Название: Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen
Автор: Henrik Ibsen
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075836106
isbn:
Sie hat etwas extravagante Formen, –
Nicht stimmend ganz mit der Schönheit Normen;
Doch was ist Schönheit? Ein Herkommen nur, –
Eine Münze, gangbar nach Ort und Uhr.
Und just das Extravagante schmeckt süppig,
Auslöffeltest du die normale Welt.
Wo die Regel herrscht, wirst um den Rausch du geprellt.
Entweder höchst mager oder höchst üppig,
Entweder blutjung oder schreckhaft alt; –
Was dazwischen, läßt kalt.
Ihre Füße – sind zwar nicht blendend an Reine,
Auch die Arme sind’s nicht, zumal nicht der eine.
Doch ist dies schließlich’ kein arges Laster.
Ich nennt’ es eher ein Schönheitspflaster – –
Anitra, hör’ zu!
Anitra (nähert sich.)
Deine Sklavin lauscht!
Peer Gynt.
Du bist reizend, Kind! Der Prophet ist berauscht!
Und willst Du nicht glauben, vernimm als Beweis:
Er macht Dich zur Huri im Paradeis.
Anitra.
Unmöglich, Herr!
Peer Gynt. Du glaubst, es sei Scherz?
Ich schwör’ Dir’s, so wahr ich hier sitze, mein Herz!
Anitra.
Doch ich hab’ keine Seele.
Peer Gynt. Die kannst Du erhalten.
Anitra.
Doch wie, o Herr?
Peer Gynt. Des laßmich nur walten.
Ich werd’ Dein Erzieher und geb’ Dir Stunden.
Keine Seele! Ja, dumm bist Du freilich, Schatz,
Wie man sagt. Das hab’ ich mit Schmerz empfunden.
Doch für eine Seel’, da ist immer noch Platz.
Komm her; laß mich Deinen Hirnkasten messen. –
Ich hab’s doch gewußt: Hier ist Raum; hier ist Raum.
Zwar wirst Du nicht Weisheit mit Löffeln essen;
Denn ‘ne sonderlich große Seele wird’s kaum – –
Ach, was! Ich will Dir wohl, wie Du sehn kannst; –
Du sollst so viel kriegen, daß Du bestehn kannst – –
Anitra.
Der Prophet ist gut, doch – –
Peer Gynt. Du willst nicht einmal?
Anitra.
Ich wünschte lieber –
Peer Gynt. Sprich ohne Hehl!
Anitra.
Ich mache mir nicht so viel aus ‘ner Seel’; –
Gib mir lieber –
Peer Gynt. Was?
Anitra (zeigt auf seinen Turban.)
Diesen schönen Opal!
Peer Gynt (hingerissen, indem er ihr das Schmuckstück reicht.)
Anitra! Evaskind, unverzagtes!
Magnetisch lockst Du; denn ich bin Mann,
Und – ein geachteter Schriftsteller sagt es: –
“Das ewig Weibliche zieht uns an!”
(Mondscheinnacht. Palmenhain vor Anitras Zelt.)
(Peer Gynt, mit einer arabischen Laute in der Hand, sitzt unter einem Baume. Sein Haar und Bart sind gestutzt; er sieht bedeutend jünger aus.)
Peer Gynt (spricht und singt.)
Ich sperrte zu mein Paradies
Und nahm den Schlüssel mit.
Der Nord mein Schiff vom Strande blies,
Indes die Schönen, die ich ließ,
Nachweinten meinem Schritt.
Gen Süden schnitt des Kieles Pflug
Der Salzflut schwankend Land.
Wo schlanker Palmen stolzer Zug
Geleitet blauer Buchten Bug,
Da steckt’ ich es in Brand.
Ein Wüstenschiff erklettert’ ich,
Ein Schiff auf Beinen vier.
Aufschäumt’ es unterm Sporenstich; –
Ich bin ein Vogel; fange mich, –
Vom Zweig ich tirilier’!
Anitra, Palmenmost! Wer mäß’
Von Dir genug sich zu!
Selbst der Angoraziege Käs
Ist kaum ein halb so süß Geäs,
Anitra, ach, denn Du!
(Hängt die Laute über die Schulter und kommt näher.)
Lauscht sie mit gespannter Miene?
Hat mein Liedchen sie gehört?
Späht sie, hinter der Gardine,
Undrapiert und hold betört?
Horch! Das klang, als ob gewaltsam
Von ‘ner Flasch’ der Stöpsel sprang.
Da! Da wieder! Welch ein Klang!
Liebesseufzer? – Nein, Gesang; – –
Nein, – ein Schnarchen, unaufhaltsam. –
Süßer Laut! Anitra, schlummere!
Nachtigall, hör’ auf zu flehn!