Название: Die Nacht der Schakale
Автор: Will Berthold
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788711726938
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»Hier meldet sich der Sperber«, spulte die explosive Nachricht vom Band.
Ich habe Ihnen Sindelfingen und Bonn als Antrittsgeschenke überbracht als Beweis, von welchem Wert ich für Pullach und Langley sein kann, falls wir miteinander ins Geschäft kommen. Ich stehe in einer Position, die mir Einblick in viele DDR- und SU-Vorgänge ermöglicht, die unter Geheimverschluß stehen. Ich bin über die Tätigkeit von DDR-Agenten in der Bundesrepublik informiert und in der Lage, ihre Namen aufzudecken, ihre Identität zu enthüllen und zu beweisen, in welche Spitzenstellungen in der Politik, der Wirtschaft, beim Verfassungsschutz, beim Bundesnachrichtendienst und in der Bundewehr sie gelangt sind.
Ich kann Ihnen auch mitteilen, welcher Abteilungsleiter bei der BRD-Vertretung in Ostberlin, Hannoversche Straße, direkt mit der Stasi-Zentrale zusammenarbeitet.
Ich bin dazu bereit, weil ich mit dem SED-Staat brechen will.
Ich kann es aber nur wagen, wenn meine Zukunft gesichert wird. Ich benötige einen anderen Namen, eine neue Identität und ein Asyl, am besten in den USA. Zur Abschirmung gegenüber meinen Verfolgern gehört auch meine finanzielle Sicherstellung. Dafür erhalte ich einen Barbetrag von fünfhunderttausend Dollar für notwendig.
Als Stasi-Fachmann weiß ich, daß meine Informationen eigentlich unbezahlbar sind.
Demnächst melde ich mich wieder in einer mir geeignet erscheinenden Form, um zu erfahren, ob Sie grundsätzlich mit einer solchen Vereinbarung einverstanden sind, und auch um zu erfahren, wodurch und inwieweit die absolute Geheimhaltung meines Vorhabens garantiert werden kann.
Sofern Sie diese Voraussetzungen erfüllen, bin ich bereit, mit einem beauftragten Bevollmächtigen an jedem Ort außerhalb des Staatsgebietes der DDR zusammenzukommen, um die Vereinbarungen zu treffen und zu realisieren. Ende.
»Der Sperber«, las Ritter zwischen Ernst und Belustigung aus einem Konversationslexikon vor, das er sich gegriffen hatte, »schießt mit ungewöhnlich raschen kräftigen und sehr flachen Flügelschlägen dahin, erreicht erstaunliche Fluggeschwindigkeiten und stürzt sich in rasender Fahrt auf sein Opfer.«
Cassidy ließ sich das Band noch einmal vorspielen, aber es brachte in so wenig weiter wie die zoologische Würdigung des Raubvogels. Die Nachricht war interessant und lächerlich, eine seltsame Mischung, halb Karl May, halb James Bond, reichlich abenteuerlich und völlig undurchsichtig.
»Lassen wir einmal offen, ob der Mann ein trojanisches Pferd ist, oder wirklich mit uns ein Geschäft machen will«, sagte der CIA-Experte. »In beiden Fällen steht fest, daß der große Unbekannte die Möglichkeit hat, aus der DDR auszureisen, nicht nur ins neutrale Ausland, sondern sogar in die Bundesrepublik. Das wiederum läßt den Rückschluß zu, daß er bei uns nicht als Agent geführt wird und das Vertrauen von General Lupus in besonderem Maße genießt. Wie wir wissen, tut es im Osten Vertrauen allein nicht«, fuhr Cassidy mit einem anzüglichen Lächeln fort. »Der Bursche müßte den Stasi-Leuten auch noch andere Sicherheiten zu bieten haben.«
»Sie sehen das richtig, Mr. Cassidy«, entgegnete Ritter, der in Pullach genauso als exzellenter Fachmann bekannt war wie auf der anderen Seite der sächselnde Lipsky mit dem roten Punkt an der pikanten Stelle. »Bei Funktionären mit Diplomatenpaß nehmen wir immer an, daß sie nicht nur wegen eines Sektfrühstücks in den Westen reisen, können ihnen aber das Gegenteil meistens nicht beweisen. Damit kommen prima vista als Sperber – ich spreche jetzt rein theoretisch – General Lupus selbst, Konopka und Brosam in Frage. Diese drei können jederzeit die zugemauerte Grenze passieren«, stellte der Auswertungsspezialist fest. »Selbstverständlich kann sich auch ein anderer Spitzenmann eine Ausreisegenehmigung besorgen.«
»Die Frage ist nur, ob er in den Osten zurückkehren oder im Westen bleiben will«, erwidert Cassidy mit einem süffisanten Lächeln. »Und was soll der Hinweis auf die BRD-Mission in Berlin bedeuten?«
»Sieht nach einer dritten Morgengabe des Sperbers aus. Wir haben seit langem den Verdacht, daß irgendwie aus dem Auswärtigen Amt Geheiminformationen hinausgetragen werden. Wir haben Nachforschungen angestellt und auf die Botschaften im Ausland ausgedehnt, selbstverständlich auch auf unsere Vertretung in Ostberlin. In keinem Fall hat sich auch nur die Andeutung eines Verdachts ergeben.«
Cassidy war zu höflich, um festzustellen, daß sich ein Verrat auf höchster Ebene zehn Jahre lang im Pullacher Camp hingezogen hatte und daß der schließlich entlarvte Mann von der Gegenspionage, ein Günstling des alternden Generals, trotz seiner DDR-Geburtsstadt durch alle Sicherheitsprüfungen mit Bravour hindurchgekommen war. Felfe, so hieß der Maulwurf, einer der Ehemaligen aus dem Reichssicherheitshauptamt, der kaum weniger schädlich gewesen war als Guillaume, hatte bis dahin Pullachs Führungssrolle in der Ost-Spionage mit einem Schlag zerstört – die CIA war seinerzeit zu der Rechnung gekommen, daß fast drei Viertel alles ihr vorliegenden Wissens um den östlichen Gegner aus BND-Quelle stammte.
Was seinen guten Ruf betrifft, bleibt freilich kein Geheimdienst der Welt lange Jungfrau.
Auch jetzt, an einem Schönwettertag wie aus dem Bilderbuch, hingen wieder Wolken über dem Camp Nikolaus: Ein ehemaliger Topmann, der nach seinem Ausscheiden mit Hilfe bajuwarischer Vetternwirtschaft zum obersten Verfassungshüter im weiß-blauen Land aufgerückt war, hatte nach seinem Abschied vom Camp BND-Geheimakten (teils peinlichen Inhalts) hinter seinem Kamin versteckt und diversen Zeitungen als ›Spionage-Roman‹ angeboten. Die Sache war geplatzt und führte zum Unangenehmsten, was einem geheimen Nachrichtendienst drohen kann: Schlagzeilen in der Presse, Untersuchungsausschuß, Einleitung eines Strafverfahrens. Bevor der Fall ganz überschaubar war – vermutlich würde er es nie werden –, fragt sich der Mann auf der Straße bereits, welche berufliche, moralische und geistige Qualität ein hochdotierter Spitzenbeamter des Untergrunds eigentlich haben mußte.
Was erst jetzt bekannt wurde, hatte sich schon lange vorher ereignet, stammte noch aus der Zeit, da General Gehlen, für den der Zweite Weltkrieg nie zu Ende gegangen war, von der Elendsalm heruntergestiegen und mit 50 Stahlkoffern seines für Hitler gehorteten Materials übergangslos in die Dienste der Besatzungsmacht getreten war. Sein Opportunismus war der Nationalsozialismus; später mußten viele dem Mann recht geben, er, zu seinen Lebzeiten überschätzt und unterschätzt, glorifiziert und geschmäht, sich als Galionsfigur auf das selbst errichtete Denkmal gestellt hatte und aus dem Grab heraus mit einer nachgelassenen ›Verschlußsache‹ noch auf seine innenpolitischen Gegner schoß.
Papas Spion war tot; seine Nachfolger waren moderner, kühler, abwägender und in jedem Fall zurückhaltender, auch wenn sie bei ihren Bonn-Besuchen ihren Kontrolleuren nicht mit tarnendem Mummenschanz wie Schlapphut, Sonnenbrille und falschem Namen imponieren wollten. »Wir füttern zur Zeit dem Computer mit allen uns bekannten Tatsachen über die Stasi-Spitze«, sagte Ritter. »Die elektronische Datenverarbeitung läuft heiß. Ich warte noch ein, zwei Tage, aber dann kann ich Ihnen eine ziemliche verbindliche Sperber-Auswahl vorlegen, Steve.« Er lachte trocken. »Ich sehe keine besondere Gefahr, solange wir den Fall cool abwickeln. Manchmal fürchte ich zwar, auf einem Schleudersitz zu hocken, aber in der Haut unserer Gegner möchte ich noch weniger stecken.«
»Sie sind in Zugzwang«, erwiderte Cassidy.
»Und jeder Zug, den die andere Seite macht, muß eigentlich falsch sein. Sowie der Sperber aus der Deckung tritt, gibt er sich zu erkennen. Bevor er das Geld kassiert, muß er aus der Kulisse auftauchen.«
»Richtig, Peter …«
»Wir haben schon einige Vorleistungen, und wir werden dafür sorgen, daß sie sich vermehren, bevor wir einen Cent investieren. Mich macht nur nervös, СКАЧАТЬ