»Aber ganz und gar nicht«, rief er. »Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür. Es ist ein guter Rat, und er soll besser beherzigt werden, als es sonst so oft geschehen ist.«
»Mrs. John Knightley regt sich ohnehin leicht auf; vielleicht wäre sie sehr unglücklich ihrer Schwester wegen.«
»Seien Sie unbesorgt«, sagte er. »Ich werde kein Geschrei erheben, ich werde meinen Verdruß für mich behalten. Ich bin Emma aufrichtig zugetan, sie ist mir nicht weniger eine Schwester als Isabella, und ihr Wohl und Wehe liegt mir nicht weniger am Herzen, eher mehr. Denn das Gefühl für Emma ist immer mit einer gewissen Besorgnis und Spannung verbunden. Ich frage mich oft, was aus ihr werden soll.«
»Ich auch«, sagte Mrs. Weston weich; »sehr oft.«
»Sie erklärt immer wieder, daß sie nie heiraten will, was natürlich gar nichts bedeutet. Aber ich habe keine Ahnung, ob ihr je ein Mann begegnet ist, den sie leiden mochte. Es könnte ihr nicht schaden, wenn sie sich einmal gründlich verliebte, und in den Richtigen. Ich möchte einmal erleben, daß Emma sich verliebt, ohne ganz sicher zu sein, daß man sie wiederliebt; das täte ihr gut. Aber es gibt niemanden hier herum, an den sie ihr Herz verlieren könnte, und sie geht ja auch so selten unter Menschen.«
»Ja, im Augenblick ist weit und breit nichts zu sehen, was sie in Versuchung führen könnte, ihrem Entschluß untreu zu werden«, sagte Mrs. Weston, »und solange sie in Hartfield glücklich ist, kann ich nicht einmal wünschen, daß sie eine Verbindung eingeht, was ja wegen des armen Mr. Woodhouse die größten Schwierigkeiten mit sich brächte. Nein, im Augenblick würde ich Emma nicht raten zu heiraten – womit ich beileibe nichts gegen den Ehestand sagen will.«
Damit suchte sie zugleich zu verhüten, daß Mr. Knightley von ihrem und Mr. Westons Lieblingstraum etwas witterte. Denn in Randalls hegte man gewisse Wünsche für Emmas Zukunft, von denen aber noch niemand etwas ahnen sollte. Und als Mr. Knightley bald darauf gelassen zu der Frage überging: »Was hält Mr. Weston vom Wetter? Meint er, daß es Regen gibt?«, war sie überzeugt, daß er zum Thema Hartfield nichts mehr zu sagen hatte und nichts argwöhnte.
Sechstes Kapitel
Emma war bald nicht mehr darüber im Zweifel, daß sie Harriets Gefühle in die richtige Bahn gelenkt und zu einem guten Zweck die Dankbarkeit ihrer jungen Eitelkeit geweckt hatte, denn sichtlich gingen dem Mädchen immer mehr die Augen dafür auf, was für ein ausnehmend hübscher Mann Mr. Elton war und wie angenehm in seiner ganzen Art. Und da Emma keine Bedenken trug, durch freundliche Winke die Gewißheit in ihr zu nähren, daß er sie verehrte, wiegte sie sich schon in der schönsten Zuversicht, ihr bei jeder Gelegenheit zärtlichere Gefühle für ihn einzublasen. Sie war fest überzeugt, daß Mr. Elton auf dem besten Wege war, sich zu verlieben, wenn er nicht schon liebte. Er machte ihr also keine Sorgen. Er sprach so entzückt von Harriet und pries sie so herzlich, daß Emma sich sagte, was noch fehlte, werde die Zeit schon bringen. Daß ihm nicht entging, wie Harriet sich zu ihrem Vorteil entwickelt hatte, seit sie in Hartfield ein- und ausging, war ihr einer der erfreulichsten Beweise seiner wachsenden Zuneigung.
»Sie haben Miss Smith alles gegeben, dessen sie noch bedurfte«, sagte er. »Ihnen hat sie es zu verdanken, daß sie so anmutig und unbefangen geworden ist. Sie war ein schönes Geschöpf, als sie zu Ihnen kam, aber ich finde, was sie unter Ihrem Einfluß an Reiz gewonnen hat, ist tausendmal mehr wert, als was die Natur ihr verliehen hat.«
»Es freut mich, daß Sie meinen, ich sei ihr von Nutzen gewesen. Aber man brauchte Harriet nur ein bißchen aus sich herauszulocken und ihr hier und da einen kleinen Wink zu geben. All ihre natürliche Anmut, ihr liebreizendes und ungekünsteltes Wesen waren schon da. Ich habe sehr wenig dazugetan.«
»Wenn es erlaubt wäre, einer Dame zu widersprechen . . .«, sagte Mr. Elton galant.
»Vielleicht habe ich ihren Charakter etwas mehr gefestigt und sie gelehrt, über manches nachzudenken, was ihr früher nicht vorgekommen war.«
»Stimmt genau; dies fällt mir besonders auf. Viel mehr Charakterfestigkeit! Eine geschickte Hand war da am Werk!«
»Es hat mir große Freude gemacht, denn nie ist mir eine so wahrhaft liebenswerte Veranlagung begegnet.«
»Daran zweifle ich nicht«, sagte er mit einem so seelenvollen Seufzer, daß es sich fast wie ein Liebesgeständnis anhörte. Nicht weniger freute sie die Art, wie er eines andern Tages auf ihren plötzlichen Wunsch einging, ein Bild von Harriet zu haben.
»Bist du schon einmal gemalt worden, Harriet? Hast du schon mal für ein Porträt gesessen?«
Harriet wollte gerade das Zimmer verlassen und blieb nur stehen, um mit rührender Naivität zu erwidern:
»Ach du liebe Güte, nein, nie!«
Kaum war sie draußen, als Emma ausrief:
»Was für ein herrlicher Besitz wäre ein gutes Bild von ihr! Ich gäbe gern jedes Geld dafür aus, doch am liebsten versuchte ich selber, sie zu malen. Sie können es freilich nicht wissen, aber vor zwei oder drei Jahren habe ich leidenschaftlich gern Porträts gemalt und mich an einigen meiner Verwandten versucht, und man fand, ich hätte im allgemeinen ein ganz gutes Auge dafür. Doch aus dem einen oder andern Grunde wurde ich’s leid und gab es auf. Aber wirklich, ich möchte mich jetzt fast wieder daran wagen, wenn Harriet mir sitzen wollte. Wie schön, wenn man ein Bild von ihr hätte!«
»Ich bitte Sie darum, es wäre in der Tat entzückend. Ich bitte Sie, Miss Woodhouse, lassen Sie ein so reizendes Talent Ihrer Freundin zuliebe wieder aufleben! Ich weiß doch, wie Sie malen! Wie konnten Sie glauben, ich wüßte es nicht? Ist dieses Zimmer nicht mit Landschaften und Blumenstücken von Ihnen reich geschmückt, und hat nicht Mrs. Weston ein paar unnachahmliche figürliche Bilder in ihrem Salon in Randalls hängen?«
Ja, guter Mann! dachte Emma, aber was hat das alles mit Porträtmalerei zu tun? Du verstehst ja nichts vom Malen. Tu doch nicht so, als wärst du wegen meiner Pinseleien derart aus dem Häuschen! Spar dir deine Bewunderung für Harriets Gesicht auf. »Also gut«, sagte sie, »wenn Sie mich so freundlich ermutigen, Mr. Elton, werde ich versuchen, was ich tun kann. Harriet hat sehr feine Züge, da ist es schwierig, eine Ähnlichkeit herauszubringen. Und doch liegt etwas Besonderes im Schnitt ihrer Augen und in den Linien um den Mund, das müßte man treffen.«
»Stimmt genau – der Schnitt der Augen und die Linien um den Mund – ich zweifle nicht an Ihrem Gelingen. Bitte, bitte, versuchen Sie es. Da Sie es machen, wird es, um Ihre eigenen Worte zu gebrauchen, bestimmt ein herrlicher Besitz.«
»Aber ich fürchte, Mr. Elton, Harriet wird mir nicht gern sitzen. Sie denkt so wenig an ihre Schönheit. Haben Sie nicht beobachtet, wie sie mir antwortete? Ganz als wollte sie sagen: warum von mir ein Bild malen?«
»O ja, ich habe es wohl bemerkt, es ist mir nicht entgangen. Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, daß sie sich nicht überreden ließe.«
Kurz darauf trat Harriet wieder ein und wurde sogleich mit dem Vorschlag überfallen, und sie hatte keine Einwände, die länger als ein paar Minuten dem ernstlichen Drängen der beiden standhielten. Emma wollte sofort ans Werk gehen und holte deshalb ihre Mappe hervor, die verschiedene Entwürfe zu Porträts enthielt – denn keins war je zu Ende geführt worden –, um mit ihnen das geeignetste Format für Harriet auszusuchen. Ihre vielen angefangenen Arbeiten wurden ausgebreitet, Miniaturen, halbe Lebensgröße, ganze Lebensgröße, Bleistift, Kohle, Wasserfarben, alles hatte sie durchprobiert. Immer hatte sie alles tun wollen und es sowohl im Malen wie in der Musik weiter gebracht, СКАЧАТЬ