Название: Chronik eines Weltläufers
Автор: Hans Imgram
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Karl May Sonderband
isbn: 9783780216243
isbn:
Dienstag, 10. Juli 1866:
Aus dem morgendlichen Nebelmeer tauchte ein Reiter auf und viele, viele andere folgten. Alle diese Krieger gehörten einem der Apatschen-Stämme an, mit denen ich noch nicht in Berührung gekommen war. Sie verteilten sich oberhalb des Talkessels, wo sie mit ihren Gewehren alle dort befindlichen Feinde erreichen konnten. Die Komantschen schienen unrettbar verloren, doch Winnetou schlug ihnen vor, dass sie für jeden getöteten Apatschen fünf, für jeden Gemarterten aber zehn Pferde geben sollten. Ferner sollten sie so viele junge Mädchen ausliefern, wie sie Frauen und Töchter der Apatschen entführt hätten. Dazu verlange man auch die Kinder zurück, die sie mitgenommen hatten. Die Komantschen gingen jedoch nicht darauf ein. Winnetou begab sich oben an den Rand des Talkessels, um zu den Komantschen zu sprechen. Als aber der neue Häuptling des Gegners auf ihn schoss, erhoben sich rundum vierhundert Apatschen und feuerten in die Menge. „Es wird sich ein großes Klagen erheben in den Zelten der Komantschen, denn keiner ihrer Krieger kehrt zurück.“ Alle waren getötet worden. Ich war froh, diesen entsetzlichen Ort verlassen zu können, und eine halbe Stunde später nahmen wir die Verfolgung Gibsons auf. Winnetou nahm noch zehn gutberittene Apatschen mit. Es war gegen Abend, als wir bei der Laguna de Santa Maria anlangten.
Mittwoch, 11. Juli 1866:
Am Mittag hatten wir ein schlimmes Gewirr von Cañons hinter uns und ritten im Galopp über eine grasige Ebene. Da stießen wir auf eine Spur von über zehn Reitern. Winnetou behauptete, es sei die gesuchte. Dieser Trupp hatte einen Vorsprung von wenigstens sechs Stunden. Gegen Abend stieß von Süden her eine neue Fährte zu der bisherigen, von dreißig bis vierzig Reitern. Es schienen Indianer zu sein. Bald erreichten wir die Stelle, wo die Roten die Schar der Weißen eingeholt hatten. Gemeinsam waren sie dann weitergeritten. Wir kamen an einen Bach, und mitten im Bach erblickten wir nun einen unbedeckten menschlichen Kopf, der aus dem Wasser ragte. Hinter ihm im Wasser lag ein Spaten, denn der Eingegrabene war ein Gambusino, ein Goldsucher, der stets Hacke und Spaten bei sich hatte. Wir gruben ihn aus und sahen, dass er gefesselt war. Als er sich etwas erholt hatte, erzählte er uns, dass er Tadeo Sandia hieß und zusammen mit einem gewissen Fred Harton in einer Bonanza tätig gewesen war. Als Old Death den Namen Fred Harton hörte, wollte er nähere Einzelheiten wissen. Da berichtete Sandia, Fred Harton sei ein Kaufmann gewesen, der von seinem gewissenlosen Bruder Eduard um sein ganzes Vermögen gebracht wurde, das dieser verjubelte und danach verschwand. Dieser liederliche Bruder sei später ein sehr glücklicher Goldsucher gewesen. Deshalb sei Fred Harton auch unter die Goldgräber gegangen, da er hoffte, so seinen Bruder wiederzutreffen. Angestellt waren er und Harton bei einem gewissen Davis in Chihuahua. Es stellte sich heraus, dass Uhlmann, der Schwiegersohn von Lange, dem Schmied aus La Grange, eben bei diesem Señor Davis als Bergwerksdirektor angestellt war und bald Teilhaber werden sollte. Tadeo Sandia kannte auch Langes Tochter Agnes. Beide, Sandia und Harton, hatten hier an dem Bach geschlafen, als sie von Chimarra-Indianern umzingelt wurden. Als die Weißen, die sich bei den Indianern befanden, herausbekamen, dass beide Goldsucher waren, gruben sie Sandia in den Bach ein und nahmen Harton mit, der sie zur Bonanza von Davis führen sollte. Bis zur Bonanza sei es ein tüchtiger Tagesritt, sodass sie morgen Abend dort ankämen, wenn Harton nicht einen Umweg mache. Da es langsam Nacht wurde, beschlossen wir hierzubleiben, denn wir mussten für morgen gut ausgeruht sein und unsere Pferde auch.
Mir wollte die erwartete Ruhe nicht kommen. Als wir drei Stunden gelegen hatten, bemerkte ich, dass Old Death aufstand und fortging. Da erhob ich mich und ging ihm nach. Ich merkte, dass er etwas auf dem Herzen hatte, und nach einiger Zeit erzählte er mir, dass er eigentlich Eduard Harton hieß und der undankbare Bruder von Fred Harton sei, dessen ganzes Vermögen er verjubelt habe. Nun wolle er Frieden mit ihm schließen, wenn er ihn treffen würde. Sollte ihm aber vorher etwas zustoßen, solle dieser seinen Sattel aufschneiden und alles an sich nehmen, was sich darin befände. Kurz danach kehrte ich langsam zum Lager zurück und legte mich nieder.
Donnerstag, 12. Juli 1866:
Ein Apatsche nahm Tadeo Sandia hinter sich aufs Pferd; dann brachen wir auf. Gegen Mittag stellte der Gambusino Sandia fest, dass Harton einen Umweg eingeschlagen hatte. Auf einer grasbewachsenen Hochebene sahen wir die Fährte von über vierzig Reitern, die etwa eine Stunde alt war. Jetzt wurden die Sporen eingesetzt, und wir flogen über die Ebene dahin, freilich in ganz anderer Richtung, als die Chimarras geritten waren. Harton hatte sie nicht zum Eingang der Bonanza geführt, sondern zur hintersten Kante des Tals. Leider aber brach jetzt die Dunkelheit mit großer Schnelligkeit herein. Deshalb stiegen wir auch ab und gingen zu Fuß. Wir sahen in der Dunkelheit eine Gestalt zwischen uns und den Felsen dahinhuschen. Nach kurzer Zeit bemerkten wir einen unbestimmten Lichtschimmer, den Schein von Lampen, der durch die Decken eines Zeltes drang. Stimmen ertönten. Wir vier, Sandia, Old Death, Winnetou und ich, waren voran. Man erkannte von außen, an welcher Stelle sich der Eingang befand. Old Death trat als erster ein. Da fiel ein Schuss. Ich sah, wie sich der Scout mit beiden Händen an den Rahmen des Vorhangs krampfte, und sah zugleich mehrere Gewehre auf den Eingang gerichtet. Der Alte konnte sich nicht mehr aufrecht halten; er glitt zu Boden. „Schießt nicht!“, schrie ich auf. „Wir sind Freunde, Deutsche!“ Als СКАЧАТЬ