Название: Zu Vermieten
Автор: John Galsworthy
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Forsyte
isbn: 9783958131255
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»Nichts als Schönheit, mein Schatz.«
»Was genau ist Schönheit?«
»Was genau – oh, Jon, das ist eine schwierige Frage.«
»Kann ich sie zum Beispiel sehen?« Seine Mutter stand auf und setzte sich neben ihn. »Du siehst sie jeden Tag. Der Himmel ist schön, die Sterne, und mondhelle Nächte, und dann die Vögel, die Blumen, die Bäume – sie alle sind schön. Sieh aus dem Fenster – dort ist Schönheit für dich, Jon.«
»Oh! Ja, die Aussicht. Ist das alles?«
»Alles? Nein. Das Meer ist wunderschön, und die Wellen mit ihrem Schaumkamm.«
»Bist du jeden Tag aus dem Schaum gestiegen, Mama?«
Seine Mutter lächelte. »Naja, wir haben gebadet.«
Der kleine Jon streckte plötzlich die Arme aus und umfasste mit seinen Händen ihren Nacken. »Ich weiß«, sagte er geheimnisvoll, »du bist es, wirklich, und alles andere scheint oder tut nur so.«
Sie seufzte, lachte und sagte: »Ach, Jon!«
Der kleine Jon sagte kritisch: »Findest du zum Beispiel Bella schön? Ich nicht wirklich.«
»Bella ist jung, das hat schon etwas.«
»Aber du siehst jünger aus, Mama. Wenn man gegen Bella stößt, tut das weh. Ich glaube nicht, dass Da schön war, wenn ich es mir recht überlege, und Mademoiselle ist fast schon hässlich.«
»Mademoiselle hat ein sehr nettes Gesicht.«
»Oh, ja, nett. Ich mag deine kleinen Strahlen, Mama.«
»Strahlen?«
Der kleine Jon legte seinen Finger an den äußeren Winkel ihres Auges.
»Ach, die? Aber die sind ein Zeichen des Alters.«
»Die kommen, wenn du lächelst.«
»Aber früher war das nicht so.«
»Oh, naja, ich mag sie jedenfalls. Liebst du mich, Mama?«
»Ja – ich liebe dich, mein Schatz.«
»Ganz arg?«
»Ganz arg!«
»Mehr, als ich dachte?«
»Viel, viel mehr.«
»Ich dich auch, dann sind wir also quitt.«
In dem Bewusstsein, dass er sich nie zuvor in seinem Leben eine solche Blöße gegeben hatte, spürte er einen plötzlichen Umschwung zu der Männlichkeit von Sir Lamorac, Dick Needham, Huck Finn und anderen Helden.
»Soll ich dir mal was zeigen?«, sagte er, schlüpfte aus ihren Armen und machte einen Kopfstand. Dann, angefeuert von ihrer offensichtlichen Bewunderung, stieg er aufs Bett und warf sich aus dem Stand mit dem Kopf voran auf den Rücken, ohne etwas mit den Händen zu berühren. Er wiederholte es mehrere Male.
An jenem Abend blieb er, nachdem er ihre Mitbringsel inspiziert hatte, fürs Abendessen auf und saß zwischen ihnen an dem kleinen runden Tisch, den sie nutzten, wenn sie allein waren. Er war schrecklich aufgeregt. Seine Mutter trug ein französisch-graues Kleid mit cremefarbener Spitze aus kleinen Rosen um ihren Hals, der brauner als die Spitze war. Er sah sie unentwegt an, bis das lustige Lächeln seines Vaters ihn schließlich plötzlich seine Aufmerksamkeit auf seine Ananasscheibe richten ließ. Als er zu Bett ging, war es später, als er je aufgeblieben war. Seine Mutter ging mit ihm nach oben und er zog sich sehr langsam aus, damit sie noch länger dablieb.
Als er schließlich nur noch seinen Schlafanzug anhatte, sagte er: »Versprich mir, dass du noch bleibst, bis ich meine Gebete gesagt habe!«
»Ich verspreche es.«
Der kleine Jon kniete sich hin, drückte das Gesicht in sein Bett und flüsterte hastig los und öffnete hin und wieder ein Auge, um sie ganz still und mit einem Lächeln im Gesicht dastehen zu sehen. Vater unser im Himmel – so lautete sein letztes Gebet – geheiligt sei deine Mama, dein Königreich Mama, wie im Himmel so auf Erden, unsere tägliche Mama gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie im Himmel so auf Erden, und sei auch du unser Schuldiger, denn dein ist das Böse, die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amama! Pass auf!
Er sprang auf und blieb eine lange Minute in ihren Armen. Als er schließlich im Bett lag, hielt er weiter ihre Hand fest. »Weiter machst du die Tür aber nicht zu, oder? Bleibst du noch lange da, Mama?«
»Ich muss nach unten und für Papa Klavier spielen.«
»Ach so, naja, dann höre ich dich ja.«
»Hoffentlich nicht, du musst doch schlafen.«
»Ich kann doch jede andere Nacht schlafen.«
»Heute ist eine Nacht wie jede andere auch.«
»Oh, nein – heute ist eine ganz besondere Nacht.«
»In ganz besonderen Nächten schläft man ganz besonders gut.«
»Aber wenn ich einschlafe, Mama, dann höre ich dich nicht hochkommen.«
»Na, wenn ich hochkomme, dann schaue ich zu dir herein und gebe dir einen Kuss, und wenn du dann noch wach bist, dann wirst du wissen, und wenn nicht, dann weißt du trotzdem, dass du einen bekommen hast.«
Der kleine Jon seufzte. »Na schön«, sagte er, »damit werde ich mich wohl zufriedengeben müssen. Mama?«
»Ja?«
»Wie hieß nochmal die, an die Papa glaubt? Venus Anna Diomedes?«
»Oh, mein Engel! Anadyomene.«
»Genau! Aber ich finde meinen Namen für dich viel besser.«
»Und welchen Namen hast du für mich, Jon?«
Der kleine Jon antwortete schüchtern: »Guinevere! Der kommt bei der Tafelrunde vor – das ist mir gerade erst eingefallen, nur hat sie ihre Haare natürlich offen getragen.«
Die Augen seiner Mutter blickten an ihm vorbei und schienen in die Ferne zu schweifen.
»Und du wirst auch nicht vergessen, hereinzukommen, Mama?«
»Nicht, wenn du jetzt schläfst.«
»Abgemacht.« Und der kleine Jon schloss die Augen.
Er spürte ihre Lippen auf seiner Stirn, hörte ihre Schritte, öffnete seine Augen, um zu sehen, wie sie durch die Tür glitt, seufzte und schloss sie wieder.
Dann begann die lange Zeit.
Für etwa zehn Minuten versuchte er brav zu schlafen, indem er ganz viel Disteln in einer Reihe zählte, Das alter Trick zum Einschlafen. Ihm schien es, als zählte er schon seit Stunden. Es musste, СКАЧАТЬ