Nächsten Sommer - Jugendbuch. Hanne-Vibeke Holst
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Название: Nächsten Sommer - Jugendbuch

Автор: Hanne-Vibeke Holst

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги для детей: прочее

Серия:

isbn: 9788726569599

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СКАЧАТЬ hatte immer die Mutter auf sie gewartet, wenn sie lange ausgeblieben war. Entweder, um ihr die Leviten zu lesen, weil Louise zu spät nach Hause kam, oder weil sie nicht schlafen konnte und sich vorstellte, dass Louise vergewaltigt und verstümmelt in irgendeinem Wald lag. Aber jetzt war es der Vater, der mit einem Buch auf dem Schoß vor sich hin döste, wenn sie nach Hause kam.

      Wenn Louise fragte, warum er in aller Welt noch so spät auf sei, dann sagte er, er müsse noch rasch ein Problem lösen oder dass er nachts so gut seine Gedanken sammeln könne.

      Aber das glaubte Louise nicht, denn er fing immer an, sie kreuz und quer auszufragen. Wenn sie sich erkundigte, ob das ein Verhör dritten Grades sein sollte, wurde er wütend und erklärte, er sei nur daran interessiert, was sie mit wem unternahm. Vor allem Letzteres lag ihm sehr am Herzen.

      Er ging ihr tierisch auf den Geist. Liz glaubte, die Midlifecrisis sei schuld daran. Louise war es schnurz, was der Grund dafür war, nur sollte er sie sich selbst überlassen.

      »Du musst dich darauf vorbereiten, den Architekten zu begrüßen«, sagte Louise, als sie die schweren Schritte ihres Vaters auf der Treppe hörte.

      Anders sah sie verwirrt an, aber sie streichelte ihm nur beruhigend über die Haare, als der Vater anklopfte und sie »herein« sagte.

      »Hallo, Mutter hat gesagt, du hättest Besuch und da wollte ich nur schnell Guten Tag sagen«, sagte der Vater und hielt Anders, der ihn höflich begrüßte, die Hand hin.

      »Na, aber du wolltest wohl gerade gehen«, fuhr der Vater fort. »Louise muss ja früh aufstehen und du selber sicher auch. Du kommst vom Land, nicht wahr?«

      Anders’ Blick suchte unsicher Hilfe bei Louise. Sie sammelte all ihren Trotz und ihren Mut und ließ ihren angestauten Aggressionen freien Lauf: »Anders bleibt hier. Er schläft heute Nacht hier.«

      »Ach ja? Das ist ja interessant. Ist deine Mutter darüber informiert?«

      »Nö, aber er soll ja auch nicht in ihrem Bett schlafen«, antwortete Louise und erschrak selbst über ihre Frechheit.

      »Louise, ich möchte gern einen Moment mit dir allein reden.«

      Louise nahm diesen Befehl mit einem Schulterzucken entgegen und ging mit ihm auf den Flur. Doch als sie gerade im Begriff war, hinter ihm die Treppe hinunterzulaufen, blieb sie stehen. Sie wollte nicht länger herumkommandiert werden. Er sollte sie zum Teufel noch mal nicht demütigen und schon gar nicht vor Anders.

      »Vater, hier gibt’s keine Diskussionen. Er bleibt hier«, sagte sie ruhig zu seinem Rücken, der in der Tweedjacke breiter und breirter wurde, bis er sich dann zu ihr umdrehte und sagte: »Louise, du bestimmst nicht in diesem Haus, auch wenn du dich aufführst, als ob dir hier alles gehört. Aber so lange du hier wohnst, hast du dich an einige wenige Regeln zu halten. Ich bin sehr großzügig, deine Mutter ist sehr großzügig, wir haben dich durchaus frei erzogen. Aber es gibt gewisse Regeln . . .«

      Seine Stimme bebte vor unterdrückter Wut. Louise sah ihn trotzig an und hasste ihn verbissener als je zuvor. Sie verachtete ihn. Aufgeblasener fetter Frosch, reaktionärer Chauvi, konnte nicht ertragen, dass er keine Macht mehr über sie hatte. Darum ging es hier doch. Um Macht und Besitzansprüche. Er glaubte, sein Besitzrecht über einen Haufen Steine und einige teure Designermöbel garantiere ihm auch unbeschränkte Gewalt über sie. Aber das stimmte nicht mehr.

      Louise kniff die Augen zusammen und schüttelte langsam den Kopf. Dann drehte sie sich um, ließ ihn stehen und ging zu Anders zurück.

      »Wir hauen ab«, teilte sie Anders mit, der schon seine Tasche gepackt hatte, an der Tür stand und fluchtbereit wirkte. Louise streifte sich ihren blauen Pullover über den Kopf, stopfte Bücher, etwas Wäsche und ihre Kulturtasche in ihren Rucksack und knipste das Licht aus.

      Auf der Treppe begegnete ihnen niemand, der Vater war offenbar in sein Zimmer gegangen. Aber Louise wollte sichergehen, dass ihre Botschaft bei ihm ankam, und deshalb schlug sie die Haustür hart hinter sich zu.

      »Was jetzt?«, fragte Anders, als sie draußen auf dem Bürgersteig standen.

      »Kannst du mich nicht zu Stine fahren?« Louise war todmüde und wollte am allerliebsten in einem warmen Bett neben einem lieben Menschen einschlafen.

      »So spät? Willst du nicht lieber mit zu mir kommen? Dann nehmen wir morgen einfach den Bus?«, fragte er und fasste sie ums Handgelenk.

      »Ich weiß nicht so recht . . . Was sagen denn deine Eltern, wenn du mitten in der Nacht eine wildfremde Person anschleppst?«

      »Ach, das sind die doch gewohnt! Komm jetzt!« Er nahm ihren Rucksack und ging zum Rekord.

      »Du bist ja vielleicht grob!«, sagte Louise, war aber erleichtert, weil er alles so gelassen hinnahm. Ein tröstliches Wangenstreicheln hätte sie in Tränen ausbrechen lassen.

      Als sie die schlafende Villenstraße verließen, sah sie, dass ihre Mutter am Mansardenfenster stand und ihr nachschaute.

      Das Erste, was Louise registrierte, als sie in Anders’ Bett erwachte, waren gleichzeitig die ungewohnte Ruhe und die fremden Geräusche. Als Zweites ging ihr auf, dass Anders verschwunden war und dass sie allein in einem kleinen Mansardenzimmer mit schrägen Wänden lag. Ein Stückchen blauer Himmel wurde von einem Dachfenster eingerahmt und draußen bewegte sich eine Baumkrone.

      Sie erkannte seine abgenutzte Schultasche, die er achtlos auf den schweren, alten Schreibtisch geworfen hatte. Alle Möbel waren alt, der Schrank, der Stuhl und das Bett, in dem sie lag. Aber an der Querwand stand ein Holzregal mit einer Stereoanlage und vielen Büchern. Mit Romanen, Gedichtsammlungen, allem Möglichen. Und im untersten Fach stand unter einer Plastikhaube eine Schreibmaschine.

      Wozu er die wohl brauchte? Um Aufsätze und Protokolle zu schreiben? Oder ob er ganz einfach schrieb? Er hatte nie darüber gesprochen, aber es gab sicher sehr viel, was er niemandem erzählt hatte.

      Unten ging eine Tür und irgendwer kam pfeifend die Treppe herauf. Es hörte sich an wie Anders, deshalb stellte Louise sich schlafend und versuchte bildschön dabei auszusehen.

      »Guten Morgen, Dornröschen!« Kaum hatte er die Tür aufgerissen, da stand er auch schon am Bett. Eine kalte Hand stahl sich unter die Decke und legte sich auf ihren nackten Bauch.

      Louise schrie auf.

      »Bist du wahnsinnig, Mann!«

      »Entschuldigung, ich wollte bloß sehen, ob du wach bist. Ach, was bist du schön warm!« Er legte seinen Kopf an ihren Hals, schnupperte und stieß kleine genießerische Töne aus.

      »Du riechst nach Kühen!«, rief sie und hielt ihn von sich weg. Er trug Arbeitskleidung. Grüne Cordhose und kariertes Hemd.

      »Mmm. Ich komm ja auch gerade aus dem Stall, das ist also kein Wunder. Was ist das schön, eine Frau im Bett zu haben!«

      »Wie spät ist es?«, fragte Louise mit einer leisen Ahnung, dass es schon ganz schön spät war.

      »Viertel vor acht. Der Bus ist weg. Aber ich musste meinem Vater bei einer kalbenden Kuh helfen.«

      »Und jetzt? Wie sollen wir jetzt zur Schule kommen?«

      »Wir können den nächsten Bus nehmen oder Mutter kann uns fahren. Wir können auch ganz einfach wegbleiben.« СКАЧАТЬ