Название: Die Nacht der Schakale
Автор: Will Berthold
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788711726938
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»Wir könnten die Affäre ohne großes Risiko vorantreiben, wenn wir uns zu einer ungewöhnlichen Maßnahme entschlössen«, stellt der CIA-Spezialist fest. »Da müßte allerdings Bonn mitspielen.«
»Was meinen Steve?«, fragt der Chef-Auswerter.
Cassidy entwickelte seinen Plan und sah, daß der Mann, er ihm zuhörte, ebenso fasziniert wie erschrocken war.
»Ihre Idee ist blendend«, sagte Ritter, »und siedend heiß. Ich werde sie unverzüglich unserem Präsidenten vortragen«, versprach er.
Es hieß im Klartext, daß nur eine Chance bestand, Bonns Zustimmung zu einer höchst ungewöhnlichen Manipulation zu erhalten: wenn sich Pullachs Hausherr voll hinter den Vorschlag stellte.
7
Mein Abflug nach Europa hatte sich verzögert, weil der große Gregory darauf bestand, daß ich mich vor meinem Einsatz noch intensiv mit Barry Wallners letztem Fall befaßte. Ich brütete über seinem Nachlaß, ohne mich lange zu fragen, wie er in die Hände der Agency gelangt war, lernte Namen und Daten auswendig und prägte mir tatsächliche oder vorgebliche Geschehnisse ein.
Vieles war mir bekannt, einiges neu; alles in allem eine Story wie Dynamit. Wie fast alle Themen, die der Enthüllungsjournalist angefaßt hatte. Wie ich unter der Hand erfuhr, hatte die Luftaufsichtsbehörde inzwischen festgestellt, daß der Absturz, dessen Opfer er geworden war, auf einen Motorschaden zurückging. Dieser Sachverhalt stellte bei einem Mann wie Barry das schier unlösbare Rätsel, ob das Debakel auf Fahrlässigkeit, Sabotage oder höhere Gewalt zurückging.
Barry Wallner hatte, wie es für seine Arbeitsweise typisch war, das Thema selbst aufgerissen und den Rahmen seiner Reportage persönlich erstellt, die Kontakte zu den Informanten hergestellt und die notwendigen finanziellen Vereinbarungen getroffen. Er brauchte dabei nicht knauserig zu sein; der New Yorker Verlag Fairway House, an dem er beteiligt war, konnte dank der hohen Auflage seines Top-Schreibers kräftig nachhelfen.
Der Pfadfinder gängiger Politskandale hatte bei einem längeren Europa-Aufenthalt vor einiger Zeit diverse Leute angesprochen, die aus der Fluchthilfe im Osten ein lukratives Gewerbe gemacht hatten. Ins Geschäft gekommen war er in erster Linie mit der Züricher trasco ag, deren Inhaber Mauro Dressler unbegreiflicherweise dazu neigte, mit seinen Erfolgen zu prahlen. Der Eidgenosse war der Typ, der gern mit offenem Hemd herumlief, um seine behaarte Männerbrust vorzuzeigen, dabei aber womöglich auf der Haut ein Toupet trug.
Der Wegwerfheld einer gelangweilten Gesellschaft charakterisierte den Prototyp eines Mannes, der fast immer reich, selten jedoch alt wird, ein Geschäftemacher, der aus Müll noch Goldkörner siebt und nicht selten auch auf der Schutthalde endet. Ein Konkurrent ähnlichen Kalibers, Aramco-Chef Hans Lenzlinger, ebenfalls mit Hauptsitz in Zürich, Ackersteinstraße 116, war vor einiger Zeit unter mysteriösen Umständen ermordet worden. Die Polizei hatte das Verbrechen nicht aufklären können. Als Täter kamen die Stasi-Leute aus Ostberlin genauso in Frage wie geprellte Geschäftspartner oder eifersüchtige Freundinnen. Es gab nicht sehr viel Trauer an seinem Grab, aber zu den Hinterbliebenen gehörten zwei Löwen, unter deren Fell die Geheimdienstmikrofilme mit subversiven Nachrichten gesucht hatten, vergeblich.
Mauro Dressler benahm sich vorsichtiger, obwohl er nicht, wie sein toter Rivale, mit vier Leibwächtern auftrat; aber sein Job war heiß, Gefahr sein Metier. Er galt als verschlagen und verwegen. Im Niemandsland der Legalität operierend, hatte er einen Ruf wie Donnerhall, im Guten wie im Schlimmen. Freilich konnte er auch in verzweifelten Fällen so etwas wie die letzte Hoffnung darstellen. Diese Hoffnung erfüllte sich häufig, doch niemals kostenfrei; er half meistens, immer jedoch nur gegen Gebühr.
Für einen Mann wie Barry Wallner, der eine untrügliche Witterung für Weizen in der Spreu hatte und daraus spannende Polit-Triller fertigte, Millionen-Seller, in Massenzeitungen vorabgedruckt, in viele Sprachen übersetzt, ein programmierter Bucherfolg rund um den Globus, war Mauro Dressler, der mit Informationen nicht geizte, eine Fundgrube und jedenfalls sein Geld wert.
Immerhin 50000 Dollar Vorschuß und eine Honorarbeteiligung von einem Fünftel. Gegenleistung: die exklusive Verwertung aller den Ost-West-Dschungel betreffenden Hintergrundoperationen durch den Verlag Fairway House, Park Avenue, New York, N. Y., soweit es sich – um eine Gefährdung der Beteiligten zu verringern – um bereits abgesschlossene Fälle handelte.
Der Top-Journalist wußte natürlich, daß sein Vertragspartner ein hemmungsloser und letztlich undurchsichtiger Abenteurer war. Er hatte sich deshalb abgesichert und zwei Männer aus der Crew des Menschen-Importeurs herausgepickt, die ihn zusätzlich mit bezahlten Informationen versorgten. Sie gehörten zu den Desperados, die zum Teil seit Jahren für die Trasco auf den Transitstrecken oder irgendwo sonst auf DDR-Territorium ihre Haut zu Markte trugen und dabei ständig Kopf und Kragen riskierten.
Zur Zeit saßen sieben aufgeflogene Dressler-Leute in DDR-Gefängnissen Freiheitsstrafen zwischen zehn Jahren und lebenslänglich ab; sie wurden längst durch Neuzugänge ersetzt. Vorübergehend für die Trasco arbeitete auch der Tankstellenbesitzer, Bastler und DDR-Hasser Michael Gartenschläger, der 1961 als Siebzehnjähriger von einem ostdeutschen Gericht wegen politischer Brandstiftung zu lebenslanger Haft verurteilt und zehn Jahre später von der Bundesregierung für 45000 DM freigekauft worden war. Dem Verwegenen gelang es zweimal sich vom Westen her der deutsch-deutschen Grenze nähernd, Tötungsmaschinen des Typs SM 70 auszubauen und zur kriminaltechnischen Untersuchung sicherzustellen. Beim dritten Versuch am 30. März 1976 starb der Mann, den die DDR-Presse einen ›Maschinenschlosser, Rias-Hörer, Brandstifter und Vandalen‹ nannte, im Kugelhagel der Kalaschnikow-Schnellfeuer-Gewehre; die Vopos hatten ihn zuvor nicht angerufen.
Dieses Ende mußten die Mitglieder der Dressler-Organisation vor Augen haben, wenn sie auf den Transitwegen versuchten, Menschen aus dem Land der Aufpasser und Anpasser herauszuschmuggeln. Mit Rücksicht darauf waren die Informationen in den Wallner-Unterlagen halbwegs verschlüsselt und die Männer, von denen sie stammten, ohne Namen; dabei war dem cleveren Barry doch eine Indiskretion unterlaufen: Er hatte sie auf einem Zettel mit S. und F. bezeichnet.
Ein Blitzbesuch bei Pythia diesmal dienstlich und nicht privat – zeigte mir an, daß S. für Schwarz und F. für Forbach stehen könnte. Schwarz bedeutete mir wenig, aber der Name Forbach elektrisierte mich, denn das war nach Zürich und Pullach bereits die dritte Hochzeit, auf der dieser Kommunistenfresser tanzte. Diese Feststellung führte automatisch zur Frage, an wieviel Untergrund-Veranstaltungen der Mann noch teilnehmen mochte.
In diesem Stadium des Falls hatte sich Barry Wallner üblicherweise zum Schreiben zurückgezogen und die weiteren Erkundigungen vor Ort an seine Rechercheure delegiert. In einem Brief an Dressler wurde ein gewisser Brian Singer als sein Beauftragter für künftige Gespräche angekündigt, ein neuer Mann und damit ein unbeschriebenes Blatt. Der private Investigator – angeblich ein As – sollte nicht dadurch auffallen, daß er womöglich in einer Sache bereits aufgefallen war.
Barry, der Schlagzeilen-Zauberer, hatte sich auf sein Handwerk nicht minder gut verständen als der große Gregory, der hartnäckig darauf bestand, daß ich als Brian Singer nach Europa abflog. Wie ich ihn kannte, hatte er seine Vorbereitungen dafür längst getroffen; es war auch vom fachlichen Gesichtspunkt nichts mehr dagegen einzuwenden, denn falls auf Wallner tatsächlich ein Attentat verübt worden war, bedrohte auch seinen Assistenten und Rechercheur bald ein Anschlag.
»Allerdings nur wenn er als solcher erkannt wird«, tat es der CIA-Vize ab. Dann können Sie sich wohl vorstellen, wie wir Sie abschirmen, Lefty.« Er löffelte wieder genüßlich seinen Gesundheitsbrei. »Und überhaupt – seit wann sind Sie denn so ängstlich?«
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