Das Licht erlosch, und sie schwebten weiter in die Tiefe. Kurz bevor sie den Boden berührten, glitt er zur Seite und gab den Blick auf das letzte geheime Segment des Antigravschachts frei.
Sie verließen den Schacht und folgten dem Ara einen gekachelten Gang entlang, der vor einer Schleuse endete. Der anschließende Hochsicherheitsbereich glich dem in der Maurits-Vingaden-Klinik. Auch dort erwarteten sie zwei TARA-C-Modelle, und ein ungutes Gefühl keimte in Farye auf.
Hilka Groym, dachte sie. TLD-Agentin.
Allerdings war auch Gorin Palotta TLD-Agent gewesen. Das allein bewies also keine unverbrüchliche Zuverlässigkeit.
Und wieder hallten ihr Joels Worte durch den Sinn.
Farye schüttelte den Kopf. Sie musste sich zusammennehmen und durfte nicht damit anfangen, jedem TLD-Agenten zu misstrauen. Verfolgungswahn war das Letzte, das sie gebrauchen konnte.
Dennoch, etwas zupfte in ihrem Unterbewusstsein. Etwas, das sie beunruhigte. Das sie übersah. Vielleicht ein Gedanke, den sie begonnen, aber nicht zu Ende gedacht hatte. Oder etwas, das sie gesehen hatte, ohne ihm Beachtung zu schenken.
»Warum ist Adams nicht betäubt?«, riss Ammun-Sis Stimme sie aus den Überlegungen.
»Das ist er doch«, antwortete jemand.
Sie sah auf und sah einen jungen Mann mit auffallend schiefer Nase. Offenbar ein Assistent des Aras, der vor Ort alles vorbereitet hatte.
Gerade schlossen Roboter den Alkoven mit Homer G. Adams an Aggregate an. Die Bildschirme an den Wänden erwachten zum Leben, zeigten Wellenlinien und Datenfluten, mit denen Farye nichts anfangen konnte.
Besonders beunruhigte sie, dass nach wenigen Sekunden in einem Monitor eine Zeitanzeige erschien, die abwärts lief.
5:23.
5:22.
5:21.
Ein Countdown? Aber wofür?
»Wie kann er betäubt sein und trotzdem die Lippen bewegen?«, fragte Ammun-Si.
»Das weiß ich nicht«, antwortete der Schiefnasige. »Vielleicht wehrt er sich innerlich gegen den Schlaf. Oder er will uns etwas mitteilen.«
Der Ara betrachtete die Wellenlinien und die Zeitanzeige.
5:09.
5:08.
»Du hast recht. Wir müssen uns beeilen. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.«
»Wofür?«, fragte Farye.
»Ihn in Suspension zu schicken. Er hätte nicht aufwachen dürfen. Doch da es nun einmal geschehen ist, steht uns nur ein eng bemessenes Zeitfenster zur Verfügung, um ihn wieder zu dematerialisieren, ohne dass der Zellaktivator womöglich dauerhaften Schaden nimmt. Normalerweise hätte es ausgereicht, um ihn im Notfall von der Klinik auf Terra zum Mars zu bringen. Aber unter diesen Umständen ... Uns bleiben vier Minuten und dreißig Sekunden.«
»Was passiert, wenn die Frist abläuft?«
»Das weiß niemand. Und ich habe nicht vor, es herauszufinden. Zumal die Frist ohnehin nur eine medizinische und mathematische Schätzung darstellt. Die Spanne, für die wir glauben, die Suspension halbwegs schadlos unterbrechen zu können. Aber weder verstehen wir die Wirkungsweise des Zellaktivators vollständig, noch die komplexe Wechselwirkung mit dem Organismus des Advisors oder der erhöhten Hyperimpedanz, die das Problem überhaupt erst ausgelöst hat.«
Farye trat einen Schritt zurück und ließ Ammun-Si weiterarbeiten.
Er prüfte erneut die Messwerte, kontrollierte die Verbindung des Alkovens mit den Aggregaten, inspizierte die Mulde mit den acht Kristallen.
Sie schaute an ihm vorbei. Durch die Glasscheibe, die die Röhre abschloss, sah sie Adams. Tatsächlich, seine Lippen bewegten sich.
Sie wollte an ihnen ablesen, was er sagte, aber es fiel ihr schwer.
Reise?
Nein, das war es nicht. Sie versuchte es erneut. Und plötzlich verstand sie es.
Dann also auf diese Weise.
Farye erkannte den Satz wieder. Perry hatte ihr davon erzählt, und er wiederum hatte ihn von Adams gehört. So hatten Gorin Palottas letzte Worte gelautet, ehe das Gas ihn ausgeschaltet hatte. Warum waren sie für Homer so wichtig?
Was übersah sie?
»Energiefluss?«, fragte Ammun-Si.
»Stabil«, antwortete der Assistent.
»Herzschlag?«
»Regelmäßig.«
»Sauerstoffsättigung?«
»Im Normbereich.«
Farye drehte sich zu Sloud Silverman um, der an der Tür stand und die Prozedur mit regungsloser Miene beobachtete. Offenbar teilte er ihre Unruhe nicht.
Sie ließ den Blick erneut über den Alkoven gleiten. Die Metallringe, die quaderförmigen Aufbauten, die Glasscheibe an der vorderen Öffnung, die Metallröhre, die Liegefläche. Alles so, wie sie es bereits in der Klinik gesehen hatte.
Und wäre eine Veränderung nicht sowieso Ammun-Si aufgefallen?
Der Countdown zeigte 2:29.
2:28.
Dann also auf diese Weise. Die letzten Worte von Gorin Palotta. Plötzlich schlossen sich die seines Sohnes Joel an. Wie kann ein TLD-Agent einen so menschenverachtenden Plan entwerfen?
»Alles bereit zur Einleitung der Suspension?«, sagte der Assistent.
Ammun-Si trat vor die Steuerkonsole.
Wie kann ein TLD-Agent einen so menschenverachtenden Plan entwerfen?
Dann also auf diese Weise.
Und mit einem Mal begriff Farye. Der flüchtige Gedanke nach der Landung auf dem Mars fügte sich zu den beiden anderen Sätzen.
Jeder vernünftige Stratege entwarf einen Plan B. Und wo sollte man vernünftige Strategen erwarten, wenn nicht beim TLD?
Wie kann ein TLD-Agent einen so menschenverachtenden Plan entwerfen?
Dann also auf diese Weise.
»Stopp!«, rief sie. »Nicht aktivieren!«
Ammun-Sis Hand verharrte über der Schaltfläche. Sein Blick huschte unwillig zum Countdown. 2:01. »Was ist los?«
»Dann also auf diese Weise!«, stieß sie hervor. »Palottas letzte Worte. Also muss es eine andere Weise geben, die den Plan des Verräters erfüllt. Einen Plan B.«
»Aber СКАЧАТЬ