Zu Vermieten. John Galsworthy
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Читать онлайн книгу Zu Vermieten - John Galsworthy страница 9

Название: Zu Vermieten

Автор: John Galsworthy

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Forsyte

isbn: 9783958131255

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СКАЧАТЬ der lebhaften Verträumtheit der dunklen Augen erinnerte ihn auf unwiderstehliche Weise an sie. Seltsam, dass Fleur dunkle Augen hatte, wo doch seine eigenen grau waren – kein reiner Forsyte hatte braune Augen – und die ihrer Mutter blau! Aber natürlich waren die Augen ihrer Großmutter Lamotte dunkel wie Zuckerrübensirup!

      Er ging weiter Richtung Hyde Park Corner. In ganz England gab es keinen anderen Ort, an dem sich so viel verändert hatte, wie in der Rotten Row! Da er fast in Rufweite von ihr geboren worden war, konnte er sich an sie ab 1860 erinnern. Als Kind hatte man ihn hierher zwischen die Reifröcke gebracht, um Dandys mit engen Hosen und Koteletten anzustarren, die in militärischer Haltung auf ihren Pferden saßen, um das Lüften von weißen Zylindern mit gebo­gener Krempe zu beobachten, die Atmosphäre von Gemächlichkeit bei alledem und den kleinen krummbeinigen Mann mit langer roter Weste, der sich immer mit Hunden an mehreren Leinen unter das vornehme Volk mischte und versuchte, seiner Mutter einen davon zu verkaufen: King Charles Spaniels, Italienische Windspiele, die von ihrem Reifrock angetan waren – jetzt gab es das alles nicht mehr zu sehen. Es gab tatsächlich überhaupt keine Vornehmheit mehr zu sehen, nur Arbeiter, die stumpfsinnig nebeneinandersaßen und nichts anzustarren hatten außer ein paar jungen drallen Frauen mit Bowlern, die im Herrensitz ritten, oder unsteten Leuten aus den Kolonien, die auf elend aussehenden Gäulen auf und ab ritten, und hier und da kleinen Mädchen auf Ponys, oder alten Herren, die ihre Leber auf Trab brachten, oder einer Ordonnanz, die sich an einem großen einherstolzierenden Kavalleriepferd versuchte, keine Vollblüter, keine Reitknechte, kein Verbeugen, kein Bückling, kein Getratsche – nichts, nur die Bäume waren noch dieselben – den Bäumen waren die Generationen und der Niedergang der Menschheit einerlei. Ein demokratisches England – chaotisch, hektisch, laut und anscheinend ohne Spitze. Und jene heikle, anspruchsvolle Seite in Soames’ Wesen regte sich. Sie waren für immer Vergangenheit, die exklusiven Kreise von Klasse und Schliff! Wohlstand gab es noch – oh ja! Wohlstand! – er selbst war reicher, als sein Vater es jemals gewesen war. Doch Distinguiertheit, Atmosphäre, Vornehmheit – alles dahin, verschlungen von einem einzigen riesigen, hässlichen, hektischen, nach Benzin stinkenden Rummel. Kleine halbbesiegte Rudimente von Vornehmheit und gesellschaftlicher Klasse hielten sich noch hie und da im Verborgenen, verstreut und chétif, wie Annette sagen würde, aber nichts würde je wieder so solide und in sich geschlossen sein, dass man dazu aufsehen konnte. Und in diesen Wirrwarr von schlechten Manieren und lockerer Moral war seine Tochter – die Blüte seines Lebens – hineingeworfen worden! Und wenn diese Typen von der Labourpartei an die Macht kamen – falls es je soweit kommen würde –, dann stand das Schlimmste noch bevor.

      Er ging unter dem Torbogen hindurch, der – Gott sei Dank! – endlich nicht mehr durch das Rauchgrau seines Scheinwerfers verunstaltet wurde. Die sollten besser dort einen Scheinwerfer hinstellen, wo sie alle hingehen, dachte er, und ihre tolle Demokratie beleuchten! Und er lenkte seine Schritte an den Fronten der Klubs in der Piccadilly entlang. George Forsyte würde bestimmt im Erkerfenster des Iseeum sitzen. Der Kerl war inzwischen so massig, dass er fast seine gesamte Zeit dort verbrachte, wie ein stetes, sardonisches, humorvolles Auge, das den Niedergang der Menschen und ihrer Welt beobachtete. Und Soames ging schnell weiter, da er sich unter dem Blick seines Cousins immer unbehaglich fühlte. George hatte, so war ihm zu Ohren gekommen, mitten im Krieg einen Brief mit der Unterschrift Patriot geschrieben, worin er sich über die Hysterie der Regierung bezüglich der Kürzung des Hafers für Rennpferde beklagte. Ja, da saß er, groß, massig, gepflegt, glattrasiert, mit glattem, kaum dünner gewordenen, ganz sicher nach dem besten Haarwasser duftenden Haar und einem Pferderennprogramm in der Hand. Nun, der veränderte sich nicht! Und vielleicht das erste Mal in seinem Leben empfand Soames für jenen spöttischen Verwandten ein leises Gefühl von so etwas wie Sympathie hinter seiner Weste.

      Mit seiner Masse, seinem perfekt gescheitelten Haar und seinem stieren Blick war er ein Garant, dass die alte Ordnung noch ein paar Veränderungen wegstecken konnte. Er sah George mit dem Rennprogramm winken, als wolle er ihn einladen, zu ihm zu kommen – bestimmt wollte er ihn etwas wegen seines Vermögens fragen. Es wurde noch immer von Soames geregelt, denn als er in jener schmerzlichen Zeit vor zwanzig Jahren, als er sich von Irene hatte scheiden lassen, eine stille Teilhaberschaft übernommen hatte, hatte Soames fast unbewusst die Handhabung aller reinen Forsyte-Angelegenheiten übernommen.

      Er zögerte nur kurz, nickte dann und ging hinein. Seit dem Tod seines Schwagers Montague Dartie in Paris, den niemand so recht einordnen hatte können, außer dass es wohl sicherlich kein Selbstmord gewesen war, erschien der Iseeum Soames respektabler. Auch George hatte sich, wie er wusste, die Hörner endgültig ab­gestoßen, widmete sich nun ausschließlich den Tafelfreuden und aß nur vom Allerbesten, um sein Gewicht zu halten, und besaß, wie er sagte, »nur noch ein, zwei alte Gäule, um das Leben interessant zu machen«. Daher empfand er nicht jenes peinliche Gefühl der Unangemessenheit, das er sonst immer gehabt hatte, als er sich zu seinem Cousin ins Erkerfenster gesellte. George streckte ihm eine gut gepflegte Hand entgegen.

      »Habe dich seit dem Krieg nicht mehr gesehen«, sagte er. »Wie geht es deiner Frau?«

      »Danke«, sagte Soames kühl, »ganz gut.«

      Ein stiller Spott verzog für einen Augenblick Georges fleischiges Gesicht und blitzte hämisch in seinen Augen auf.

      »Dieser Belgier, Profond«, sagte er, »ist jetzt Mitglied hier. Ein ­komischer Kerl.«

      »Wohl wahr!«, murmelte Soames. »Weswegen wolltest du mich sprechen?«

      »Wegen dem alten Timothy, er könnte jeden Moment den Löffel abgeben. Ich nehme an, er hat sein Testament gemacht.«

      »Ja.«

      »Nun, du oder irgendwer sollte ihm mal einen Besuch abstatten – ist der letzte von der alten Truppe, hundert ist er jetzt. Er soll wie eine Mumie sein. Wohin willst du ihn denn stecken? Er hätte eine Pyramide verdient.«

      Soames schüttelte den Kopf. »Highgate, in die Familiengruft.«

      »Nun, die alten Mädels würden ihn wohl vermissen, wenn er irgendwo anders wäre. Er soll noch immer Interesse am Essen haben. Er könnte es auch noch länger machen. Kriegen wir denn gar nichts für die alten Forsytes? Zehn von ihnen – Durchschnittsalter achtundachtzig – ich hab’s ausgerechnet. Das ist doch in etwa wie Drillinge.«

      »Wäre das alles?«, fragte Soames. »Ich muss weiter.«

      Ungeselliger Kerl!, schienen Georges Augen zu sagen. »Ja, das wäre alles. Besuch ihn in seinem Mausoleum – vielleicht will der alte Junge ja irgendwas verkünden.« Das Grinsen erlosch auf seinen fleischigen Gesichtszügen und er fügte hinzu: »Habt ihr Anwälte denn noch keinen Weg erfunden, diese verdammte Einkommenssteuer zu umgehen? Die setzt dem ererbten festen Einkommen höllisch zu. Früher habe ich zweitausendfünfhundert pro Jahr gehabt, jetzt habe ich nur noch mickrige fünfzehnhundert, und die Lebenshaltungskosten sind doppelt so hoch.«

      »Ah!«, murmelte Soames, »die Pferderennen sind bedroht.«

      Verteidigender Spott blitzte kurz in Georges Gesicht auf.

      »Naja«, sagte er, »ich wurde zum Nichtstun erzogen, und nun steh ich hier und werde immer älter und mit jedem Tag ärmer. Diese Kerle von der Labourpartei wollen doch alles haben. Wie willst du dir deinen Lebensunterhalt verdienen, wenn es soweit kommt? Ich werde sechs Stunden pro Tag arbeiten und Politikern beibringen, wie man einen Witz erkennt. Hör auf meinen Rat, Soames, geh ins Parlament, sichere dir deine vierhundert – und stell mich an.«

      Und als Soames ging, nahm er wieder seinen Platz im Erkerfenster ein.

      Tief in Gedanken über die Worte seines Cousins versunken, ging Soames die Piccadilly entlang. Er selbst hatte immer gearbeitet und gespart, George hatte immer nichts getan und ausgegeben. Dennoch, wenn die Konfiszierung einmal begann, dann wäre er СКАЧАТЬ