Название: Zu Vermieten
Автор: John Galsworthy
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Forsyte
isbn: 9783958131255
isbn:
»Na schön, mein Schatz, ich komme.«
Der kleine Jon machte die Augen zu. Alles nahm einen höchst zufriedenstellenden Ausgang, sie musste sich nur beeilen! Er spürte, wie das Bett wackelte, sie stieg hinein. Und mit noch immer geschlossenen Augen sagte er schläfrig: »Das ist schön, oder?«
Er hörte ihre Stimme, spürte ihre Lippen auf seiner Nase, kuschelte sich neben sie, die wachlag und ihn mit ihren liebevollen Gedanken umarmte, und fiel in den traumlosen Schlaf, der seine Vergangenheit abschloss.
Zu Vermieten
»Aus beider Feinde unheilvollem Schoß
Entspringt ein Liebespaar, unsternbedroht.«
Romeo und Julia.
Für Charles Scribner
Teil I
Begegnung
Am Nachmittag des zwölften Mai 1920 verließ Soames Forsyte das Knightsbridge Hotel, in dem er gerade logierte, mit der Absicht, eine Gemäldeausstellung in einer Galerie in der Nähe der Cork Street zu besuchen und einen Blick in die Zukunft zu werfen. Er ging zu Fuß. Seit dem Krieg nahm er kein Taxi mehr, wenn es nicht sein musste. Die Fahrer waren, seiner Meinung nach, ungehobelte Kerle, obwohl sie nun, wo der Krieg vorbei war und das Angebot langsam wieder größer als die Nachfrage wurde, der Gewohnheit der menschlichen Natur entsprechend wieder höflicher wurden. Dennoch hatte er ihnen nicht verziehen, denn er verband sie untrennbar mit düsteren Erinnerungen und nun, wie alle Angehörigen ihrer Klasse, vage mit Revolution. Die große Angst, die er während des Krieges durchlebt hatte, und die noch größere Angst, die er seither im Frieden hatte ausstehen müssen, hatte sich auf die Psyche eines Menschen von zäher Beharrlichkeit ausgewirkt. Er hatte im Geiste so oft den Ruin erlebt, dass er aufgehört hatte, zu glauben, dass er tatsächlich möglich wäre. Wenn man viertausend pro Jahr für Einkommenssteuer und Steueraufschlag hinblättern musste, konnte es einem ja wohl kaum noch schlechter gehen! Ein Vermögen von einer Viertelmillion, nur durch eine Ehefrau und eine Tochter belastet und auf verschiedenste Weisen investiert, gewährte verlässliche Garantie, selbst gegen jene »abenteuerliche Idee« – eine Steuer auf Kapital. Und was die Konfiszierung von Kriegsgewinnen anbetraf, da war er absolut dafür, denn er hatte keine, und »das geschah den Kerlen nur recht!« Außerdem hatten Bilder eher noch an Wert gewonnen und mit seiner Sammlung war es seit Kriegsbeginn besser gelaufen als je zuvor. Auch die Luftangriffe hatten sich positiv auf ein von Natur aus vorsichtiges Wesen ausgewirkt und einen bereits zähen Charakter noch härter gemacht. Die Gefahr des vollständigen Verschwindens ließ einen weniger besorgt über das nur partielle Schwinden durch Abgaben und Steuern sein, während das gewohnheitsmäßige Verfluchen der Unverschämtheit der Deutschen ganz natürlich dazu geführt hatte, die Unverschämtheit der Labour-Leute zu verfluchen, wenn nicht offen, so doch zumindest im Innersten seiner Seele.
Er ging zu Fuß. Er hatte ohnehin noch Zeit genug, denn er wollte sich um vier Uhr mit Fleur in der Galerie treffen, und es war erst halb drei. Es tat ihm gut, zu Fuß zu gehen – seine Leber drückte ihn ein wenig und seine Nerven waren ziemlich strapaziert. Seine Frau war immerzu unterwegs, wenn sie in London war, und seine Tochter trieb sich ebenfalls immer herum, wie die meisten jungen Frauen seit dem Krieg. Dennoch sollte er dankbar sein, dass sie noch zu jung gewesen war, um selbst irgendetwas in diesem Krieg geleistet zu haben. Natürlich hatte er den Krieg von Anfang an unterstützt, mit ganzer Seele, doch zwischen dieser Form der Unterstützung und der Unterstützung des Krieges mit den Körpern seiner Frau und Tochter lag eine Kluft, die auf etwas Altmodischem in ihm gründete, das Gefühlsüberschwang verabscheute. Er war zum Beispiel entschieden dagegen gewesen, dass Annette, so attraktiv und 1914 erst vierunddreißig, in ihr Heimatland Frankreich ging, ihr »chère patrie«, wie sie es, angeregt durch den Krieg, zu nennen begonnen hatte, um ihre »braves Poilus« zu pflegen – sicher nicht! Ihre Gesundheit und ihr Aussehen ruinieren! Als ob sie tatsächlich eine Krankenschwester wäre! Das hatte er nicht zugelassen. Sollte sie doch zu Hause für sie nähen oder stricken! Folglich war sie nicht gegangen und nie wieder ganz dieselbe gewesen. Sie neigte dazu, ihn zu verspotten, nicht offen, sondern durch ständige kleine Bemerkungen, und dieser unschöne Zug hatte sich verstärkt. Was Fleur anbetraf, so hatte der Krieg die strittige Frage geklärt, ob sie zur Schule gehen sollte oder nicht. Es war besser, sie war weit weg von ihrer Mutter in ihrer Kriegsstimmung, von der Gefahr von Luftangriffen und von der Anregung zu überzogenem Verhalten, also hatte er sie in einem Internat untergebracht, das so weit im Westen lag, wie es ihm mit exzellenter Qualität vereinbar erschien, und sie schrecklich vermisst. Fleur! Er hatte den etwas ungewöhnlichen Namen, für den er sich bei ihrer Geburt so plötzlich entschieden hatte, nie bereut – auch wenn es ein deutliches Zugeständnis an die Franzosen gewesen war. Fleur! Ein hübscher Name – ein hübsches Kind! Aber unstet – zu unstet, und eigensinnig! Und sie wusste, welche Macht sie über ihren Vater hatte! Soames dachte oft darüber nach, dass es ein Fehler war, so in seine Tochter vernarrt zu sein. Alt und vernarrt! Fünfundsechzig! Er wurde alt, aber er fühlte sich nicht so, denn seine zweite Ehe hatte sich, vielleicht glücklicherweise angesichts Annettes Jugend und guten Aussehens, als leidenschaftslos erwiesen. Er hatte einmal in seinem Leben wahre Leidenschaft empfunden – für seine erste Frau – Irene. Ja, und dieser Kerl, sein Cousin Jolyon, der mit ihr auf und davon war, sah sehr tattrig aus, hieß es. Kein Wunder mit zweiundsiebzig, nach zwanzig Jahren in dritter Ehe!
Soames blieb einen Augenblick stehen, um sich über das Geländer der Rotten Row zu beugen. Ein passender Ort, um Erinnerungen nachzuhängen, auf halbem Weg zwischen jenem Haus in der Park Lane, in dem er geboren worden war und in dem seine Eltern gestorben waren, und dem kleinen Haus am Montpellier Square, in dem er vor fünfunddreißig Jahren seine erste Ausgabe des Ehelebens genossen hatte. Nun, nach zwanzig Jahren der zweiten Ausgabe, erschien ihm jene alte Tragödie wie ein früheres Leben – das geendet hatte, als Fleur anstelle des Sohnes, auf den er gehofft hatte, geboren wurde. Er hatte vor vielen Jahren aufgehört, auch nur ansatzweise zu bedauern, dass er keinen Sohn bekommen hatte, Fleur war die Erfüllung seines Herzenswunsches. Sie trug schließlich seinen Namen, und er freute sich ganz und gar nicht auf den Tag, an dem sich das ändern würde. Wenn er überhaupt je über ein solches Unglück nachdachte, machte ihm das vage Gefühl, dass er sie reich genug machen konnte, um vielleicht den Namen des Kerls, der sie heiraten würde, zu erkaufen und auszulöschen, die Vorstellung schmackhafter – warum nicht, wo doch nun Frauen und Männer scheinbar gleichberechtigt waren? Und Soames, der insgeheim überzeugt war, dass sie das nicht waren, strich sich mit gewölbter Hand fest über das Gesicht, bis er das tröstende Kinn erreichte. Dank seiner enthaltsamen Lebensweise war er nicht dick und schlaff geworden, seine Nase war blass und schmal, sein grauer Schnurrbart kurz geschnitten, seine Sehkraft unbeeinträchtigt. Eine leicht gebeugte Haltung verengte und korrigierte die Ausdehnung seines Gesichts durch das Höherwerden seiner Stirn aufgrund des Lichterwerdens seines grauen Haars. Die Zeit hatte wenig Veränderung bei dem betuchtesten der jungen Forsytes bewirkt, wie der letzte der alten Forsytes – Timothy, nun in seinem hundertersten Lebensjahr – es ausgedrückt hätte.
Der Schatten der Platanen fiel auf seinen eleganten Homburg, Zylinder trug er nicht mehr – in Zeiten wie diesen war es nicht von Nutzen, Aufmerksamkeit auf Reichtum zu lenken. Platanen! Seine Gedanken wanderten jäh nach Madrid – Ostern vor dem Krieg, als er sich wegen eines Bildes von Goya entscheiden musste und deshalb eine Forschungsreise unternommen hatte, um den Maler vor Ort zu studieren. Der Mann hatte ihn beeindruckt – große Bandbreite, ein echtes Genie! So hoch der Kerl auch gehandelt werden mochte, er würde noch höher gehandelt werden, ehe sie mit ihm fertig waren. Der zweite Goya-Hype würde noch größer sein als der erste, oh ja! Und er hatte gekauft. Während dieser Reise hatte er – was er noch nie zuvor getan hatte – eine Kopie eines Freskogemäldes mit dem Titel »La Vendimia« in Auftrag gegeben, auf dem ein Mädchen abgebildet war, einen Arm in die Seite gestemmt, das ihn an seine Tochter erinnert hatte. Er hatte sie nun in seiner Galerie in Mapledurham, sie war ziemlich kläglich – man konnte Goya nicht kopieren. СКАЧАТЬ