Frost & Payne - Die mechanischen Kinder Die komplette erste Staffel. Luzia Pfyl
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Читать онлайн книгу Frost & Payne - Die mechanischen Kinder Die komplette erste Staffel - Luzia Pfyl страница 42

СКАЧАТЬ Nahm sie den Antrag an, wäre sie für immer an die Dragons gebunden.

      »Mutter, darf ich offen sprechen?«

      »Natürlich, mein Kind.« Madame Yuehs Stimme war etwas sanfter geworden. Sie stand nun direkt vor ihr, die Hände auf den Gehstock gestützt. Ihr rotes Seidengewand schimmerte im Aetherlicht.

      Frost atmete tief durch. »Ich will nicht heiraten. Weder Michael noch sonst jemanden. Ich will mein eigenes Leben und mein eigenes Geschäft.« Lange blieb es still, und Frost befürchtete bereits, dass sie ihre Ziehmutter beleidigt hatte. Gleich würde der Gehstock schmerzhaft auf sie niedersausen, wie damals, als sie sich trotzig geweigert hatte, Chinesisch zu lernen. Doch als sie aufschaute, sah sie etwas Neues in dem starren Gesicht der alten Frau. War es Respekt? Oder Akzeptanz?

      Madame Yueh drehte sich um und ging zurück zu ihrem Stuhl. »Wie du vielleicht weißt, Lydia, war mein Mann in Shanghai ein sehr mächtiger Geschäftsmann. Meine Familie wurde damals ausgesucht, ihm die Ehefrau zu stellen, weil wir ehrenvolle und respektable Händler in Diensten des Kaisers waren. Die Heirat mit mir verlieh seinen Geschäften einen noblen Anstrich. Ich wurde also von meinem Vater an meinen zukünftigen Ehemann weitergereicht – wie wertvolle Ware. Meine Klugheit half mir jedoch, die Geschäfte meines Mannes sehr schnell zu durchschauen und mir innerhalb seiner Organisation viele Freunde zu machen. Als er nach wenigen Jahren plötzlich verstarb, nahm ich die Zügel in die Hand. Wie du weißt, florieren die Geschäfte seither.«

      Frost kannte die Geschichte. Innerhalb der Organisation wurde hinter vorgehaltener Hand gemunkelt, dass Madame Yueh ihren Mann entweder hatte umbringen lassen oder selbst ermordet hatte, um seine Geschäfte zu übernehmen. Frost hatte nie herausgefunden, wann genau das passiert war und welche Version der Geschichte nun tatsächlich der Wahrheit entsprach. Der Kern jedoch stimmte. Madame Yueh führte die Organisation seit Jahrzehnten und hatte sie zum mächtigsten Imperium außerhalb des Mutterlandes gemacht.

      »Was ich damit sagen will, mein Kind, ist, dass ich deinen Willen respektiere. Keiner Frau sollte die Möglichkeit verwehrt werden, ein eigenes Geschäft aufzubauen.«

      Verwundert schaute Frost auf. Hatte sie das gerade wirklich gesagt? Gab es für sie und ihre Agentur doch noch eine Chance?

      »Wie ich sehe, hast du verstanden, was ich damit meine, Lydia. Ich schlage dir einen Handel vor. Du kannst deine Agentur behalten und weiterhin versuchen, ein Leben außerhalb der Organisation zu führen. Damit du einen leichteren Start hast, werde ich dir alle paar Wochen Geld zukommen lassen. Allerdings verlange ich dafür, dass du weiterhin für mich arbeitest.« Sie hob die Hand, als Frost nach Luft schnappte, um zu protestieren. »Direkt für mich, ohne die Dragons dazwischen. Du wirst keine Fragen stellen, sondern tun, was ich dir auftrage. Was meinst du, kommen wir ins Geschäft?«

      Frost nagte an der Unterlippe. Es klang verlockend, sehr sogar. Sie würde ihr altes Leben behalten können und sogar finanzielle Hilfe von Madame Yueh empfangen, um über die Runden zu kommen, falls sich wie bisher nur wenige Klienten einstellten. Allerdings behagte ihr der Umstand, exklusiv für ihre Ziehmutter zu arbeiten, nicht wirklich. Einen Haken hatte die Sache garantiert.

      »Muss ich dafür auch Michael heiraten?«, fragte sie, ohne zu überlegen.

      Madame Yueh schmunzelte. »Ich habe lediglich meinen Segen dafür gegeben. Es wäre gut für Michael, sich eine Frau zu nehmen, nun, da er in einer so wichtigen Position steht. Aber es ist deine Entscheidung. Deine Antwort auf seinen Antrag beeinträchtigt unsere Abmachung nicht.«

      Das erleichterte sie sehr. Und auf einmal fühlte sich die Situation nicht mehr ganz so verworren an. Der Deal mit Madame Yueh hatte garantiert eine Kehrseite, doch das Risiko musste Frost eingehen. Mit Michael würde sie schon fertigwerden, wenn der Zeitpunkt dafür gekommen war.

      Wieder holte sie tief Luft und schaute Madame Yueh mit festem Blick an. »Ich bin einverstanden.«

      Die alte Patriarchin klatschte in die Hände. »Wunderbar.«

      Das Bimmeln einer entgegenkommenden Straßenbahn riss Frost aus der Vergangenheit. Gerade noch rechtzeitig bemerkte sie, dass sie ihre Station erreicht hatte und sprang ab. Auf dem Gehweg gab es kaum ein Durchkommen. Frost hatte vergessen, dass heute Markttag war. Die gesamte Garnet Street war vollgestellt mit Ständen und Tischen, über die man bunte Markisen gespannt hatte. Verkäufer und Käufer riefen laut durcheinander. An einem Stand pufften Apparaturen kleine Dampfwölkchen aus diversen Löchern. Zwei Tische weiter gab ein Feuerspucker sein Können preis.

      Auch wenn Frost diese Markttage in Chinatown liebte, so hatte sie heute kein Auge dafür. Sie drängte sich durch die Menge, bis sie die richtige Gasse erreichte, in deren Schatten sie eintauchen konnte. Sie musste Michael finden.

      Payne sah die Faust nicht kommen. Er stand vor dem Büro von Newman, Lord Greysons Sicherheitschef, und wartete darauf, dass man ihn einließ. Zwei Männer saßen neben der Tür auf einer Holzbank und kauten Tabak. Payne registrierte die Ausbuchtung unter ihren Jacken und befand, dass die beiden Männer Holster und Waffen trugen. Sein Kontaktmann hatte entweder hohen Besuch oder brauchte selbst solchen Schutz. Für einen kurzen Augenblick fragte Payne sich, warum.

      Einer der Männer betrat auf ein unsichtbares Kommando hin das Büro, schloss die Tür hinter sich und kam gleich darauf wieder heraus. Das war der Moment, in dem die Faust geflogen kam. Heißer Schmerz explodierte in Paynes Kiefer, und sein Kopf schrammte an der Wand, an die er sich gelehnt hatte, entlang. Die halb gerauchte Zigarette flog in weitem Bogen durch den Flur und landete auf dem Boden, wo sie der zweite Mann mit dem Stiefel austrat.

      Payne wartete mit zusammengekniffenen Augen auf den zweiten Schlag, doch als der nicht kam, richtete er sich vorsichtig auf. Der Mann, der ihm die Faust verpasst hatte, stand direkt vor ihm und starrte ihn feindselig an. Er war etwas kleiner als Payne und hatte sich seit mindestens vier Tagen nicht mehr rasiert. Payne roch den Kautabak und den alten Schweiß, der am speckigen Halstuch klebte.

      Jemand erschien hinter dem Mann in der Tür des Büros. Es war Newman, wie immer in einen tadellosen Anzug gekleidet. Er lehnte sich an den Türrahmen und fing in aller Seelenruhe an, seine Pfeife neu zu stopfen.

      »Mr. Payne«, sagte er wie beiläufig, »ich dachte schon, Sie hätten uns vergessen.«

      »Der Kratzer hat mich etwas mehr als erwartet außer Gefecht gesetzt.«

      »Ich bin sehr enttäuscht von Ihnen.«

      »Ich kann alles erklären.«

      Der Mann im Anzug hielt im Stopfen seiner Pfeife inne und gab mit einem Blick seinen zwei Wachhunden zu verstehen, dass sie beiseitetreten sollten. Payne wischte sich mit der Hand über den Mund und rückte seine Kleidung zurecht. Er konnte bereits jetzt den blauen Fleck spüren, der spätestens morgen früh seinen Kiefer zieren würde. Die Blicke der Wachhunde bohrten sich in seinen Rücken, als er Newman ins Büro folgte.

      »Sie haben nicht zufälligerweise das Buch dabei, das Sie uns zurückbringen sollten?«, fragte Newman und kramte in seiner Jackentasche nach Streichhölzern. Er bot Payne keinen Platz an.

      »Nein«, gab Payne zerknirscht zu. Die Sache mit dem Folianten, den Frost gestohlen hatte und den er eigentlich ihr abnehmen sollte, war ziemlich kompliziert. Newman würde ihm wohl kaum ein Wort glauben.

      »Und wieso nicht? Ich dachte, ich hätte Ihnen einen klaren Auftrag erteilt.« Als Payne schwieg, fixierte Newman ihn mit einem wütenden Blick. »Erklären Sie mir bitte, СКАЧАТЬ