo sie geboren sind, fortbewegen; erst später erwachen bei jedem seine eigenthümlichen Triebe; die kleinen Schlangen fangen an zu kriechen, die Enteilen zu schwimmen, die Amselchen zu flattern, die jungen Ochsen mit ihren Hörnern zu stossen, die Skorpione mit dem Stachel zu stechen, und so wird eines Jeden Natur seine Führerin im Leben. Dasselbe bemerkt man bei dem menschlichen Geschlecht. Die neugebornen Kinder liegen so da, als ob sie gar keine Seele hätten; sind sie aber etwas zu Kräften gekommen, so gebrauchen sie schon ihren Verstand, verlassen sich auf ihre Sinne, richten sich in die Hohe, benutzen ihre Hände und erkennen Die, welche sie erziehen. Später ergötzen sie sich an ihren Altersgenossen, gesellen sich gern zu ihnen, spielen gemeinschaftlich, hören gern kleine Geschichten erzählen, geben von ihrem Ueberfluss Andern ab, bemerken, was im Hause vorgeht und beginnen neugierig Manches zu überdenken oder zu lernen; sie wollen die Namen der Dinge, die sie sehen, wissen; sie lassen sich in Wettstreit mit ihren Spielgenossen ein und freuen sich höchlich, wenn sie gesiegt haben, oder sind niedergeschlagen, wenn sie unterlegen sind; und Alles dies geschieht offenbar nicht ohne Ursache. (§ 43.) Denn von Natur sind des Menschen Kräfte so beschaffen, dass sie zur Erreichung alles Vortrefflichen wie gemacht erscheinen, und deshalb werden schon die Kinder durch die Bilder der Tugend; deren Keime sie in sich tragen, auch ohne Unterricht gerührt. Die ersten Elemente sind es, durch deren Steigerung gleichsam das Gedicht der Tugend zu Stande gebracht wird. Wir sind von Natur so beschaffen, dass die Grundlagen der Thätigkeit, der Liebe, der Freigebigkeit und Dankbarkeit in uns liegen und dass unsre Seele für die Wissenschaft, Klugheit und Festigkeit befähigt ist und von deren Gegentheilen sich abwendet. Deshalb erblickt man mit Recht gleichsam die Funken der von mir genannten Tugenden schon in den Knaben; an ihnen muss sich die Vernunft des Philosophen entzünden, damit er ihr, gleich einem Gotte, nachfolgend das höchste Ziel der Natur erreiche. Denn schon in dem Kindesalter und in dessen schwachem Geiste kann mau, wie ich oft gesagt, die Kraft der Natur gleichsam durch den Nebel erkennen, СКАЧАТЬ